Als Folge von Corona: ein Rap-Song als Dauerwerbevideo

Der Kulturbetrieb muss in der Krise kreative Wege gehen. Berliner Rapper haben ihr Video als Werbefläche verkauft. Ein ungewöhnlicher, aber erfolgreicher Marketingkanal.
Rap
Das Berliner Rap-Duo "Zugezogen Maskulin" hat 16.000 Euro in 3:37 Minuten verdient, indem es sein Video als Werbefläche vermarktet hat. (© "Zugezogen Maskulin"/Facebook)

Musiker haben es schon lange schwer. Erst Raubkopien, dann Streamingdienste. Da will schon kaum einer mehr für Musik anständiges Geld zahlen und dann kommt noch Corona und alle Konzerte müssen abgesagt werden. Das ist besonders für weniger bekannte Musiker existenzbedrohend, denn sie verdienen mit Auftritten und dem damit verbundenen Verkauf von CDs und Merchandising ihren Lebensunterhalt. Während bekannte Künstler wie Heino oder Max Giesinger entschieden haben, eine Autokino-Tour zu starten, haben zwei Berliner Rapper wortwörtlich keinen Bock auf hupende Autos und winkende Scheibenwischer. Sie wollen Geld statt Klatschen.

„Zugezogen Maskulin“ bietet Musikvideo als Werbefläche an

Das Hip-Hop-Duo „Zugezogen Maskulin“ hat sein Musikvideo „Der Erfolg“ als Werbefläche für Jedermann angeboten. Es werde das erste Video, das kein Product Placement enthält, sondern Product Placement ist, so die Rapper bei ihrer Ankündigung auf Twitter. Auf ihrer Internetseite war detailliert beschrieben, wie jede Firma aber auch jede Privatperson einen Weg in das Musikvideo finden kann. Wer nur seinen Namen im Instagram-Handle sehen wollte musste zwei Euro zahlen. Bilder, Logos oder Videoausschnitte kosteten zehn Euro für fünf Sekunden Sichtbarkeit. Wer zwei Sekunden lang auf dem gesamten Bildschirm sichtbar sein wollte musste 200 Euro überweisen.

Innerhalb kürzester Zeit war das Video „ausgebucht“. Dementsprechend heißt es zu Beginn des Videos: „Wie man 16.000 Euro in 3:37 Minuten verdient.“ Und sogleich erscheint das erste große Logo, der Schriftzug des Sportstreaming-Dienstes Dazn, der auch auf den Pappschildern prangt, die die Rapper hochhalten. Hinzu kommt ein bezahlter Instagram-Post. Kostenpunkt für Dazn: 3000 Euro. Zusätzlich trugen grim104 und Testo, so die Namen der Rapper, in dem Video beispielsweise T-Shirts des Modelabels Opór Streetwar. Sie schwenken Zahnbürsten von Hydrophil durch den Mund und die Gegend, zeigen Filter von Purize oder Wasserflaschen von Soul Bottles.

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Unterschiedliches Feedback bei den Fans

Bei den Fans stieß das Dauerwerbevideo auf sehr unterschiedliches Feedback. Das Duo ist bekannt für seine ironischen, bissigen Texte, die Gangsta-Rap-Klischees und Zeitgeist-Themen überspitzt darstellen. Sie geizen zudem nicht mit Kapitalismus-Kritik. Klare Werbebotschaften im Influencer-Stil passen da nicht. Ganz ungeniert zeigen „Zugezogen Maskulin“ mit „Der Erfolg“ aber ihre neusten Kooperationspartner und legen dabei auch noch offen, wie viel Geld so eine Platzierung in einem Video bringt. Wenn das Beispiel Schule macht, werden Konzerte in der Zukunft vielleicht zu Dauerwerbesendungen, so Kritiker. Wie „Zugezogen Maskulin“ selbst im Song rappen: „Der Erfolg gibt mir Recht, ich mach alles richtig.“

Die Rapper inszenieren sich als Dieter Bohlen, Frauenverachter und Narzissten in dem Song. Die Erklärung für dieses Verhalten sei immer „Der Erfolg gibt mir recht.“ Damit ist die kommerzielle Aktion sehr wohl wieder Kritik an aktuellen Zuständen. Der Erfolg der verkauften Werbeplätze und die 16.000 Euro geben ihnen ebenfalls Recht. Sie pflegen somit ihr Image und ihren Kontostand. Das ist besonders zu Corona-Zeiten beeindruckend. Und scheinbar gibt der bisherige Erfolg der Single auch den Werbetreibenden Recht. Sie profitieren von den Platzierungen und fürchten kein negatives Image. Ganz in dem Sinne: Schlechte Werbung ist irgendwie immer auch gute Werbung – jedenfalls solange die Verbreitung stimmt.

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