Julia Jäkel zur Facebook-Debatte: „Cambridge Analytica hat Wissen über die Nutzer waffenfähig gemacht“

G+J-Chefin Julia Jäkel zählt zu den profiliertesten Facebook-Kritikern. Früh mahnte sie die gesellschaftliche Verantwortung der Tech-Konzerne an. Zu den aktuellen Debatte um Cambridge Analytica hat die Verlagsmanagerin eine klare Meinung: Die PR-Profis hätten das Wissen von Facebook um seine Nutzer "waffenfähig gemacht". Würde ein Medienhaus derart agieren, so Jäkel, wäre es "zu Recht erledigt".
Cambridge Analytica-Chef Alexander Nix (li.), Facebook-Multimilliardär Mark Zuckerberg, G+J-CEO Julia Jäkel,: "Wir als Verlag wären erledigt"

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In Angesicht der aktuellen Entwicklungen der Vorgänge um Cambridge Analytica, Facebook und dem Trump-Wahlkampf: Müssen wir Sorgen um die Meinungsmacht von Facebook machen?

JULIA JÄKEL: Ja. Plattformen wie Facebook erreichen nicht nur viel, viel mehr Menschen als irgendein Medium vor ihnen. Sie wissen auch viel mehr über ihre Nutzer. Cambridge Analytica hat dieses Wissen offenbar waffenfähig gemacht. Es hat den nun vorliegenden Recherchen zufolge erkannt, dass sich damit 50 Millionen Menschen manipulieren lassen, fast ein Viertel der amerikanischen Wahlberechtigten. So können hinter den Kulissen Gesellschaften in den Abgrund gestürzt werden.

Was ist Ihre Einschätzung, kann man mit den Daten und Techniken, wie sie Cambridge Analytica verwendete, ganze Wahlkämpfe manipulieren? Und wäre so etwas auch hierzulande möglich?

Schon dass es denkbar ist, muss uns alle beunruhigen.

Wäre ein solches Verhalten, wie es Facebook an den Tag legt, auch bei einem europäischen Medienunternehmen denkbar?

Machen wir doch mal ein kleines Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, der stern hätte „versehentlich“ die Adressen und persönlichen Vorlieben von Millionen Lesern an eine Werbeagentur gegeben. Die hätte dann – um im Bild zu bleiben: in stern-Umschlägen – Briefe verschickt, um die Wähler einer bestimmten Partei zu mobilisieren und andere von der Wahl fernzuhalten.

Wir als Verlag wären erledigt, glaube ich, und das zu Recht.

Sie haben bereits Mitte letzten Jahres angemahnt, dass unsere Gesellschaft eine grundsätzliche Antwort auf die Frage finden müssen, wie sie die freiheitlich-demokratische Ordnung auch in den sozialen Netzwerken durchsetzt. Sehen Sie mittlerweile eine mögliche Antwort?

Das Ganze ist ein dynamischer Prozess: Ursprünglich haben viele gehofft, soziale Netzwerke würden die Welt offener und demokratischer machen – und zum Teil stimmt das ja auch. Aber nach Brexit, Trump, den zunehmenden russischen Einflussnahmen und der neuen Rechten kommt jetzt eben der große Kater. Zurzeit tagen überall die Untersuchungskommissionen, es wird neue Gesetze geben und sicher auch bald neue Angebote. Ich für meinen Teil bin zuversichtlich, dass wir auch diese Krise bewältigen können.

Wie sollten die deutschen Medien und die Werbewirtschaft mit dem Fall Cambridge Analytica umgehen?

Deutsche Medien sollten darüber berichten. Das ist doch hier noch einmal klar geworden: Es geht um die Manipulation ganzer Länder, die erst gespalten und dann individuell desinformiert werden. Das Einzige, was dagegen hilft, ist guter Journalismus. Ein Journalismus, der sich auf die oft harte Suche nach der Wahrheit macht, anstatt einfach jeweils passende Lügen zu erzählen. Ich persönlich freue mich sehr, wenn Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, diesen Journalismus zu unterstützen.