„Auffallend war in diesem Fall, dass die Zielgruppe mit dem Namen Eiskräuter nichts anfangen konnte“, erläutert Anonyma-Inhaberin Susanne Latour. Konsumenten möchte aber genau wissen, was sie trinken. Ihnen war daher der Terminus nicht klar genug: Sollte der Likör eisgekühlt genossen werden? Oder sind die Kräuter vielleicht bei Frost geerntet oder schockgefroren worden? Dass das Getränk mit Eisquellwasser hergestellt wird, wussten die wenigsten.
Regionalität statt Globalisierung
Einen deutschen und deutlichen Namen zu finden, lautete die Vorgabe an die Expertin, die mit ihrer Agentur mehr als 100 Neuschöpfungen hervorgebracht hat, darunter Patros, Charoluxe, Karlsberg Karla oder Antara. Zumeist suchen Unternehmen kurze, frei erfundene Namen, die auch international funktionieren. Doch diesmal durfte Latour aus dem reichen Fundus der deutschen Sprache schöpfen und auch Umlaute sowie Doppelkonsonanten nutzen. Dass die neue Wortschöpfung „Echter Nordhäuser Wildkräuter“ ein Erfolg war, bestätigten die Konsumenten in einer abschließenden Befragung.
„Als ich 1989 mit der Entwicklung von Markennamen begann, gab es dieses Tätigkeitsfeld in Deutschland praktisch noch nicht“, sagt Latour. Heute seien rund 20 Agenturen darauf spezialisiert. Mit ihrer aktuellen Methode, dem Namenscoaching, schlug sie im Jahr 2002 erneut einen neuen Weg ein. Anstatt einen fertigen Markennamen zu kreieren, hilft sie Unternehmen, selbst einen zu finden. Am Ende dieses Prozesses steht nicht nur ein Name, sondern auch ein motiviertes Team. Das bestätigt auch Stefan Goß, Marketing- und Key Account Manager der Nordbrand Nordhausen GmbH: „Susanne Latour bringt die Projektgruppe zur Hochleistung und führt feinfühlig zum passenden Namen. Sie finden gemeinsam den richtigen Namen und wachsen noch stärkerer zusammen.“
Fast 1.000 Schlüsselbegriffe notiert
Das zehnköpfige Kreativteam erarbeitete am ersten Tag 980 Schlüsselbegriffe – angeregt durch ein Brainstorming mit Warm-Up-Spielen und einer Phantasiegeschichte. Diese Begriffe verdichtete die Gruppe in der Evaluationsphase am Folgetag immer weiter. Die Endauswahl wurde juristisch geprüft und an der Zielgruppe getestet. Zum Schluss machte der Name Wildkräuter das Rennen. Er ist emotionaler und löst beim Verbraucher ein gutes Gefühl aus. Auch das Etikett wurde auf den neuen Namen abgestimmt. Der Handel reagierte positiv auf den Relaunch. Für Latour ist es ein Beweis dafür, dass Produktnamen nicht unweigerlich originell sein müssen, um am Markt zu reüssieren.