Nachhaltigkeit in Unternehmen: Da geht was!

„Grau, teurer Freund ist alle Theorie / Und grün des Lebens goldner Baum“. Was Goethe seinem Faust in den Mund legte, passt ganz wunderbar zum Engagement vieler deutscher Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit. Da wird nämlich nicht diskutiert, sondern längst gemacht.
Marken wie Tchibo, Telekom oder Otto arbeiten daran, nachhaltiger zu werden. (© Unsplash/ Runze Shi)

Die Telekom ist schneller als die FDP: In der künftigen Geschäftsfahrzeugflotte in Deutschland soll es keine Fahrzeuge mit Verbrennermotoren mehr geben. Das schreibt der Konzern in seinem frisch vorgelegten Nachhaltigkeitsbericht. Und ich lege mich hier gleich mal fest: Auch dieser Nachhaltigkeitsbericht der Telekom ist kommunikationspreisverdächtig, weil er sämtliche Register zieht, die man ziehen muss, um komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen.  

Auch interessant: Im Februar startete die Telekom die auf zunächst sieben Folgen angelegte Infotainment-Reihe Heute retten wir die Welt! Ein bisschen. Darin werden Themen rund um Umwelt- und Klimaschutz sowie sozialer Teilhabe leicht und locker kommuniziert. Über den „Bisschen-die-Welt-retten“-Titel lässt sich streiten, unbestritten ist aber, dass er dem krisenhaften Thema etwas von seiner Krisenhaftigkeit nimmt und damit vielleicht für mehr Zuschauer*innen sorgt. Mal sehen, ob die Konsument*innen das neue Format goutieren und es sich als Teil der Nachhaltigkeitskommunikation des Konzerns etabliert.  

Nachhaltigkeit wird die „licence to operate“ 

Viel vorgenommen hat sich auch das im Januar gestartete Nachhaltigkeits-Duo von Tchibo: Johanna von Stechow und Pablo von Waldenfels teilen sich die Führung des Bereichs Unternehmensverantwortung. „Nachhaltigkeit wird für Unternehmen die ‚licence to operate‘ überhaupt sein. Das heißt: Nachhaltigkeit wird nicht aus einer Stabsstelle heraus vorangetrieben werden, sondern es ist Bestandteil von jeder Geschäftsentscheidung. Und daran arbeiten wir dieses Jahr“, sagt Johanna von Stechow in der Folge „Johanna & Pablo – das nachhaltige Job-Tandem“ im hauseigenen Podcast „Fünf Tassen täglich“.  
 

Tchibo ist für sein Engagement rund um Nachhaltigkeit schon mehrfach ausgezeichnet. Nach 17 Jahren Aufbauarbeit stellen sich laut Unternehmen nun die Fragen: „Wohin und wie will sich Tchibo weiter in ein nachhaltiges Unternehmen transformieren? Wo sind die Stellschrauben? Was ist wichtig, was nicht?“ Die Richtung ist für Pablo von Waldenfels klar vorgegeben: „Der Fokus geht weg vom nachhaltigen Produkt hin zum Unternehmen. Am Ende muss das Material des T-Shirts natürlich nachhaltig sein – oder der Kaffee fair gehandelt. Aber die Kundin guckt auf das ganze Unternehmen.“ 

Online-Händler Otto: Weniger Umsatz – und trotzdem mehr Nachhaltigkeit

Nur 4,8 Kilometer von der Hamburger Tchibo-Zentrale entfernt ist das Headquarter von Otto, wo Nachhaltigkeit ebenfalls ganz oben auf der Agenda steht. Auf der Pressekonferenz am 21. März hatte Marc Opelt, Vorsitzender des Bereichsvorstands der Einzelgesellschaft Otto, nicht ganz so gute Geschäftszahlen zu verkünden. Der Umsatz des größten deutschen Online-Shops und dem dazugehörigen Marktplatz ist um 8,6 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro gesunken. Die gute Nachricht für den Händler: Die Kundschaft blieb mit 11,3 Millionen aktiven Kund*innen stabil, sie kauften lediglich weniger ein. Die gute Nachricht für den Planeten: Das Unternehmen bleibt in Sachen Nachhaltigkeit hoch engagiert.

Die Zahl der nachhaltigen Artikel im Sortiment erreichte mit rund 626.000 Stück einen neuen Höchststand. Bis 2025 sollen es über eine Million sein. Außerdem will der Händler bis 2030 in den eigenen Geschäftsprozessen klimaneutral sein und sich dafür auf das Erreichen von Science Based Targets verpflichten. Unter anderem reduziert Otto ab diesem Jahr den Anteil von Dieseltreibstoff bei der Seefracht um 15 Prozent. Der Luftfrachtanteil wurde laut eigenen Angaben bereits auf unter zwei Prozent reduziert und soll weiter sinken. 

Noch flugs ein Tipp für die Ohren 

„Verzichtappelle funktionieren nicht. Sie lösen keinerlei Probleme.“ Und: „Technologie, Fortschritt, ist im Grunde genommen die einzige Hoffnung und die einzige Form, Probleme der Zukunft anzugehen.“ Das sagt Vince Ebert, Physiker, Kabarettist – früher langjähriger Kolumnist der absatzwirtschaft – und Autor des im vergangenen September erschienenen Buchs „Lichtblick statt Blackout. Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen“. Im SMP Leadertalk diskutieren Georgiy Michailov, Managing Partner von Struktur Management Partner, und Vince Ebert darüber, dass das kapitalistische System für die Nachhaltigkeit das beste sein könnte. Hier ist also maximal ideologiefreies Zuhören erforderlich. Wer sich das erlaubt, erlebt eine interessante und faktenreiche Hörstunde. Man muss sich die Meinung der beiden ja nicht zu eigen machen, sie anzuhören lohnt sich aber allemal. Wie sagt Vince Ebert in Anlehnung an den großen Hans Rosling so schön: „Man muss Erkenntnisse akzeptieren, auch wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen.“ 

Während ich hier so an den letzten Zeilen feile, kommt just noch eine aktuelle Umfrage vom Marktforscher YouGov rein. Headline: „Rund drei von fünf Deutschen glauben an den menschengemachten Klimawandel“. Oder andersherum: 22 Prozent der Menschen in Deutschland glauben nicht daran. … und wieder beschleicht einen das Gefühl, dass es noch sehr viel zu tun gibt. 

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“