Mobiles Internet eine Gefahr für den Fortschritt?

Die ständig wachsende Zahl der Menschen, die das Internet von mobilen Endgeräten aus nutzen, stellt nach Ansicht einiger Experten eine Gefahr für den technologischen Fortschritt und die Kreativität dar, wie der „Observer“ berichtet. Smartphone und Co. werden immer mehr zu Blackboxes. Die Kontrolle über die Inhalte liegt nicht mehr beim Menschen, sondern bei Netzbetreibern und Herstellern von mobilen Betriebssystemen. Was im Hintergrund alles passiert, erfahren die User nicht.
Studenten schauen sich Fotos auf einem Smartphone an

„Der Trend geht in diese Richtung. Bei stationären Internetverbindungen kann ich aus mehreren Providern wählen und das System selbst konfigurieren. Bei einem Smartphone von Apple und Co. ist das nicht möglich. Da gibt es durchaus auch Zensurmaßnahmen. Technologien wie Flash oder Inhalte, die nicht bestimmten Moralvorstellungen entsprechen, sind nicht erlaubt“, sagt Gerhard Kongehl von der Ulmer Akademie für Datenschutz.

Auch die wenigen großen Netzbetreiber können Einfluss auf die Inhalte nehmen, die mobil erreicht werden. Der starke Wettbewerb unter den großen Telekommunikationsanbietern beschränkt die Anzahl der Alternativen. „Technologischer Fortschritt ist immer geprägt von finanziellen Interessen oder Verteidigungs-Überlegungen. Viele Internetfirmen sind im studentischen Milieu entstanden, mittlerweile sind die Investitionen schon so hoch, dass kommerzielle Interessen in den Vordergrund treten“, erklärt Konhgehl. Auch bei Systemen wie Spielekonsolen geben die Nutzer die Kontrolle über die verfügbaren Inhalte aus der Hand.

„Durch die Abgabe der Kontrolle an Firmen mit kommerziellen Interessen werden die Kreativität und der damit einhergehende technologische Fortschritt im Netz eingeschränkt“, ist Kongehl überzeugt. Die Innovationskraft des Internets werde so gemindert. Aber auch die Kreativität Einzelner leide unter der begrenzten Information, die über geschlossene Systeme erhältlich ist. „Durch Algorithmen, die Bücher zum Lesen empfehlen und ähnliche Systeme entsteht eine Art geistige Inzucht. Menschen finden nur noch Bestätigung und verknüpfen sich mit Personen, die gleich ticken wie sie. Geistige Inspiration entsteht aber außerhalb solcher Systeme“, betont der Fachmann.

Der „Observer“ schreibt sogar, dass jedes angemeldete Smartphone uns einen Schritt näher an eine vernetzte Welt bringt, in der Konzerne nicht nur das System nach ihrem Geschmack regulieren, sondern auch die Geschwindigkeit der Innovation an ihre Bedürfnisse anpassen können. Kongehl betont weiter: „Momentan geht der Trend in Richtung stärkere Vernetzung. Technik ist heute emotional positiv besetzt, die Faszination ist stärker als das Wissen um die Gefahren. Es kann sein, dass es eine große Gegenbewegung zurück zur Mensch-zu-Mensch-Kommunikation gibt, wenn der Druck weiter steigt. In der Kulturgeschichte gab es ja immer wieder Paradigmenwechsel. Mit Sicherheit sagen lässt sich das aber nicht. Niemand weiß schließlich, was uns die Informationstechnologie in Zukunft noch bringt.“ pte

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