Im Zeitalter der Bucket-Listen gibt es auch ein Buch mit dem Titel „100 Autos, die man fahren muss, bevor man stirbt“. Die erste der 100 Seiten widmet sich tatsächlich dem Bobby-Car mit folgenden „technischen Daten“:
- Motor: 2-Bein-Strampelmotor
- Hubraum: 0,8 Babyflasche
- Leistung: ausreichend
- Vmax: Eltern + 2 km/h
Der Text preist die erzieherische und identitätsstiftende Funktion dieses überaus bekannten Kinderspielzeugs und gipfelt in der Behauptung „Wer kein Bobby-Car kriegt, ist völlig unsozialisierbar“. Ob man so weit gehen muss, sei dahingestellt, aber dieses „Rutschauto“ – so die Erklärung des Dudens – hat seit einem halben Jahrhundert Generationen kleiner Kinder in ihr mobiles Leben begleitet.
Bobby-Car wird zum Synonym
Erstmals vorgestellt wurde das Bobby-Car 1972 auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Die Hersteller der Firma BIG mussten nicht weit anreisen, entstand das Spielzeug doch im benachbarten Fürth. Trotzdem konnte sich das Gefährt zunächst nicht gegen das klassische Dreirad durchsetzen. Der große Erfolg begann über den Umweg USA, wo das Spielzeugauto auf Anhieb bei Händlern und Konsumenten punktete. Der amerikanische Höhenflug überzeugte schließlich auch den deutschen Handel. So begann ab Mitte der 70er-Jahre ein stetiger Aufstieg. Heute werden im fränkischen Burghaslach, wo die Produktion nach einem Brand 1998 hinzog, täglich circa 2000 Stück produziert.
Die Tatsache, dass dieser Markenname mittlerweile im Duden steht (in der Schreibweise „Bobbycar“ mit den möglichen Artikeln das oder der) zeigt, dass dieser Name zum Synonym für Kinder-Rutschfahrzeuge geworden ist. Der Hersteller BIG hat damit nur noch eine sehr begrenzte markenrechtliche Kontrolle über den Namen. BIG gehört seit 2004 zur Simba Dickie Group und hat auch tatsächlich erst 1996 den Namen „Bobby-Car“ als Marke angemeldet. Der heutige Besitzer legt Wert darauf, dass Händlern und Kunden vom „BIG-Bobby-Car“ sprechen, was aber kaum jemand tut.
Woher kommt der Name Bobby-Car?
Woher kommt der Name nun? Zunächst einmal hat er nichts mit den ebenfalls „Bobby” genannten uniformierten britischen Polizisten zu tun. Dem Vernehmen nach stammt der Name von dem 2003 verstorbenen BIG-Unternehmensgründer und Bobby-Car-Erfinder Ernst Albert Bettag selbst. Der verbrachte nach seinem Ingenieursstudium in den 50er-Jahren einige Zeit in den USA und sprach gut Englisch. Daher wusste er, dass „to bob“ im Englischen „hin- und herwippen“ heißt und der Begriff Bob nicht nur als männlicher Vorname (Kurzform von Robert), sondern auch als Wintersportgerät international bekannt ist. Die Verniedlichungsform „Bobby“ passte somit hervorragend für ein Kinderspielzeug, zumal Bettag 1972 davon ausging, eher kleine Jungs und deren Eltern mit dem Namen anzusprechen. Inzwischen ist das Geschlechterverhältnis in der Nutzung des Rutschautos ziemlich ausgeglichen.
Bis heute wurden über 20 Millionen Bobby-Cars produziert. Damit ist das Gefährt kurz davor, den Verkaufsrekord des VW-Käfers zu brechen, und sowieso das mit Abstand meistverkaufte Rutsch- und Spielzeugauto der Welt. Genau wie der Käfer ist auch das Bobby-Car längst Kult geworden. Es gibt Bobby-Car-Videospiele, ein Bobby-Car-Musical und sogar Bobby-Car-Rennen für Erwachsene. Der Geschwindigkeitsrekord wurde 2012 von Marcel Paul, Mitglied des Bobby-Car-Clubs Altenhain, mit sagenhaften 115 Stundenkilometern aufgestellt.
Bobby-Car bekommt LED-Scheinwerfer
Seit Produktionsstart gab es nur vier leichte Designmodifikationen am Basismodell. Seit 2017 gehören LED-Scheinwerfer und eine elektronische Hupe dazu. Das klassische Modell von 1972 ist weiterhin erhältlich. Auch der Preis machte das Bobby-Car zu einem echten Volksauto: 1972 kostete es 29 D-Mark, heute circa 35 Euro.
Seit 2005 gibt es zusätzlich eine „New-Bobby-Car-Reihe“, in der neben dem roten Standardmodell auch vielfältige andere Designs zu haben sind, so auch an bestimmte Automodelle angelehnte Formen: von Polizeiautos über ADAC-Fahrzeuge bis hin zum Porsche 911, der übrigens auch zu den 100 Autos zählt, die man im Leben einmal gefahren haben muss.
Dieser Artikel erschien zuerst in der April-Printausgabe der absatzwirtschaft.