Marken-Award 2020: Make Obstbrand great again mit Schladerer

Die Brennerei Schladerer aus dem Schwarzwald gelingt es mit zeitgemäßen Produkten für eine jüngere Zielgruppe erfolgreich, den Abwärtstrend zu stoppen. Gemeinsam mit ihrer Agentur Münchrath / Ideen + Medien war Schladerer für den Marken-Award in der Kategorie "Beste Markendehnung" nominiert.
Guter Draht zu den Experten: Mit der neuen Heritage-Linie wurden gezielt Barkeeper als Multiplikatoren angesprochen. (© Schladerer)

Obstbrand? Das kingt für viele alles andere als modern, und gesund schon gar nicht. Genau deshalb schlug man vor einigen Jahren bei der Brennerei Schladerer in Staufen Alarm: Der deutsche Markt für Obstbrand schrumpfte seit 2014 jährlich um vier Prozent. Die Gründe: eine alternde Kernzielgruppe und der Trend zu einer bewussteren Ernährung. Diese Entwicklung gefährdete Schladerer ganz besonders – steht doch das Unternehmen im Schwarzwald seit 1844 vor allem für hochwertige Obstbrände und Obstgeiste, für Klassiker wie Schwarzwälder Kirschwasser, Himbeergeist, Williams-Birne oder Alte Zwetschge. Aber was tun?

„Als Marke mit 175 Jahren Geschichte standen wir vor der Herausforderung, unsere Werte und Herkunft in einen attraktiven und zielgruppengerechten Auftritt zu übersetzen“, berichtet Inhaber Philipp Schladerer, der das Unternehmen in der mittlerweile sechsten Generation führt. „Die besondere Aufgabe lag darin, eine traditionsreiche Marke einer jüngeren Zielgruppe näherzubringen, ohne dabei bestehende Verwenderinnen und Verwender zu verlieren.“

Fokus der Neuorientierung auf Verjüngung der Marke

Gemeinsam mit der Freiburger Agentur Münchrath / Ideen + Medien wurde ein Konzept für eine umfassende Neuorientierung erarbeitet. Zielsetzung: Obstbrand wieder sexy machen, die Marke verjüngen und ins Relevant Set von Konsumenten bringen. „Make Obstbrand great again“ lautete der interne Titel der schwierigen Mission.  

Geschäftsführer Philipp Schladerer führt das Unternehmen aus dem Schwarzwald in der mittlerweile sechsten Generation.

Um systematisch an die Sache heranzugehen, analysierte man erst einmal alle bestehenden Markenwerte und interpretierte sie für die Gegenwart neu. Resultat war eine komplett überarbeitete Markenarchitektur. Die bisherige Positionierung als Obstbrand-Hersteller („Die schönste Art, Früchte zu genießen“) wich einer neuen Identität als craftige Spirituosen-Manufaktur („Brennkunst seit 1844“). Auch ein zentrales Zielgruppen-Bedürfnis wurde ermittelt: Exklusivität des Individuums – solange der Einzelne Teil eines großen Ganzen ist.

Deutlich modernisiertes Corporate Design

Für das Markenerlebnis sind nun Attribute wie Einzigartigkeit als Gesamterlebnis, Verwurzelung im Schwarzwald und Liebe zum Detail entscheidend. Die neue Marschrichtung drückt sich durch ein deutlich modernisiertes Corporate Design aus, das Tradition und Gegenwart bruchlos verbindet und Hochwertigkeit ausstrahlt. Der Relaunch von CD und Website wurde mit einer Imagebroschüre und einem 16-seitigen Zeitungsbeileger sowie einem Kommunikationspaket zum 175-jährigen Jubiläum präsentiert.

Gleichzeitig ordnete Schladerer das Portfolio seiner Produktlinien neu. Die Klassiker stehen dem traditionellen Markenkern am nächsten und werden mit dem alten Dachmarkenclaim „Genuss in seiner reinsten Form“ beworben. Etwas jünger positioniert sind „Die feinen Milden“ wie Milde Williamsbirne oder Milde Goldaprikose („Ein Kompliment für den Moment“). Hinzu kommen Liqueure, Spezialitäten und die neue Heritage-Linie.

Letztere stellt den entscheidenden Sprung nach vorn dar. Mit den innovativen Produkten Gretchen Distilled Dry Gin, Schwarzwald Maraschino und Vincent Aperitif werden jüngere Käufer im Alter zwischen 25 und 39 Jahren angesprochen. Die Linie bewegt sich weit vom eigentlichen Markenkern weg, aber genau diese Dehnung ist beabsichtigt. Aus diesem Grund tritt auch die Dachmarke bei der Heritage-Linie in der Wahrnehmung deutlich zurück.

Negativer Absatztrend gestoppt

Auch die Kommunikationsstrategie wurde neu justiert. Die einzelnen Linien werden jeweils zielgruppenspezifisch auf analogen Kanälen (Event-Sponsoring, PoS-Marketing, Freecards) oder in der digitalen Sphäre unter anderem über Social Media beworben. Einen großen Stellenwert haben für Schladerer Aktivitäten, die mit dem Probieren der Produkte zusammenhängen, etwa PR-Aktivitäten im Bar- und Gastronomiebereich, Fachmesseauftritte und Produktsponsorings. Sehr gut kommt in der Gastronomie unter anderem der Schwarzwald Maraschino an, der speziell für und gemeinsam mit Barkeepern entwickelt wurde.

Das Ganze hat sich gelohnt: Die Markendehnung mit den frischen Produkten bescherte Schladerer neue Kundschaft und sorgte dafür, dass der Negativtrend beim Absatz gestoppt wurde. Die Klassiker und vor allem die Heritage-Linie trugen signifikant zur Umsatzstabilisierung in einem schrumpfenden Markt bei. Heritage machte schon 2019, ein Jahr nach Einführung, sieben Prozent des Gesamtabsatzes aus. Um das Schiff auf Erfolgskurs zu halten, will Schladerer unter anderem die kontinuierliche Kommunikation in den neu geschaffenen Kanälen, zum Beispiel im Content-Hub auf der Website, pflegen. Zudem sind weitere Produktinnovationen in der Pipeline. Die Geschichte des Obstbrands, sie ist noch lange nicht auserzählt.

*Der Artikel wurde am 27.5. veröffentlicht und am 29.5. geändert.

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.