Von Frank Puscher
Mag man der Studie glauben, die der Softwareanbieter Adobe während des Online-Marketing Summit Ende April in London präsentierte, so wird 2014 das Jahr, in dem die mobilen Zugriffe auf Websites die stationären überholen. 2012 waren es – so Adobe – um die 25 Prozent, dieses Jahr sollen es im Marktdurchschnitt 39 Prozent sein. Freilich unterscheiden sich die Zahlen von Website zu Website und die Einordnung von Tablets in die Gruppe der mobilen Endgeräte ist nur die halbe Wahrheit. Gewiss ist jedoch, dass sich der Mobile-Boom fortsetzt. Der Preisvergleichsanbieter Scout24 stellte für das abgelaufene Jahr fest, dass ungefähr 30 Prozent der Kontakte von mobilen Endgeräten ausgehen, App-Aufrufe und Besuche der Website zusammengerechnet.
Das Nutzerverhalten genau beobachten
Scout 24 betreibt eine Reihe von Diensten, die verstärkt von Smartphones aus genutzt werden. Das gilt natürlich besonders für die ortsbezogenen Dienste Travelscout und Immoscout. Aber auch für Autoscout (Preisvergleiche bei Autos) und für Friendscout (Dating) nimmt die Bedeutung der Mobilangebote zu. Für Online Marketing Manager Patrick Hübler war es höchste Zeit, das Verhalten der Nutzer genauer zu beobachten, um die Anwendungen und mithin die User Experience optimieren zu können.
Was für Hübler und Immoscout gilt, trifft auch auf andere Unternehmen zu. SAP zum Beispiel verzeichnete allein im Jahr 2012 einen Anstieg der mobilen Zugriffe um 300 Prozent. SAP Vizepräsident Shaun Burns präsentierte anlässlich des Adobe Marketing Summit ein sehr persönliches Beispiel: „Den Carsharing-Dienst ZipCar benutze ich seit zwei Jahren. Ich habe noch nie ein Gesicht aus der Firma gesehen, ich kenne die Firma nur durch die App.“
Was für Business-to-Business gilt, gilt für Business-to-Consumer umso mehr. Die olympischen Spiele in London werden als das Ereignis in die Geschichte des Marketings eingehen, wo sich mehr Nutzer auf den 24 Online-Streams der BBC tummelten als im Liveprogramm. Und fast die Hälfte davon setze mobile Geräte ein. „38 Prozent aller Videoabrufe kamen vom Smartphone, acht Prozent vom Tablet“, erläuterte Phil Fearnley, General Manager von BBC Future Media seine Analyse. „Die Peaks bei den Smartphones lagen morgens und abends, also zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit oder im Pub. Die meisten Aufrufe von Tablets kamen zwischen 10 und 12 Uhr nachts, also kurz vor dem Zubettgehen“.
Die Nutzererwartungen ableiten
Die Erkenntnisse aus einer präzisen Analyse übersteigen also das Wissen über Endgeräte. Die Analyse gibt ein recht deutliches Bild vom Nutzerverhalten, aus dem folglich die Nutzererwartungen abgeleitet werden können. Inzwischen verpixelt Patrick Hübler jede einzelne Seite seiner Anwendungen, egal ob WebApp, native App oder mobile Website. Er erfährt nicht nur die klassischen Analysedaten wie zum Beispiel die Klickpfade, die Absprungraten oder die Verteilung der unterschiedlichen Browser und Betriebssysteme. Mobile Analytics kann ihm auch präzise Verweildauern in einzelnen Segmenten anzeigen, die Menge der App-Aufrufe seit dem Download oder die Anzahl der Abstürze.
Angesichts der Vielfalt an Plattformen und Systemen ist das Einpflegen von Tracking-Codes von Hand kaum zu lösen. Hier schlägt die Stunde der Softwarehäuser, die ein komplettes Set an Code-Bibliotheken anbieten. Diese lassen sich mit wenig Anpassung in die Seiten oder Apps integrieren. Spezialisierte Anbieter wie Flurry oder Localytics siedeln sich preislich darunter an.
Auch Google hat inzwischen ein entsprechendes kostenloses Angebot am Start. Der Suchriese punktet durch die tiefe Integration in Google Analytics. Erst im vergangenen Dezember hat man ein Multi-Channel-Modell vorgestellt, dass dem Marketer ermöglicht festzustellen, wenn ein- und derselbe Nutzer auf unterschiedlichen Geräten Kontakt sucht und eventuell sogar im Laden einkauft. Um letzteres messen zu können, bedarf es der Anbindung eines Kundenbindungsprogramms, damit das CRM-System im Laden die Identität des Käufers feststellen kann.
Reichweite und Probleme
Fällt der Begriff Identität, ist der Ruf nach dem Datenschutz nicht weit. Im Gegensatz zu einem stationären PC, der zum Beispiel in Firmen, Hotels und Familien auch von mehreren Nutzern verwendet wird, ist das Smartphone ein sehr persönliches Device. Aus diesem Grund fällt es vielen Nutzern auch leicht, ihre Registrierungsdaten in den Apps fest zu hinterlegen. Der Nutzung durch Unbefugte würde ja in vielen Fällen ein Diebstahl vorausgehen.
So können sich die Apps automatisch mit dem Kundenkonto verbinden und dort ihre Tracking-Spuren hinterlassen. Sobald dort ein CRM-System angeschlossen ist, dass zum Beispiel die Kaufhistorie kennt, verschmelzen Kunden- und Bewegungsprofil. Hierfür muss das jeweilige Unternehmen um Erlaubnis fragen, und zwar deutlich. Eine einfache Cookie-Bestätigung wird nicht genügen.
Die Bilder, die die Analysesoftware vom Kunden erzeugen kann, sind nämlich erstaunlich präzise, sobald automatische Logins involviert sind. Ben Gott, Analytics-Chef von Periscopix, skizzierte in einem Blog-Beitrag, wie die komplette Customer Journey einer Kundin von Etsy abgebildet werden kann. Das beginnt bei der Google-Suche vom Büro-Desktop, geht über die mobile Recherche per Smartphone und endet mit dem Kauf zuhause vom Tablet aus. Das Attributionsmodell kann genau errechnen, welchen Wert der jeweilige Kanal für den Verkaufserfolg hat.
Erkenntnisse über Kampagnenwirkung
Wer die User überzeugen und präzise analysieren kann, dem winkt freilich ein enormer Datenschatz. So fand Shopbetreiber Manufactum durch die Analyse der WebApp heraus, dass Android-Nutzer kaum Produkte kaufen. Marketingleiter Tom Feller konzentriert sich daher auf seine erfolgreiche App für das iPhone.
Für Scout 24 und Patrick Hübler liegt ein wesentlicher Fokus der Analyse auch darauf, wie Kampagnen für die App wirken. Hierfür ist es wichtig, dass zum Beispiel Google-Suchbegriffe in die Analysesysteme mitgenommen werden. Nur dann weiß Hübler, welche Kampagne welche Downloadzahlen in Googles Play-Store ausgelöst hat.
Ein Zwischenfazit zog Hübler in London bereits für die strategische Entscheidung App oder WebApp. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sieht er die native App nicht automatisch als wertvoller an. „Native Apps ersetzen nicht unbedingt das Mobile Web“.