Machen neue Dot-Endungen das Web bunter und benutzerfreundlicher?

Ende des Jahres sollen neue Dot-Endungen, so genannte generische Top Level Domains (gTLDs), als Internetadresse zur Verfügung stehen. Endungen wie .google oder .berlin sind dann denkbar. Wo liegen die Chancen? Wo die Risiken?

von Dieter Wichmann, Sales Manager Central Europe bei Markmonitor

Geht es nach der Internet Corporation for Assigned Names und Numbers (ICANN) wird 2009 endlich gut, was schon lange währt. Noch dieses Jahr will die Organisation, die das weltweite Internet-Adressensystems koordiniert, nach jahrelanger Diskussion zusätzliche generische Top Level Domains (TLD) einführen. TLDs bezeichnen die dem letzten Punkt einer jeden Domain folgenden Buchstaben.

Aktuell gibt es eine feste Anzahl generischer TLDs, die für bestimmte Gruppen von Organisationen geschaffen wurden; zum Beispiel .edu. Mit einer neuen Richtlinie will die ICANN diese gTLDs nun auf andere Communities und Organisationen wie Unternehmen ausdehnen.

Zwei Arten generischer Top Level Domains
Zu unterscheiden sind so genannte Community-basierte und offene gTLDs. Erstere nehmen Bezug auf eine klar identifizierbare, organisierte und bereits existierende Community. Beispiele für bereits bestehende Endungen sind .travel oder .museum. Demgegenüber stehen offene gTLDs, die in Zukunft für jeden Antragsteller, sofern es sich um eine juristische Person handelt, verfügbar sein werden. Endungen wie .google oder .berlin sind so zukünftig denkbar.

Neue Chancen und Risiken
Die neuen gTLDs sollen der Internet-Community eine größere Mitwirkung ermöglichen und mehr Wahlmöglichkeiten bringen, indem sie durch eigene Dot-Endungen das Internet individualisieren. Nicht zuletzt Unternehmen erhalten so die Möglichkeit, sich über eigene „Internetinseln“ deutlicher vom Wettbewerb abzuheben. Beispielsweise könnten Kunden gleich unter www.iphone.apple fündig werden, anstatt sich ausgehend von www.apple.com bis zu dem Produkt ihrer Wahl durchklicken zu müssen. Befürwortern gilt der ICANN-Vorstoß daher als Revolution, die das Internet bunter und benutzerfreundlicher macht.

Kritiker bezweifeln dagegen die von der ICANN angegebene hohe Marktnachfrage nach einer Erweiterung des Internet-Adresssystems. Aus ihrer Sicht bringt die Schaffung der neuen gTLDs vorwiegend hohe Kosten und wesentliche Gefahren für etablierte wie neue Marken mit sich. Beides stelle – nicht zuletzt angesichts der aktuellen weltweiten Wirtschaftskrise – eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen dar.

Vor allem im Markenmissbrauch durch zunehmendes Cybersquatting sehen Firmen wie Markmonitor, einer der ersten Domainregistrare und Spezialist für Online-Markenschutz, eine große Gefahr für Unternehmen. Bei dieser Art von „Domain-Besetzung“ registrieren Personen, die kein Recht an einer Marke haben, eine Domain, die auf diesen Markennamen oder einen Begriff mit entsprechendem Verwechslungspotential lautet.

Das Problem hierbei ist, dass diese Internetadressen häufig missbräuchlich eingesetzt werden, zum Beispiel für Seiten mit pornografischem Inhalt oder als Vertriebsquelle für gefälschte Produkte. Werden Internetnutzer in die Irre geführt oder gar geschädigt, stehen Image und Umsatz des betroffenen Unternehmens auf dem Spiel. Schließlich wird erwartet, dass der Markeninhaber solche kriminellen Machenschaften unterbindet.

Schutz vor Cybersquatting?
Sich selbst und die Verbraucher können Unternehmen heute am Besten schützen, indem sie aufeinander abgestimmte technische Lösungen für Domain-Management sowie das Aufspüren und Bekämpfen bereits bestehender Rechtsverletzungen einsetzen. Ein Domain-Management-Tool unterstützt Unternehmen sowohl bei der Verwaltung ihres oft umfangreichen Domain-Portfolios als auch bei der Identifikation und vorsorglichen Registrierung von Internetadressen, die eine Verbindung zu einer Marke herstellen können.

