Ioana Sträter zur Neocom: „Zwar kommunizieren Unternehmen Innovationen, erleben kann man sie aber erst auf der Messe“

Die Neocom, das Branchentreffen des digitalen Handels und deren Dienstleiste, behauptet sich in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld. Eine deutliche Verjüngung sowie die engere Verzahnung von Messe und Kongress sind Teil der Entwicklungsstrategie, erklärt Ioana Sträter, die Geschäftsführerin des Veranstalters Management Forum.

Frau Stäter, die Neocom hat vier schwierige Jahre hinter sich, nach der Aufgabe das Standorts Wiesbaden für den Versandhandelskongress. Hat sie den Turnaround geschafft?

Ioana Sträter: Gerade die E-Commerce-Branche ist im Vergleich zu anderen Branchen viel dynamischer. Es ist nicht selbstverständlich, in diesem Umfeld eine stabile und wertvolle Plattform für unsere Aussteller zu bieten und gleichzeitig attraktiv zu sein für Neue. Das haben wir aber geschafft, trotz intensiven Wettbewerbs. Ich habe gerade heute mal ausgerechnet, dass auf 10 ECommerce-Unternehmen eine Veranstaltung kommt. Das ist schon der Wahnsinn.

Könnten Sie etwas konkreter werden im Hinblick auf Aussteller und Besucher?

Es ist uns gelungen, den Kongress hochwertig zu halten, ohne dabei das Messekonzept aufzugeben. Was wir bisher nicht geschafft haben ist, mehr Synergien und Verbindungen zwischen den verschiedenen Veranstaltungen für die Branche zu schaffen. Das muss ich ehrlich zugeben. Die NEOCOM Ausstellung und Gala sind ausgebucht und dieses Jahr haben wir eine unglaublich hochwertige Teilnehmerstruktur. Da sind nicht nur die Top-Player dabei, sondern auch ganz viele „New Kids on the Block“ aus dem Bereich Pure Play und aus der Dienstleistung.

Der Kongress hat viel Lorbeeren gesammelt, kannibalisiert das die Messe? Was kann man tun, um die Aussteller zufrieden zu stellen?

Das Thema ist uns bewusst. Deshalb haben wir eine große Integration von Messe und Kongress dieses Jahr durchgeführt. Ganz praktisch: Die Bühnenprogramme gehen ineinander über. Die Essenspausen für die Kongressteilnehmer finden in den Messehallen statt. Die Party abends ist natürlich für alle Teilnehmer offen. Ein Teil des Kongressprogramms ist auch für Messebesucher zugänglich. Die Integration zwischen Kongress und Messe ist viel größer und ich hoffe, dass das den Austausch zwischen Besucher und Austeller anregt und die Stimmung hebt.

Dann wird es aber schwierig, den Kongress wertvoll zu halten.

Das ist uns gelungen. Der Großteil des Kongresses und die Gala sind natürlich exklusiv und auch bei der Mittagspause sind die Kongressteilnehmer unter sich, wenn sie wollen.  

Gibt es noch den reinen Messestand ohne Speaker-Slot?

Die NEOCOM passt nicht in das Standard Muster der anderen Kongresse. Es gibt viele Marktplayer, die sprechen wollen ohne einen Stand zu haben und es gibt sehr viele, die nur einen Stand haben wollen ohne Speaker-Slot. Das ist auch besonders im E-Commerce. Ganz klar aber gibt es eine Tendenz zum kleinen Stand. Man will überall dabei sein und dafür eben mit kleinerer Fläche.

Wie wichtig ist das Thema Innovation für einen Veranstalter? Was muss man als Tools seinen Ausstellern zur Verfügung stellen?

Es ist essenziell. Aber es muss gut durchdacht und gut gemacht werden. Eine einfache Matchmaking-Plattform, versteckt in irgendeiner App, hilft doch niemand. Aber dennoch ist das für die Besucher und Aussteller das wichtigste Thema: Sie möchten mit den richtigen Leuten vernetzt werden. Matchmaking muss gut kuratiert und vor und auch auf der Veranstaltung kommuniziert werden.

