Die BWL wird grün, Musk sucht Törichte und nur die Kohle zählt

Nachhaltigkeit wird zum Top-Thema der Betriebswirtschaftslehre. Beschäftigte denken über Kündigung nach, wobei sie Unternehmenswerte wenig interessieren. Und, echt wahr, Elon Musk sucht törichte Nachfolge.
Nachhaltigkeit gilt als Zukunftsthema der Betriebswirtschaftslehre. (© Unsplash/Kiki Wang)

Potzblitz! Es gibt gute Nachrichten über die Betriebswirtschaftslehre! Also über ebenjene Disziplin, deren Ruf – natürlich fälschlicherweise – häufig zwischen theorie-kosten-effizienz- und optimierungsgetrieben changiert.

Die Wirtschaftswoche veröffentlichte Anfang der Woche ihr Ranking der forschungsstärksten Betriebswirte. Headline: „Die neue grüne Betriebswirtschaft“. Kernthese: Es gibt einen „gravierenden Wandel des Fachs BWL“ hin zu Themen wie unternehmerische Nachhaltigkeit. Auf Nummer eins der Rangliste: Patrick Velte. Der BWL-Professor an der Leuphana Universität Lüneburg beschäftigt sich mit Nachhaltigkeitsberichten, Greenwashing und der betrieblichen Nachhaltigkeit als strategische und operative Führungsaufgabe.

Dazu fein passend sagt die stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (VHB) Jutta Geldermann im WiWo-Interview: Die BWL habe immer noch ein Image-Problem. Sei aber gegenwartsbezogener und menschennäher als früher. Und: „Die Zukunftsthemen der BWL heißen Nachhaltigkeit und Resilienzforschung.“ Das ist zweifellos eine frohe Botschaft.

Ein Drittel ist fast weg

Nachhaltigkeit umfasst ja immer auch die soziale Komponente, und da gibt es weniger frohe Botschaften, was die Zufriedenheit von Angestellten betrifft. Schon klar, wir alle kennen die Wahnsinnszahlen aus den Gallup-Studien, laut denen unfassbar viele Menschen ihren Arbeitgebern innerlich gekündigt haben. Denselben Tenor hat eine aktuelle Agenturmeldung von McKinsey. Knapp ein Drittel der deutschen Beschäftigten denke über Kündigung nach, so die dramatische Nachricht.

Die Gründe? Zu wenig Geld, aber auch die üblichen Verdächtigen, also: miese Vorgesetzte, mangelnde Flexibilität, sowas. Julian Kirchherr, Partner bei McKinsey, wird zitiert mit den Worten: „Wer sich jetzt nicht darum bemüht, seine Arbeitnehmenden zu halten, den wird die Rezession besonders einschneidend treffen.“ Und er hat ein sehr patent klingendes Angestellten-Halte-Rezept: „Fairer Lohn, faire Chefs und nette Teams.“ Ups. Da gibt’s in manchen Unternehmen wahrscheinlich einiges zu tun.

Da fällt einem doch gleich Elon Musk ein – zweifellos ein Arbeitgeber der besonderen Art. Er schrieb Dienstag in seiner Eigenschaft als Twitter-Chef: „I will resign as CEO as soon as I find someone foolish enough to take the job!“ Wer immer auf ihn folgt, ist also töricht. Ob solche Aussagen zu nachhaltigen Beschäftigungsverhältnissen führen, darf bezweifelt werden.

Sicherheit und Geld schlagen Werte und Verantwortung

Von Arbeitnehmer*innen und deren Einstellung zur Nachhaltigkeit handelt ein Whitepaper von Ipsos und der Bertelsmann Stiftung. Demzufolge erlebt nur rund die Hälfte der befragten Beschäftigten, dass Nachhaltigkeit in ihren Unternehmen wichtig ist und nur 31 Prozent, dass Klimaschutz wichtig ist. Im Ranking der Aspekte, die in puncto Arbeit und Arbeitgeber zählen, liegen Jobsicherheit und Gehalt vor Unternehmenswerten und der Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft. Tja, da fragt man sich, ob die Diskussion über Purpose & Co. vielleicht doch nur akademischer Natur ist. Allerdings, so mutmaßen die Studienautor*innen, könnte es auch sein, „dass Unternehmen ihre bestehende Nachhaltigkeitsstrategie schlicht zu schlecht intern kommunizieren“.

Erfinden oder verzichten?

Womit wir, kleiner Schlenker, beim Kommunizieren wären und somit bei Lesetipps für eine Woche, die in keinem Kalender steht: „die Zeit zwischen den Jahren“. Falls Sie Muße haben: Das Manager Magazin, man höre und staune, bringt ab sofort eine Nachhaltigkeitskolumne mit dem schönen Titel „Teil der Lösung“. Autorin ist Vaude-Chefin Antje von Dewitz.

 Und dann gibt’s noch das lesenswerte „Zeit“-Interview „Wie retten wir die Welt?“ mit dem Kabarettisten Vince Ebert (der, die Älteren unter Ihnen erinnern sich, viele Jahre Kolumnist der absatzwirtschaft war) und dem Schauspieler Hannes Jaenicke. Der eine hofft auf Technologie und Erfindergeist, der andere plädiert für Sparen und Verzicht. Beide haben gute Argumente.

So, liebe Leserin, lieber Leser, das war die letzte Nachhaltigkeitskolumne in diesem Jahr. Ihnen schöne, friedliche und fröhliche Weihnachten und einen guten Start in ein glückliches 2023.

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“