Feindliche Übernahme  

Metaverse und NFT sind zwei Begriffe, die (noch) nicht einmal der Duden kennt. Sollten Marken frühzeitig auf den Zug aufspringen? Zumindest nicht Hals über Kopf, findet der Verfasser unseres Meinungsbeitrages.
Thomas Riedel ist freier Journalist und Host des "Metaverse Podcast". (© Simon Veith (Montage: Olaf Heß))

Achtung vor allzu aggressivem ­Metaverse-Marketing! Denn: Das Metaverse gibt es nicht. Zumindest, wenn man nicht glaubt, dass das Metaverse das Internet ist. Plattformen wie Decentraland und The Sandbox sind weit davon entfernt, im Metaverse zu sein. Sie sind vor allem im Internet. Aber was ist dann das Metaverse? Ein Netzwerk aus Virtual-Reality-Experiences, in denen Nutzer sprichwörtlich von Experience zu Experience gehen können. Meta, HTC und Co arbeiten da schon dran. Noch geht das aber nicht.

Und trotzdem lesen wir solche Schlagzeilen: „Nike joins the Metaverse on ­Decentraland”. Der Grund dafür ist zweifach: Die Kollegen aus den Tech-Redaktionen wiederholen Narrative der Marketingabteilungen. Nicht professionell und schon gar nicht journalistisch. Und: Die Krypto-Szene ist ziemlich gut darin, Narrative zu kapern. Das haben sie bereits mit dem Web3-Begriff gemacht. Jetzt erleben wir eine feindliche Übernahme im Metaverse.

NFTs sind unfassbare Umweltschweinerei

Wie tun sie das? Mit Fomo (Fear of missing out): der Angst, etwas zu verpassen. Die scheint bei den Brand-Abteilungen besonders groß zu sein. Wenn Coca-Cola oder Adidas das machen, dann müssen Pepsi und Nike hinterherziehen. Ist doch klar. Dabei gibt es mehr als ein Argument, tunlichst die Finger von Pseudo-Metaverse-Krypto-Kram zu lassen. Zumindest, wenn man sich nicht den Nachhaltigkeitsbericht versauen will. Als Yuga Labs ihr „Otherside NFT“-Projekt launchte, wurden innerhalb von vier Tagen mit 128.392 Transaktionen ­etwa 18.000 Tonnen CO2 durch den Energieverbrauch generiert. Anders ausgedrückt: 10.600 Flüge von New York nach London. Kurz: NFTs sind eine unfassbare Umweltschweinerei.

Ja, es gibt auch Blockchains, die mittlerweile weniger Energie verbrauchen. Für die inte­ressiert sich aber niemand. Und die Brandmanager? Schauen weg. Gerne auch bei der Anzahl an Hacks von Krypto-Börsen, bei unlauteren Methoden durch Schneeball-Systeme, Geldwäscherei, Steuerhinterziehung und schlicht Betrug. Dass große Krypto-Investoren wie Andreessen Horowitz sogar antidemokratische Züge annehmen und neoliberale, antidemokratische „Kapitol-Stürmer“ wie Trump unterstützen, setzt dem Krypto-Marketing noch die Krone auf. Dabei gibt es im immersiven Meta­verse der Zukunft so viele gute Gründe, sich zu engagieren: In der Mitarbeiterfortbildung, dem Teambuilding, Remote-Workshops und kollaborativer Produktentwicklung in Design und Architektur und vielem mehr. Nicht selten ersetzt das dann Reisen und spart Unmengen an CO2. Damit lässt sich dann auch nachhaltig Marketing machen.


Dieser Meinungsbeitrag ist Teil unserer Rubrik „Pro und Kontra“. Denn es gibt immer zwei Seiten der Medaille: die Pro-Seite hat Irena Nikic-Cemas in ihrem Beitrag beleuchtet.

(tr, Jahrgang 1981) ist freier Journalist aus Köln. Als Kind der 90er wuchs er mit Ace of Base, Hero Quest und Game Boy auf und bastelte früh Webseiten für andere, nahm Podcasts auf und sagte das Smartphone-Zeitalter voraus, während er über WAP auf dem Accompli 007 E-Mails verschickte. Heute berichtet der Vater einer Teenager-Tochter über Tech- und New-Work-Trends in Text und Ton. Aktuelle Podcasts: "Future Future" und "Der Metaverse Podcast".