Gemischtes Doppel: Isabel Gabor und Lisa Eppel (Ad Girls Club)

Mit dem Ad Girls Club haben Isabel Gabor und Lisa Eppel viel Staub in der Werbe­branche aufgewirbelt. Das erfordert viel Kraft, die sie auch aus ihrer Freundschaft ziehen. Ein Gespräch über Mut zur Veränderung, Sexismus in Agenturen und die Bedeutung von Werten.
Sicheres Terrain: Isabel Gabor (links) und Lisa Eppel bewegen sich schon seit mehreren Jahren in der Werbebranche – bei Gabor sind es 13 Jahre, bei Eppel sieben. (© Gene Glover)

Liebe auf den ersten Blick sei es gewesen, als sich Isabel Gabor und Lisa Eppel das erste Mal trafen. Kein Wunder, denn sie verbindet mehr als nur das Agenturgeschäft: Sie haben eine klare Haltung, reden Klartext und scheuen keine Konfrontation.  

Es ist ein grauer, kalter Sonntagmorgen, als wir uns im Berliner Buchstabenmuseum am Bahnhof Bellevue treffen. Trotz der Januar-Tristesse sind Gabor und Eppel bester Laune. Uns umgeben alte Gebäudebeschriftungen, mannshohe Buchstaben und Schriften mit Leuchtröhren, die wegen des Siegeszugs der LEDs aussortiert wurden. Der perfekte Ort, um über veraltete Denkmuster in der Werbebranche zu sprechen.  

Frau Eppel, Frau Gabor, wir befinden uns in einem Refugium für ausrangierte Logos und Markenschriften – ein Kontrast zu den Ads und Kampagnen auf Social Media. Würde etwas mehr Entschleunigung der Werbebranche guttun? 

Lisa Eppel: Jein. Es gibt Punkte wie Arbeitszeit oder Druck, bei denen Entschleunigung guttäte. Etwas mehr Beschleunigung im Sinne von Wandel würde der Branche aber auch guttun. 

Isabel Gabor: Ich möchte ergänzen: Werbung lebt davon, schnell zu sein und auf Trends zu reagieren. Mit den Trends aus der Gesellschaft zu gehen. Hier wäre Entschleunigung also eher unpassend. Besonders wenn man bedenkt, dass der Wertewandel in der Gesellschaft, den die Gen Z mitbringt, noch nicht überall angekommen ist.

Isabel Gabor, Freelance-CD, Texterin / Konzepterin: „Ich merke definitiv, dass manche
Agenturen Angst haben, sich die Sexismus-Polizei reinzuholen.“ ©Gene Glover

Sie verbindet eine jahrelange Freundschaft, Sie haben sich bei Scholz & Friends kennengelernt. Welche Eigenschaft bewundern Sie bei der anderen am meisten? 

Eppel: Bei Isabel bewundere ich, dass sie sehr konsequent ist. Sie ist komplett fair und klar in dem, was sie denkt, sie hat einen krassen Wertekompass und steht auf bei Ungerechtigkeiten. 

Gabor: Lisa ist mein großes Vorbild, wenn es darum geht, Grenzen zu setzen. Ich kann das sehr schlecht. Und sie kümmert sich sehr um andere Menschen und setzt sich für andere ein.  


Isabel Gabor und Lisa Eppel sind beide als Freelancerinnen tätig. Gabor erarbeitet als CD und Texterin Konzepte für Agenturen, Eppel steht als Account-Managerin beratend ihren Kund*innen zur Seite. Das ermöglicht ihnen, nebenher weitere Projekte zu verfolgen. So studiert Eppel New Work an der IU Internationalen Hochschule, Gabor spricht u. a. als Speakerin zum Thema Diversity, Equity and Inclusion (DE&I).


Gibt es Punkte, bei denen Sie verschiedener Meinung sind? 

Eppel: Auberginen. 

Gabor: Stimmt. Wir können uns bei Kleinigkeiten herrlich streiten. Aber bei wichtigen Fragen sind wir meistens einer Meinung. Wir haben ein sehr ähnliches Wertesystem und achten aufeinander. Das finde ich schön. 