Sind einem Unternehmen bereits Dritte zuvor gekommen, spürt eine gute Markenschutzlösung bestehende Missbräuche umfassend auf, differenziert sie nach ihrem Schweregrade und hilft, dagegen vorzugehen. Auch den Erwerb bereits vergebener Domains von ihren aktuellen Besitzern vereinfacht eine solche Lösung deutlich. Unternehmen, die entsprechende Angebote nutzen, profitieren damit von größtmöglicher Transparenz und Reaktionsfähigkeit.

Gibt die ICANN nun hunderte, wenn nicht tausende neuer Top Level Domains frei, steigen mit jeder neu hinzukommenden gTLD die Möglichkeiten des Missbrauchs und die Kosten der Verteidigung massiv an. Das zu erwartende Cybersquatting-Ausmaß lässt sich erahnen, legt man die Ergebnisse des Brandjacking Index Summer 2008 von Markmonitor zugrunde: laut dieser Studie zur Entwicklung des Online-Markenmissbrauchs sahen sich die 30 weltweit populärsten Marken innerhalb nur einer Woche durchschnittlich 400.000 Cybersquatting-Angriffen ausgesetzt.

Mögliche Lösungsansätze
Weltweit nutzten Einzelunternehmen sowie Interessensvereinigungen die Kommentierungsfrist, um ihre Bedenken gegen den ICANN Richtlinienentwurf vorzubringen. So fordern die Kritiker beispielsweise folgende neue Regelungen:

  • Einführung einer Datenbank für Markenrechte (IP-Registry). In einer von der ICANN-bestätigten IP-Registry sollten die Rechte von Markeninhabern verzeichnet werden. Im Falle eines TLD-Antrages, der in Konflikt mit in der Registry anerkannten Rechten steht, könnte der Markeninhaber informiert werden, um einen eigenen Antrag einbringen oder rechtliche Schritt einleiten zu können. Zudem sollte die ICANN in den entsprechenden Fällen Hintergrund und Motive des Bewerbers überprüfen und nur nicht-kommerzielle und nicht-schädigende Eintragungen zulassen, die Einhaltung dieser Auflagen überprüfen sowie Maßnahmen definieren, um im Falle von Verstößen gegen diese vorzugehen.
  • Erstattung der Kosten eines Rechtsstreits. Obsiegt ein Markeninhaber in einem Rechtsstreit, so sollten ihm sämtliche mit der Auseinandersetzung verbundene Kosten für Gerichtsgebühren, Rechtsbeistand oder Domain-Anmeldung erstattet werden. Aktuell ist nur die Übernahme eines Teils der Anmeldekosten vorgesehen.
  • Einsatz einer korrekten, öffentlich zugänglichen und kostenlosen Who-is-Datenbank. Die aktuellen ICANN-Richtlinien beinhalten nur wenige Anforderungen an TLD-Bewerber zum Nachweis ihrer Identität über so genannte Who-is-Datenbanken. Ein zentrales Anliegen zahlreicher Markeninhaber ist jedoch ein freier und kostenloser Zugang zu einer solchen öffentlich verfügbaren und vor allem korrekten Who-is-Datenbank. Diese würde es Unternehmen ermöglichen, über die IP-Adresse schnell und einfach die Inhaber missbräuchlich verwendeter Domainnamen zu ermitteln.
  • Entscheidungen bei Rechtsstreitigkeiten zu Domainnamen sind für ICANN bindend. Kritischen Stimmen zufolge sollten Entscheidungen in Rechtstreitigkeiten, die von so genannten Dispute Resolution Service Providers (DRSP) gefällt wurden, für die ICANN bindend sein. Laut aktuellem Richtlinienentwurf kommt ihnen im Rahmen eines TLD-Antragsverfahrens lediglich die Funktion einer Expertenempfehlung zu.

Fazit
Der jahrelange Expertenstreit zur Notwendigkeit weiterer generischer Top Level Domains ist auch mit dem ersten Richtlinienentwurf der ICANN noch nicht abgeschlossen. Die lebhafte Beteiligung während der öffentlichen Kommentierungsfrist mit zahlreichen Vorschlägen zur Schließung von Regelungslücken haben den geplanten Fortgang des Einführungsprozesses ins Stocken gebracht. Liegen die Motive der ICANN tatsächlich in der Förderung der Internetcommunities, sollte sie den vorgebrachten Bedenken dringend Gehör schenken.

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