Lieber arbeitslos als unglücklich

Ab sofort alle zwei Wochen montags: News, Trends und Hintergründe zu New Work und Culture. Mit Knowhow und Nutzwert für Profis und Interessierte. Zum Start gibt’s Neues über Employer Branding, New Payment - und den wahren Fluch von Workation.
Arbeitgeber müssen immer mehr tun, um Arbeitnehmer*innen an sich zu binden. (© Stocksy)

Erfolgreich ist, wer erfolgreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Nie war dieser Satz so wahr wie heute. Der Kampf um die Zukunft von Unternehmen wird im Kampf um die besten Talente entschieden – und diese Aufgabe wird immer komplexer. Mit der Kolumne „Work & Culture“ mischt sich absatzwirtschaft ab sofort und alle zwei Wochen in den vielzitierten „War for talents“ ein – als Newslieferant, Trendanalytiker und Debattenanstoßer. Wir wünschen viel Vergnügen und noch viel mehr Aha-Momente. 

Aber zunächst sei die Frage erlaubt: Sind Sie gut ins Neue Jahr gekommen? Haben Sie im Urlaub vielleicht an einem Hotelpool gelegen und beim Sonnenbaden zum ersten Mal die Schattenseiten von Workation durchlitten? Nicht, weil Sie selbst unter spanischer Sonne arbeiten mussten. Sondern weil der Fremde neben Ihnen pausenlos – und leider lautstark – Business-Telefonate führte? Denn das ist der wahre Fluch von Workation: Früher mussten wir uns anderer Leute Firmengeheimnisse nur auf Bahnfahrten anhören. Dank Workation werden wir jetzt auch im Urlaub mit derlei Dingen zugequatscht.

Im Fokus 2023: Fachkräftemangel und New (Old) Talents 

Doch das nur am Rande. Im Fokus des New Work-Jahres 2023 steht zweifelsfrei der dramatisch wachsende Fachkräftemangel. Ende 2022 waren in Deutschland rund 1,9 Millionen Arbeitsstellen unbesetzt, davon rund 950.000 in den Dienstleistungsbereichen. Verschärft hat sich die Lage auch im IT-Sektor. Hier fehlen derzeit rund 137.000 Expertinnen und Experten quer durch alle Branchen

Deutsche Unternehmen lecken sich die Finger nach neuen Talenten. Und zur Not sogar nach alten. Die Debatte um New Old Talents nimmt gerade Fahrt in der Marketing- und Werbebranche auf. Beispielsweise entdeckt auch Christian Rätsch, scheidender Saatchi & Saatchi-CEO kurz nach seinem 50. Geburtstag das Potenzial älterer Menschen als Lösung im War for talents. Auf LinkedIn schickt er eine #Ü50Quote in den Ring, und knapp 500 Likes geben ihm Recht. Ageism, vulgo Altersdiskriminierung, und die zugehörigen Lösungsansätze werden uns – und auch diese Kolumne, die es auch als Newsletter gibt – in der nächsten Zeit sicher noch intensiv begleiten. Gut möglich, dass nach New Work und New Normal 2023 das Jahr des New Old wird.

Lieber arbeitslos als unglücklich?

Doch bis die Alten tatsächlich wahrnehmbar in den Fokus von HR-Abteilungen rücken, wird die Schlacht weiter um junge Leute geschlagen. Und die lassen sich bekanntlich mächtig bitten. Die Ansprüche von Gen Z und Millenials an Job und Arbeitgeber sind mittlerweile derart hoch, dass laut einer internationalen Studie rund 40 Prozent der Gen Z und 38 Prozent der Millenials lieber „unemployed than unhappy“ sind. Lieber arbeitslos als unglücklich? Man kann das jetzt als weltfremd und überheblich abtun. Vielleicht meinen viele mit „unemployed“ in Wahrheit auch „selfemployed”, also selbstständig (was die Studie leider nicht abgefragt hat). Aber das ist letztlich auch egal, denn beides macht die Lage für Mitarbeitersuchende Unternehmen nicht einfacher. 

Umso relevanter erscheint in diesem Kontext ein Beitrag von Katja Schiffelholz Semedo. Unter dem Titel „New Work braucht New Pay“ klärt die Fachjuristin akribisch und nachvollziehbar über neue und vor allem flexiblere Vergütungsmethoden auf. Die gute Nachricht: Junge Menschen mögen das. Die schlechte Nachricht: Flexibilität braucht Transparenz. Und Transparenz ist, wenn’s ums Geld geht, in den meisten Unternehmen noch immer ein extrem heikles Thema. Um nicht zu sagen ein „no go“. Auch diese Debatte ist eröffnet.

Employer Branding gewinnt an Relevanz

Dann doch lieber eine neue Employer Branding-Kampagne? Hier tut sich 2023 so einiges. Im vergangenen Jahre zählten bereits 62 Prozent der in einer Studie befragten Marketingabteilungen Employer Branding zu ihren Aufgabenfeldern, ein Jahr zuvor waren es nur 35 Prozent. Entsprechend groß ist die Zahl neuer und vor allem professionalisierter Employer Branding-Kampagnen, die zu Beginn des Jahres gestartet sind. 

Eine davon ist die der Deutschen Bahn. Vor einer Woche präsentierte der Konzern seinen neuen Auftritt zur Mitarbeiteranwerbung. Über 25.000 Neueinstellungen will die Bahn in diesem Jahr umsetzen, davon rund 9.000 für neu geschaffene Stellen. Die Zahlen zeigen den gigantischen personellen – pardon – Durchsatz, den die Bahn mit insgesamt rund 330.000 Mitarbeitenden jährlich stemmen muss. Passend zur neuen Kampagne bringt Personalvorstand Martin Seiler noch ein besonderes neues Goodie für alle Umworbenen: „Die DB gestattet nun – wo möglich – bis zu 30 Arbeitstage pro Jahr mobiles Arbeiten im europäischen Ausland“, heißt es einer Pressemitteilung. Wir sehen und hören uns am Pool. 

Einen erfolgreichen Start in die Woche und bleiben Sie gut drauf! 

ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.