Eppel: Außerdem können wir uns absolut aufeinander verlassen. Das ist die krasseste Basis, die man haben kann.   

Ist es leichter oder schwerer, die Agenturen nach­haltiger und fairer zu gestalten, wenn man nicht fest angestellt ist? 

Eppel: Es hat eher Vorteile. Du lernst mehrere Agenturen kennen und kannst entsprechend mehr bewegen. 

Gabor: Außerdem sind wir unabhängig und können machen, was wir wollen. 

Führt es auch dazu, dass manche Agenturen nicht mit Ihnen arbeiten wollen? 

Gabor: Die gibt es sicher. Ich merke definitiv, dass manche Agenturen etwas Angst haben, sich die Sexismus-Polizei reinzuholen. Aber ich trenne den Ad Girls Club klar von meinem Freelance-Beruf. Dann schreibe ich Film- und Werbekonzepte und laufe nicht durch die Flure und suche nach Sexismus-Fällen. 

Eppel: Ich hoffe nicht. Denn wir trennen natürlich unsere Arbeit zwischen dem Ad Girls Club, der sich gegen strukturellen Sexismus einsetzt, und unserer Freelance-Tätigkeit, bei mir Account-Management. Ich werde ja gebucht, um Projekte umzusetzen. Natürlich spreche ich Dinge innerhalb des Projekts an, die mir auffallen, wie traditionelle Rollenbilder. Aber das ist ja auch Teil meines Jobs als Beraterin. 

Wie viel Zeit können Sie als Freelancerinnen in den Ad Girls Club investieren? 

Eppel: Wir investieren ein paar Stunden in der Woche – mal mehr, mal weniger. Wir teilen uns die Aufgaben auf und achten auf unsere mentale Gesundheit. Wenn Isabel mal mehr zu tun hat, dann übernehme ich die anfallende Arbeit und umgekehrt. Wir schauen, dass niemand von uns überlastet ist, da ich auch schon ein Burn-out hatte und Isabel auch oft am Limit ist.

Gabor: Wir haben uns auch schon einen Monat vom Ad Girls Club freigenommen. Es nervt mich ungemein, wenn Menschen zu uns kommen und sagen, dass wir noch viel mehr machen könnten. Wir haben uns diesen Job nicht wirklich bewusst ausgesucht und sind niemandem Rechenschaft schuldig. Wir haben es in der Hand, wie viel wir machen wollen. 

Eppel: Es ist auch frech, wenn man mit dieser Haltung die Arbeit auf uns abwälzen möchte, die eigentlich Agenturen machen sollten. Wir sind Mitarbeitende. Es ist nicht unsere Aufgabe, Strukturen zu verändern. Wir können das auch
gar nicht. 


Eine Werbebranche ohne Sexismus – das ist das erklärte Ziel des Ad Girls Club. Am 20. Oktober 2020 veröffentlichten Isabel Gabor und Lisa Eppel ein Manifest, in dem sie bessere Bedingungen in Agenturen fordern, wie eine Frauenquote von 50 Prozent, Lohngleichheit, eine genderneutrale Sprache sowie die Vereinbarkeit von Kind und Karriere. Über 30 Agenturen haben das Manifest seitdem unterschrieben.


Seit 2020 setzen Sie sich mit dem Ad Girls Club für eine nachhaltigere und fairere Agenturbranche ein. Was sind dabei die größten Hindernisse? 

Eppel: Es gibt zu wenig Diversität auf C-Level und in der Geschäftsführung. Die GWA Diversity Studie zeigt, dass 60 Prozent aller Mitarbeiter*innen weiblich sind, in der Geschäftsführung sind es nur 18 Prozent. Da knallen Frauen an die gläserne Decke. Wir sehen immer wieder, dass fünf alte weiße Männer eine Agentur gründen und in der Geschäftsführung sitzen. Dann ändert sich aber nichts an der Struktur. 

Gabor: Ich habe eine andere Antwort. Leute müssen für den Wandel Schmerzen ertragen. Echter Wandel tut weh und ist nicht bequem. Wenn du eine Geschäftsführung diverser machen willst, dann müssen vielleicht auch mal Köpfe rollen. Wir würden auch auf ein Engagement verzichten, wenn stattdessen Personen aus anderen oder mehrfach marginalisierten Gruppen genommen werden würden. An diesem Punkt sind aber die meisten nicht.  

