Eine viertel Milliarde Kund*innen für Apple 

250 Millionen Menschen brauchen (echt jetzt?) ein neues iPhone. IT sorgt für mehr Emissionen. Die Dmexco hat grüne Themen. Und Herr Modi serviert Hirse. 
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Das iPhone hat 2007 seinen Siegeszug angetreten. Mittlerweile werden neue Modelle laut Hersteller Apple auch mit Rücksicht auf die Umwelt entwickelt. (© 9TO5MAC)

„Apple macht sein wichtigstes Produkt heller, schneller und günstiger“, schreibt das Handelsblatt. Was? Das iPhone15 wird günstiger als die Vorgängermodelle? Was ist denn da passiert? Der Grund ist schnöde: Im Schnitt behalte die Apple-Kundschaft ihre iPhones mittlerweile 36 Monate, sagt ein Analyst. Ein anderer spricht sogar von 250 Millionen iPhone-Nutzer*innen, die in den vergangenen vier Jahren nicht auf ein neueres Modell umgestiegen sind. Diese will Apple nun offenbar mit einem niedrigeren Einstiegspreis locken.  

 
Da kann man nur sehr dankbar sein, dass iPhone 15 und iPhone 15 Plus laut Apple „mit Rücksicht auf die Umwelt entwickelt“ wurden. Verwendetes Kobalt, Kupfer, Seltene Erden sowie Gold und Zinn sei (in bestimmten Bauteilen) zu 100 Prozent recycelt, über 99 Prozent der Verpackung bestehe aus Fasern statt aus Kunststoff. Außerdem verwende Apple in neuen Produkten samt Zubehör kein Leder mehr, sondern ein aus zu 68 Prozent durch Post-Consumer-Recycling gewonnenes Textil, das deutlich weniger CO₂ emittiere. 

Geht Apples Rechnung auf, sind bald eine viertel Milliarde ältere iPhone-Modelle übrig. Aber, ach, der Second-Hand-Markt für digitale Geräte ist schwierig, wie schon meine Kollegin Christine Mattauch im Interview mit Tim Seewöster vom Refurbisher Asgoodasnew zeigte. Laut einer aktuellen Umfrage der Verbraucherzentralen hat nur knapp ein Fünftel der Deutschen jemals ein gebrauchtes Digitalgerät gekauft. Für 63 Prozent kommt ein Gebrauchtkauf zurzeit (eher) nicht in Frage. Und so werden also wahrscheinlich mit dem neuen iPhone 15 unendlich viele funktionierende Vorgängermodelle für immer in irgendwelchen Schubladen verschwinden. Hier wäre doch mal eine wirksame Kampagne für Reuse und Recycling angesagt! 

Mehr Geräte, mehr Funktionen = mehr CO₂ 

Die Menschheit hat noch nie so viele Rohmaterialien verbraucht wie gerade jetzt. Dabei spielen die digitalen Endgeräte eine große Rolle, heißt es im unbedingt lesenswerten ZEIT-Artikel „Ist Surfen schmutziger als Fliegen“. Der Artikel beschäftigt sich mit den Klimafolgen unseres digitalen Verhaltens. Wäre die IT-Branche ein Land, schreibt Autorin Petra Pinzler, stünde es auf Platz sechs der Liste der CO₂-Emittenten. „Zwischen zwei und drei Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes werden dem IT-Sektor zugerechnet, und er wächst rasant.“  

 
Streamen, zoomen, mailen und – neu und energieintensiv: – ChatGPT-Anfragen tragen dazu ebenso bei, wie internetfähige Heizungen, ferngesteuerte Rollläden oder smarte Häuser. „Allein in der EU werde durch Cookies, die auf Handys geschickt werden, so viel CO₂ produziert wie durch 950.000 Menschen“, wird Friederike Rohde vom Öko-Institut zitiert. 

Dmexco mit grünen Themen 

Und damit sind wir beim Digital-Event der Stunde: Nächste Woche findet die Dmexco in Köln statt. 40.000 Fachbesucher*innen werden erwartet. Und natürlich wird auch dort das Thema Nachhaltigkeit nicht fehlen. So ist unter anderem eine BVDW-Masterclass zum Thema „Wie lässt sich der Ressourcenverbrauch der digitalen Werbung reduzieren?” angekündigt. Außerdem soll es in verschiedenen Formaten auf der Agency Stage darum gehen, wie Werbung grüner werden kann. Mal sehen, ob die Digitalprofis effiziente Lösungen ersonnen haben.  

Was sie dabei keineswegs tun sollten, ist … Greenwishing! Diese bemerkenswerte Wortschöpfung im großen grünen Begriffsspektrum findet sich diese Woche im Newsletter ESG.Table. Beim Greenwishing geht’s darum, dass Unternehmen nicht mit Absicht Nachhaltigkeit vortäuschen, sondern weil sie, verkürzt gesagt, keine Ahnung haben.  

 
„Ursache hierfür ist häufig eine fehlende Verzahnung zwischen Nachhaltigkeits- und Kommunikationsabteilungen“, schreibt CSR-Berater Thomas Sommereisen von Scholz & Friends Reputation in seinem Gastbeitrag EU Green Claims Directive: Mit transparenter Kommunikation gegen Greenwashing. So oder so: Dummheit schützt vor Strafe nicht – wenn die Green Claims Directive in Kraft tritt, werden Greenwashing und -wishing nicht nur Vertrauen und Image, sondern auch Bußgeld kosten.  

Und zum Schluss … Hirsepudding! 

Noch schnell eine Meldung über eine sehr außergewöhnliche Werbung für vegetarische Ernährung und klimafreundliche Landwirtschaft:  Beim Abschlussdinner des G 20-Gipfels in Neu-Delhi ließ Indiens Premier Narendra Modi ein fleischloses Gericht auftischen. Mit dabei: Kolbenhirse-Chips mit Joghurtbällchen und Kardamom-Hirsepudding zum Dessert. 

Hirse ist eine der ältesten Getreidesorten der Welt; sie ist glutenfrei, wächst doppelt so schnell wie Weizen und braucht nur 30 Prozent so viel Wasser wie Reis. Auch in Deutschland wird angesichts von Hitze und Trockenheit verstärkt über den Hirseanbau nachgedacht. Produktentwickler*innen und Marketingprofis in der hiesigen Lebensmittelindustrie sollten vielleicht nochmal einen Blick auf Modis Speisefolge werfen.  

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“