Ein anderes Thema sind zum Beispiel Liveschaltungen oder Präsentationen in Virtual Reality. Das hat vor allem auch innovativen Unterhaltungswert und ist daher ebenso wichtig. Wir wollen mit Technologie begeistern und neue faszinierende Erlebnisse anbieten. Die Menschen wollen überrascht werden. Aber es kommt eben darauf an, dass man das gut umsetzt.

Kein Aussteller spart sich Neuheiten für diese Messe auf. Kommuniziert wird kontinuierlich über das Jahr.

 Alle Aussteller erklären dass sie Innovationen haben. Und es stimmt auf der Wahrnehmungsebene. Zwar kommunizieren die Unternehmen Innovationen laufend im Jahr, aber erleben kann der Interessent das eben erst auf der Messe. Das ist doch ganz anders, als wenn man ein Video im Web sieht. Und natürlich geht im täglichen Kommunikationsstrom viel unter. Wenn man über die Messe schlendert gibt es viel zu entdecken und viel wird in der Tiefe verstanden erst durch das Erlebnis auf der Messe.

Gerade die Digitalbranche hat sehr viele Kongresse und Konferenzen. Ist der Markt gesättigt oder wächst der Wissensbedarf weiter und somit auch der Konferenzbedarf?

Der Wissensbedarf steigt weiter. Die Welt dreht sich unheimlich schnell. Unser USP mit der NEOCOM ist, dass wir unabhängig sind und die Innovation spannend kuratieren. Wir sind eine Vertrauensinstanz. Das ist ein Einzelunternehmen, das ein Event macht, nicht ohne weiteres. Aber natürlich herrscht große Unruhe bei den Teilnehmern und Austellern. Sie wissen nicht, welche Veranstaltung ihnen am meisten bringt. Das ist sehr intransparent.

Unternehmen wie Adobe oder Salesforce machen eigene erfolgreiche Veranstaltungen.

Ja, und ich würde das genau so machen, wenn ich Salesforce wäre, denn eine live Veranstaltung ist ein fantastisches Kundenbindungstool. Aber Salesforce z.B ist auch auf der NEOCOM dabei. Und das ist auch richtig. Im Umfeld dieser Tools ist natürlich ganz viel Wissensbedarf, aber es braucht auch die neutrale Instanz. Es gibt ja auch andere Beispiele: Shoptalk hat trotz sehr hohe Budgets die Ziele nicht erreicht und zieht sich aus Europa wieder zurück. E-Tailment hat es nicht geschafft. Die CoReach gibt auf. Auch die Neocom ist noch nicht da, wo wir sie sehen wollen, aber wir sind auf dem Weg dahin. Wir haben natürlich mit den beiden Trägerverbänden und den Medien aus der Verlagsgruppe Handelsblatt eine tolle Ausstrahlung im Markt.

Seit Second Life diskutieren wir über die virtuelle Messe. Passiert ist sehr wenig. Ist die Idee gescheitert?

Ich halte nichts von virtueller Messe, zumindest nicht beim aktuellen Stand der Technologie. Virtual Reality könnte das ändern, aber im Moment ist es einfach unattraktiv. Das ist doch kein wirkliches Erlebnis. Kurzfristig hat das aber keine Chance.

Braucht eine Großveranstaltung heute lokale Satelliten/Roadshows, um ihren Stellenwert zu sichern?

Ja und Nein. Der Standort eines Kongresses ist nicht wichtig, wenn der Kongress gut genug ist. Messen sind da schon viel regionaler. Wichtiger ist für uns aber das Bedürfnis, die Community über das Jahr zu pflegen. Das muss aber keine Roadshow sein. Das können Dinner sein, Fireside-Chats oder auch einfach Content auf der Website und im Newsletter. Man muss schon präsent bleiben.

Was ist der am Häufigsten geäußerte Wunsch von Ausstellern und Teilnehmern, der an Sie herangetragen wird.

Die richtigen Leute und die Qualität der Gespräche ist das allerwichtigste Thema, auch für die Messe. Allein durch Masse wird eine Veranstaltung nicht attraktiv. Und wiederum: Überraschung und Innovation sind wichtig, die Menschen wollen unterhalten werden und sich wohl fühlen.

Was würden Sie sich für die Neocom wünschen?

Eine phantastische Stimmung. Ich möchte, dass alle Menschen am Donnerstag glücklich nachhause gehen.