Der heilige Zweck und seine Mittel

Wachstum und finanzieller Erfolg dürfen kein Selbstzweck mehr sein, wenn die grüne Transformation gelingen soll. Unternehmen statt Unterlassen – denn Zukunft wird gemacht.
Jule und Lukas Bosch sind partner in life, crime & business – und kurzum als Business-Aktivist*innen tätig. (© Abbi Wensyel, Montage: Olaf Heß)

So uneinig sich die „grüne Bubble“ in vielen Dingen zu sein scheint, in einer Sache sind sich alle einig: Es geht um „weniger“. Weniger Konsum. Weniger Wachstum. Weniger schnell Auto fahren. Weniger Fleisch. Weniger Silvesterböller. Weniger von allem. Das macht Sinn, schließlich sind wir in all diesen Dingen zu weit gegangen. Unsere Lebensgrundlagen stehen auf dem Spiel. Ein Kurswechsel ist überfällig!

Und jetzt kommt das Aber … Aber ist das wirklich zielführend? Aber schaffen wir in diesem Modus die grüne Transformation? Aber ist „weniger“ ein gutes Mittel für den avisierten Zweck?

Wenn ökosoziale Vorzeigeunternehmen schnelles Wachstum ablehnen, wie erfahren sie dann die nötige Marktdurchdringung? Wenn Risikokapital per se schlecht ist, wie finanzieren wir dann hochriskante, aber ökologisch massiv notwendige Umbau-Experimente unserer Wirtschaft? Wenn Geldverdienen moralisch verwerflich oder mindestens mal für einzelne visionäre Öko-Pionier*innen überflüssig erscheint, wie ermöglichen wir vielen einen Berufs- und Lebensweg, der nicht nur als erleuchtete*r Asket*in erstrebenswert erscheint?

Zweck und Mittel wieder richtigzustellen

Die grüne Bubble – nicht alle ihre Vertreter*innen, aber zu viele – lehnt nicht nur die Zwecke kapitalistischer Konzerne und exponentiell wachsender Tech-Start-ups ab, also Wachstum und finanziellen Erfolg, sondern auch ihre Mittel – und stellt sich damit selbst ein Bein. Auch das „Mittel“, das Schwerpunktthema dieses Heftes ist, das Neuromarketing, fällt in diese Kategorie. Ein Werkzeug, das unter anderem dabei hilft, Werbung wirksamer zu machen, sprich Konsum anzuheizen, kann nicht sinnvoll sein. Oder doch?

Die uralte Frage hinter alledem: Heiligt der Zweck die Mittel? Und wenn ja, welcher Zweck heiligt eigentlich welche Mittel? Wenn wir die grüne Transformation schaffen wollen, und zwar schnell und umfassend, geht es vor allem um eines: die Umkehrung von Zweck und Mittel wieder richtigzustellen – Wachstum und finanzieller Erfolg dürfen kein Selbstzweck mehr sein. Doch wir müssen ihnen erlauben, als Mittel zu fungieren. Als Werkzeuge für eine Transformation, mit der wir für uns alle eine lebenswerte Zukunft schaffen.

Mehr Wachstum und Erfolg für die Transformation von Wirtschaft

Wir brauchen Risikokapital für nachhaltige Pionierunternehmen. Wir brauchen exponentielles Wachstum für grüne Technologien. Wir brauchen Arbeitsplätze, die Gutes bewirken und dabei finanziell lukrativ sind. Und ja, höchstwahrscheinlich brauchen wir auch schlaues Neuromarketing, um innovative Lösungen bekannt zu machen und zu verbreiten.

„Weniger“ ist also eine gute Lösung, allerdings mit einer kleinen, alles verändernden Anpassung: Weniger Wachstum und finanziellen Erfolg als Selbstzweck. Dafür aber mehr Wachstum und finanziellen Erfolg als Mittel für die Erreichung des heute einzig erstrebenswerten Zwecks: die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und damit die Erhaltung und Regeneration unserer Lebensgrundlagen.

Jule und Lukas Bosch beraten Unternehmen zu den Themen Transformation und Nachhaltigkeit. Ihr gemeinsames Motto lautet: "Unternehmen statt Unterlassen – denn Zukunft wird gemacht."