„Die Talente wollen emotional angesprochen werden“ 

Stefan Gessulat, Inhaber und CEO des Münchner Beratungsunternehmens Gessulat + Gessulat, spricht im Interview über die Dos und Don’ts des Employer Branding auf sozialen Plattformen.
Stefan Gessulat: "Soweit es sich gerade noch vertreten lässt, ist Duzen die bessere Wahl." (© Gessulat+Gessulat)

Herr Gessulat, Ihre Agentur beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren intensiv mit Arbeitgeber-Marketing. Haben Kampagnen in den sozialen Medien seitdem an Bedeutung gewonnen? 

Ganz klar. Wir gehen davon aus, dass nur noch 15 bis 20 Prozent der potenziellen Nachwuchskräfte aktiv auf der Suche nach einem Job sind. Weitere 30 bis 50 Prozent sind aber offen für Angebote. Diese Gruppe kann man nicht über Jobportale erreichen. Also sind soziale Medien eine gute Möglichkeit zur Kontaktaufnahme.  

Welche Plattformen empfehlen Sie besonders? 

LinkedIn bietet ein sehr gutes Targeting, lässt sich das aber auch gut bezahlen. Auch Xing kann interessant sein, aber mit Abstrichen, da es weniger Interaktionsmöglichkeiten bietet und kaum international orientiert ist. Darüber hinaus Facebook, Instagram und TikTok, die weniger Business-orientiert sind, dafür aber hohe Reichweiten bieten. 

Sollte man punktuelle Kampagnen fahren oder eher für ein kontinuierliches Grundrauschen sorgen? 

Ich empfehle ein „Always on“, weil man ansonsten schnell vom Algorithmus abgestraft wird. Man sollte auf keinen Fall zwischenzeitlich komplett abtauchen. 

Was sollte inhaltlich Schwerpunkt einer Kampagne sein? 

Die Talente wollen vor allem emotional angesprochen werden. Arbeitgeber sollten inhaltliche Relevanz kommunizieren. Viele Unternehmen beschränken sich immer noch darauf, mehr oder weniger nur die Stellenanzeige zu platzieren. Das reicht nicht. Auch nicht der Hinweis auf Faktoren wie Flexibilität, Homeoffice oder Dienstwagen, das sind längst Hygienefaktoren. Häufig werden auch zu viele Informationen vermittelt.  

Sollte man eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kampagnen zeigen? 

Wenn es mit vertretbarem Aufwand möglich ist, auf jeden Fall. Bei allgemeineren Employer-Branding-Kampagnen ist darauf zu achten, dass wirklich alle Bereiche des Job-Spektrums abgebildet sind und keine Asymmetrien entstehen. Auch die Arbeit mit Corporate-Influencer*innen kann interessant sein. Diese müssen aber Follower*innen mindestens im fünfstelligen Bereich haben, sonst lohnt es sich nicht. 

Wenn jemand auf die Werbung klickt, wie sollte es dann weitergehen? 

Die dann folgende Landingpage darf nicht völlig anders aussehen. Wenn es hier einen Bruch gibt, springen die meisten Interessenten sofort ab. Auch sollte man die Schwelle für einen weiteren Kontakt oder eine Bewerbung möglichst niedrig ansetzen. Es ist zum Beispiel heute nicht mehr sinnvoll, Motivationsschreiben zu verlangen. 

Sollte man in der Ansprache duzen oder siezen? 

Das kommt natürlich auf den jeweiligen Job an. Soweit es sich aber gerade noch vertreten lässt, ist Duzen die bessere Wahl. 

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.