Die Geschichte hinter dem Markennamen Aspirin 

Aspirin hat es als Gattungsbegriff schon vor langer Zeit in den Duden geschafft – sogar doppelt, definiert als „ein Schmerz- und Fiebermittel“ sowie als die entsprechende „Pille des Medikaments Aspirin“ von Bayer. Doch woher kommt die Marke eigentlich?
Das wohl bekannteste Medikament der Welt trug maßgeblich zum Erfolg des Bayer-Konzerns bei. (© Aspirin (Montage: Olaf Heß))

Zu den bekanntesten Marken der Welt zählt Aspirin. Gleichzeitig war es auch einer der ersten Kunstnamen für Marken. Die Herkunft ist schnell erklärt: Der Name bezeichnet ein Produkt, das aus reiner Acetylsalicylsäure (ASS = C9H8O4) besteht. Diese hatte 1897 der Pharmakologe Felix Hoffman für Bayer entwickelt, ursprünglich für die Behandlung von Rheuma. Schnell stellte man fest, dass ASS nicht nur gegen Schmerzen bei Rheuma wirkt, sondern bei fast allen anderen Schmerzen auch.  

Da Acetylsalicylsäure für Laien damals wie heute nicht gerade geschmeidig klingt, hat man eine attraktivere Handelsbezeichnung ersonnen: „A“ für Acetyl „spir“ in Anlehnung an die Spirsäure, die mit Salicylsäure chemisch identisch ist und „in“ als gebräuchliche Endung der chemischen Namensgebung dieser Zeit. Ab dem Jahr 1900 gab es Aspirin in Tablettenform und seit 1904 mit dem eingestanzten Bayer-Kreuz.  

Wirkungsweise erst 1971 entschlüsselt 

Aspirin avancierte schnell zum bekanntesten Medikament der Welt und trug maßgeblich zum Wachstum des Bayer-Konzerns bei. Dabei konnte man die Wirkung des Arzneimittels anfangs gar nicht erklären. Das gelang erst 1971 dem britischen Mediziner John Vane, der wissenschaftlich darlegte, wie Acetylsalicylsäure im Körper eines Menschen funktioniert. 

Doch während in Deutschland nur das Original von Bayer den Namen tragen darf, steht in den USA und Großbritannien auf nahezu jedem Acetylsalicylsäure-Präparat „Aspirin“. Grund: Das Markenzeichen war in vielen Fällen jahrelang in fremden Händen. 
 
Bayer verlor erstmals seine Marken- und Patentrechte mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg: Die US-Behörde „Alien Property Custodian“ hatte 1917 die Bayer-Vertretung in den USA beschlagnahmt. Zwei Jahre später ersteigerte das Pharmaunternehmen Sterling Products für 5,3 Millionen US-Dollar das US-Geschäft des Leverkusener Konzerns. Bayer verlor damit die Rechte an allen Warenzeichen, darunter Aspirin, und sogar seinen eigenen Namen und sein Markenzeichen, das Bayer-Kreuz.

Verlorenen Markennamen in den USA zurückgekauft

Um weiterhin Arzneimittel in den USA vertreiben zu können, gründete Bayer in der Folge die Tochtergesellschaften Chemagro, Rhinechem und die Mobay. Erst 1992 firmierte Bayer in den USA unter dem einheitlichen Namen Miles. Zwei Jahre später kauften die Leverkusener die nordamerikanische OTC-Sparte von Sterling Winthrop und damit den alten Namen und die Warenzeichen zurück. 
 
Da Bayer die Versteigerung nie angefochten hat, konnte sich der Name „Aspirin“ als Synonym für Acetylsalicylsäure-Präparate durchsetzen. Um das Original von der Konkurrenz abzugrenzen, steht auf den Packungen des Leverkusener Konzerns nun „Genuine Bayer Aspirin“. 
 
In Großbritannien, Russland und Frankreich war die Entwicklung ähnlich, denn hier wurden die Markenrechte an Aspirin nach dem Ersten Weltkrieg von den Alliierten beschlagnahmt. In Frankreich hat Bayer vor einigen Jahren die Marke „Aspirin-du Rhone“ von Rhone Poulenc gekauft, um wieder auf dem Markt eine namentliche Alleinstellung zu haben. 

Bayer kauft größten Wettbewerber Alka-Selzer 1978 

Eines der größten Wettbewerber der Marke Aspirin war Alka-Selzer. Es war der gleiche Inhaltsstoff, den das amerikanische Unternehmen Miles Laboratories 1931 auf den Markt brachte. Dessen Name setzt sich nach einem ähnlichen Muster zusammen: „Alka“ für „alkaline“ (= engl. „alkalisch“) und „Seltzer“ (= am. „Selterswasser“), weil die Tabletten sich im Wasser sprudelnd auflösen. 1978 erwarb Bayer aber diese Firma, sodass seit über 40 Jahren beide Marken aus einem Haus stammen. 

Die WHO führt ASS seit ungefähr der gleichen Zeit als unentbehrliches Arzneimittel. Es ist immer noch der am häufigsten genutzte Wirkstoff überhaupt. Er wirkt unter anderem schmerzstillend, entzündungshemmend, blutverdünnend und fiebersenkend.

Aspirin als Brauseprodukt mit Himbeergeschmack 

Aktuell bietet Bayer unter dem Namen Aspirin regional unterschiedlich gestaltete Darreichungsformen und Varianten an. In Spanien zum Beispiel werden Brauseprodukte mit Himbeergeschmack vertrieben, während in Italien Aspirin erfolgreich in Zäpfchenform angeboten wird. In Argentinien wird die Nachfrage mit Pulverprodukten bedient, während in den USA Produkte mit glänzenden Pillenüberzügen angeboten werden. In Deutschland gibt es diverse leichte Markendehnungen, unter anderem mit „Aspirin complex“ und „Aspirin effect“. 

Die Wahrnehmung der Marke in unterschiedlichen Ländern divergiert stark: So wird Aspirin in Italien eher als Erkältungsmittel wahrgenommen, in den USA als Pille gegen Kopfschmerzen und zur Infarktvorsorge. In Lateinamerika liegt der Schwerpunkt auch bei der Behandlung von Kopfschmerzen – allerdings mit dem belebenden Kombipräparat Cafiaspirina. 

Als Generikum wird es inzwischen von vielen Herstellern vertrieben, meist mit dem Bestandteil „ASS“ im Namen. Dennoch hört man häufiger in Apotheken: „Ich hätte gerne Aspirin, aber von Ratiopharm“ oder ähnliche Sprüche. Bei einer derart zum Gattungsbegriff gewordenen Marke lässt sich das nicht verhindern, zahlt aber letztendlich doch auf die Marke ein. Mit der macht Bayer derzeit immer noch einen relativ konstanten Jahresumsatz von circa einer Milliarde Euro.

Dr. Bernd M. Samland ist Gründungsgeschäftsführer von Endmark und verantwortet damit seit 25 Jahren die Entwicklung von mehr als 1800 Markennamen. Er ist Fachbuchautor und Lehrbeauftragter am Management Center Innsbruck (MCI), an der TU Graz und an der Universität zu Köln. Im Juli 2020 erschien sein neues Buch "Naming für erfolgreiche Marken".