Food Waste: Wie die KI von SPRK Reste rettet

Rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen allein in Deutschland pro Jahr im Müll. Eine Verschwendung, die Alexander Piutti nicht länger hinnehmen will: Der Gründer des Tech-Start-ups SPRK setzt auf Künstliche Intelligenz, um noch genießbare Ware umzuverteilen.
Rettende Hände: Das Team von SPRK sorgt dafür, dass überschüssige Lebensmittel nicht im Müll landen. (© SPRK)

Von Jens Gräber

Während er auf der Krebsstation der Berliner Charité liegt, hat Alexander Piutti viel Zeit zum Nachdenken. Ein Termin für den Beginn der Chemotherapie ist bereits vereinbart – doch dann, nach zwei langen Wochen, stellt sich die Diagnose als falsch heraus. In Wahrheit leidet Piutti an einer gut behandelbaren Autoimmunerkrankung namens Sarkoidose. Gute sieben Jahre ist das her, heute geht es dem inzwischen 52-Jährigen gut. Trotzdem veränderte die Diagnose sein Leben.

Der Seriengründer, spezialisiert auf digitale Infrastruktur und Marktplätze, wendet sich fortan Themen zu, die ihn zuvor kaum interessierten, Umweltschutz und Nachhaltigkeit zum Beispiel. Bei seinen Recherchen stößt er auf das Thema Food Waste. Und was er dazu findet, erschreckt ihn: Denn einschlägige Studien besagen, dass weltweit pro Jahr rund 2,5 Milliarden Tonnen Lebensmittel entsorgt werden, was Schätzungen zufolge die unnötige Emission von zehn Prozent der weltweit ausgestoßenen Menge an Treibhausgasen bedeutet.

Alexander Piutti, Gründer des Start-ups SPRK. (Foto: SPRK)

Dem will der findige Machertyp etwas entgegensetzen: Abhilfe soll das im März 2020 gegründete Start-up SPRK bringen, das inzwischen 20 Mitarbeiter beschäftigt. Mit diesen entwickelt Piutti eine von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Umverteilungsplattform, die Akteure entlang der Lieferkette vernetzt. Die entscheidenden Fragen ließen sich mittels Algorithmen abbilden, erklärt der Gründer: Wo und wann fallen Überschüsse an? Wo und wann werden sie gebraucht, können also verkauft, gespendet oder weiterverarbeitet werden? Seine Vision: „Bald kann die KI vorausschauende Aussagen über Warenüberschuss und -mangel treffen.“

20 Tonnen Kartoffeln für Mallorca

Erste Erfolgsgeschichten kann der Gründer bereits erzählen, etwa diese: Kürzlich hat das Unternehmen den Transport von 20 Tonnen überschüssiger Kartoffeln von einem Bauern im nordrhein-westfälischen Greven auf die spanische Insel Mallorca organisiert. Abnehmer der Spende war die Organisation Hope, die wie die deutschen Tafeln Lebensmittel an Bedürftige verteilt.

Wie SPRK Geld verdient? Nicht jede Weitergabe erfolgt als Spende, vielmehr verkauft das Start-up einen Teil der kostenlos oder für einen symbolischen Preis von einem Euro abgenommenen Lebensmittel sofort zu einem günstigen Preis weiter. Auch die Weiterverarbeitung, etwa von Tomaten zu Ketchup, ist eine Option. Die bei Partnerunternehmen hergestellten Produkte verkauft SPRK zu marktüblichen Preisen an Partner oder in eigenen Läden – das erste „Deli by SPRK“ eröffnete Ende Mai in Berlin. Die Gebühr, die Partner für die Nutzung der Umverteilungsplattform zahlen, stellt die dritte Erlössäule dar.

Rund 30 Partner aus der gesamten Lebensmittelbranche, die Überschüsse melden oder Lebensmittel abnehmen, hat Piutti nach eigenen Angaben bereits gewonnen. Auch ein großer Lebensmitteleinzelhändler ist darunter, mit dem er allerdings Stillschweigen vereinbart hat – den Namen darf Piutti derzeit nicht nennen. Der Berliner Großhändler Hamberger dagegen macht kein Geheimnis aus der Zusammenarbeit mit SPRK und lobt sie als „unkompliziert und verlässlich“.

Profifußballer Mario Götze investiert

Marktleiter Michael Schneider sieht einen wesentlichen Vorteil darin, dass sich sein Unternehmen nicht länger selbst um die Umverteilung überschüssiger Lebensmittel kümmern muss. Zudem hofft er, Entsorgungskosten einzusparen. Ein potenzieller weiterer Gewinn: Durch die Kooperation können Händler demonstrieren, dass sie soziale und ökologische Verantwortung übernehmen. Das dient der Imagepflege, denn laut einer Umfrage des IFAK Instituts für Markt- und Sozialforschung legen Einkäufer auf diese Eigenschaften heute deutlich mehr Wert als noch vor fünf Jahren.

Exklusiv hat SPRK sein Geschäftsmodell nicht, das inzwischen auch in Deutschland aktive schwedische Start-up Motatos verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Frank Horst, Experte für das Thema Food Waste beim EHI Retail Institute, hält die Konzepte aus Sicht des Handels durchaus für interessant (siehe Interview). Allerdings unternähme die Branche bereits einiges, um das Problem einzudämmen. Welches Potenzial Unternehmen wie SPRK und Motatos in der Praxis böten, um Lebensmittelverschwendung weiter zu reduzieren, müsse sich daher erst zeigen.

Schwierigkeiten, Investoren zu überzeugen, hat Piutti jedenfalls nicht. In der Seed-Runde im vergangenen Jahr sammelte er einen siebenstelligen Betrag ein, unter anderem von prominenten Impact-Investoren wie dem Fußballer Mario Götze und dem Schauspieler Fahri Yardim. Die nächste Finanzierungsrunde läuft bereits, das Ziel: 20 Millionen Euro. In fünf oder sechs Jahren schon, hofft Piutti, könnte SPRK als Umverteilungsplattform etabliert sein. Der Gründer, der selbst zwei Kinder hat, schwärmt: „Es wäre doch wunderbar, wenn wir das Food-Waste-Problem nicht unseren Nachkommen vererbten.“

Der Artikel erschien zuerst im handelsjournal, das ebenfalls in der Handelsblatt Media Group produziert wird.