Gutachten stuft Werbeverbot für Lebensmittel als verfassungswidrig ein

Klatsche für das Bundesernährungsministerium: Der geplante Werbeverbot von Lebensmitteln, die viel Zucker, Salz oder Fett beinhalten, soll laut einem Rechtsgutachten verfassungs- und europarechtswidrig sein.
„Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder gesünder aufwachsen können“, sagt Bundesernährungsminister Cem Özdemir zum Werbeverbot. (© BMEL)

Im Streit um das geplante Werbeverbot von Kinderlebensmittel haben der Lebensmittelverband und der Werbeverband ZAW auf juristischen Beistand gesetzt. Am Mittwoch ist das Rechtsgutachten des Münchener Rechtsprofessors Martin Burgi erschienen. Das Ergebnis: Die Pläne des Bundesernährungsministeriums (BMEL) um Cem Özdemir (Grüne), Werbung für Kinderlebensmittel einzuschränken, seien „deutlich verfassungs- und europarechtswidrig.“

So legt das Gutachten dar, dass der Referentenentwurf des BMEL evident unzureichend sei, um die Eingriffe zu rechtfertigen: „Statt einer evidenzbasierten Gefahrenprognose handelt es sich hier um eine reine Gefahrenvermutung ‚ins Blaue hinein‘“, resümiert Burgi. Außerdem, so stellt das Gutachten fest, herrsche noch Unklarheit darüber, welche Aussagen erlaubt seien und welche nicht.

Werbeverbot: Ungesunde Lebensmittel sollen von Werbeflächen verschwinden

Der Entwurf des BMEL sieht vor, Rundfunkwerbung für Kinderlebensmittel mit einem hohen Fett-, Salz- und Zuckergehalt im Radio, TV und Presse, aber auch im Netz stark einzuschränken. Dass eine Werbung an Kinder gerichtet ist, ließe sich laut Ministerium etwa an Kindern als Darstellern und Produkten mit Farben und Kindermotiven festmachen. Im Fernsehen sind mit der langen Zeitspanne von 6 bis 23 Uhr auch Familienfilme oder Fußballspiele im Abendprogramm eingeschlossen. Vom Verbot umfasst sein sollen Spots für Salziges und Fettiges in der Halbzeit dann auch, wenn sie nicht mit Kinderoptik gestaltet sind.

Kommen soll das Verbot außerdem auch für Außenwerbung auf Plakaten in einer „Bannmeile“ von 100 Metern um Schulen, Kitas, Spielplätze und Freizeiteinrichtungen für Kinder – und für Sponsoring, das sich etwa bei Veranstaltungen an Kinder richtet. Özdemir betonte, es gehe nicht um ein generelles Reklameverbot. Auch für Chips und Schokolade dürfe weiter geworben werden, nur eben nicht gezielt an Kinder.

Werbeverbot-Entwurf steht in der Abstimmung

Diese Einschränkungen hält Burgi für überzogen: „Die massiven Eingriffe in die Kommunikations-und Wirtschaftsfreiheit sind nur dann verhältnismäßig, wenn keine milderen, gleich oder besser geeigneten Mittel zur Verfügung stehen, um Übergewicht bei Kindern zu verhindern.“ Es lägen aber andere Maßnahmen auf der Hand, um die vielfältigen und wissenschaftlich belegten Ursachen für Übergewicht anzugehen, die ohne massive Eingriffe in Grundrechte Dritter auskämen.

Als Beispiele nennt der Rechtswissenschaftler Kitas und Schulen, wo der Staat das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Kinder mitgestalten könne. „Erst wenn der Staat die Möglichkeiten innerhalb der eigenen Aktionsräume ausgeschöpft hat und feststellt, dass weiterer Handlungsbedarf besteht, darf er in die Freiheiten Dritter eingreifen. Der Gesetzentwurf blendet außerdem die Schutz-und Förderfunktion der Eltern komplett aus.“

Die Einschränkung der Reklame von ungesunden Kinder-Lebensmitteln wird in der Ampel-Koalition aktuell diskutiert. SPD, FDP und Grüne hatten Werbebeschränkungen grundsätzlich im Koalitionsvertrag vereinbart. Derzeit ist der Entwurf in der Abstimmung zwischen den Bundesministerien.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.