Frau Professor Salmen, wer muss dabei sein in den sozialen Netzen?
SONJA SALMEN: Alle Unternehmen. Immer mehr Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner sind im Internet. Jeder sollte hier Kreativität und Intelligenz seiner Stakeholder nutzen. Wer sich früh beteiligt, hat einzigartige Wettbewerbsvorteile.
Gilt das denn auch für Unternehmen mit gewerblichen Kunden?
SALMEN: Für Business-to-Business-Anbieter lohnt sich das Engagement sogar besonders, da es bei professionellen Kaufentscheidungen oft noch stärker auf Reputation und Empfehlung ankommt als bei privaten. Durch einen Corporate Web-Log, also ein Internet-Tagebuch mit guten Inhalten und glaubwürdigem Dialog, kann sich ein Unternehmen beim Fachpublikum als Innovationsführer positionieren. B-to-B-Anbieter müssen sich auch präsentieren, um junge Talente aus der Generation der Digital Natives zu gewinnen, die mit dem Internet aufwachsen.
Verlagert sich durch Netzwerke die Marktmacht tatsächlich auf die Nachfrager?
SALMEN: Ja. Marketer sollten das nutzen. Sie müssen es schaffen, dass die Kunden selbst Produkte und Dienstleitungen emotionalisieren. Am einfachsten und billigsten ist es, die Kunden zu ermächtigen, über soziale Netzwerke am Wertschöpfungsprozess teilzuhaben. Also eigene Produkte oder Varianten zu entwerfen, Ideen einzubringen, Urteile abzugeben. Der Mitmach-Kunde ist Echtzeit-Ideengeber via Facebook, Kritiker und Meinungsbildner via Blog, PR-Manager via Youtube und Twitter.
Können Unternehmen sparen, indem sie klassische Werbung durch Präsenz im Netz ersetzen?
SALMEN: Zwar schichten viele Unternehmen Marketingaktivitäten um, zunächst ist das aber teuer. Der nötige Aufbau eines Social-Media-Teams bindet erhebliche Ressourcen. Nur wenn es gelingt, Interessenten, Konsumenten, Lieferanten und die Öffentlichkeit zu motivieren, kann das Einsparungen bringen – etwa bei Produkttests und Personalsuche, in der Marktforschung, für Imagewerbung und Kundenbindung.
Viele fürchten die Kritik im Netz – zu Recht?
SALMEN: Konstruktive Kritik sollte man eher als kostenlose Unternehmensberatung sehen. Das Urteil der Abnehmer, seien das Verbraucher oder Geschäftskunden, ist Gradmesser für wirtschaftlichen Erfolg. Schwierig wird es bei Verleumdung oder gezielten Negativkampagnen. Aber die können auch stattfinden, wenn man nicht aktiv teilnimmt in sozialen Netzwerken. Da ist es schon besser, man wappnet sich – und schafft es im Idealfall, den Spieß umzudrehen. Wenn Kritik auf Twitter oder Facebook etwa von den eigenen Fans entkräftet wird, steigert das die Reputation ungemein.