Lisa Eppel, Freelance-Account-Managerin: „Man muss sich überlegen, wofür
man stehen will. Bist du Teil der Lösung oder des Problems?“ ©Gene Glover

Ist es nicht viel verlangt von jemandem, freiwillig auf Karrierechancen zu verzichten? 

Eppel: Ich kann es menschlich verstehen, wenn Menschen nicht zurücktreten wollen. Ich finde es aber nicht richtig. Man muss sich aber überlegen, wofür man stehen will. Braucht es einen sechsten weißen alten Mann in einem Board oder bedarf es stattdessen zum Beispiel einer schwarzen Frau? Die Frage ist: Bist du Teil der Lösung oder des Problems? 

Gabor: Wenn ich Anfragen als DE&I-Speakerin bekomme, entscheide ich anhand des Panels, ob ich zusage. Wenn dort zu wenige Perspektiven vertreten sind, dann nehme ich nicht teil. Hier verzichte ich bewusst auf Geld. Aber ich setze mich nicht mit vier anderen weißen Hetero-Cis-Frauen in ein Panel und rede über Diversität. 

Wie lässt sich mehr Diversität in Agenturen herstellen? 

Gabor: Wir reden sehr viel und tauschen uns mit Agenturen aus und beraten sie. So können wir Impulse setzen. 

Eppel: Wir stecken den Finger in die Wunde, wollen aber niemanden an den Pranger stellen. Am Ende des Tages sind wir alle rassistisch und sexistisch sozialisiert. Die wenigsten agieren bewusst so. Wenn sie auf etwas hingewiesen werden, dann sind sie auch dankbar. Wir sagen selbst, dass wir immer wieder etwas Neues dazulernen. Eine Fehlerkultur, die lösungs- und nicht problemorientiert handelt, hilft. 

Warum hat die Kommunikationsbranche ein Sexismus-Problem? 

Gabor: Zum einen ist die Werbebranche ein Boys Club. Frauen hatten immer schlechtere Chancen. Dann sind die Arbeitszeiten extrem. Männer werden für langes Arbeiten gefeiert, Frauen können das nicht, weil sie zum Beispiel die Mehrheit der ­Care-Arbeit erledigen. Außerdem reproduzieren Agenturen ihr inneres Bild auch nach außen. Wenn wir sexistisch sind und sexistische Werbung machen, dann haben wir einen negativen Einfluss auf die Gesellschaft.

Eppel: Es gibt Hierarchien, auch wenn es den Anschein erweckt, dass es nicht so ist. Wenn aber Führungskräfte immer so tun, als wären alle cool miteinander, und keine professionelle Distanz wahren, dann verschwimmen die Grenzen sehr schnell. Gerade ein*e Junior*in hat vielleicht Angst, Grenzen zu ziehen. Hinzu kommt, dass man in der Werbebranche meist qua Position eine Führungsrolle bekommt, jedoch nicht geschult wird. Daher erkennen sie die Grenzen oft selbst nicht und sind sich der Tragweite und Signalwirkung ihrer Handlungen nicht bewusst. 

Findet Sexismus in namhaften Agenturen eher statt als in kleineren, weil Prestigedenken und Egos dort eher vorzufinden sind? 

Gabor: Das kann man so nicht sagen. Der Unterschied ist eher, dass in größeren Agenturen eine höhere Fluktuation herrscht und so Verursacher*innen mit ihrem Mindset weiterziehen. In kleineren Agenturen bleiben die dann eher. Was davon jetzt besser oder schlechter ist, kann ich nicht einschätzen.  

Eppel: Es gibt in Agenturen auch selten eine definierte Unternehmenskultur im Sinne von festgeschriebenen Werten oder Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit.  

Gabor: Es gibt aber trotzdem Agenturen, die mehr Werte vertreten als andere. 

Eppel: Weil die Messlatte sehr niedrig ist. Viele Agenturen setzen sich nicht hin und schreiben auf, welche Werte sie vertreten wollen und was ein absolutes No-Go darstellt. 

Innerhalb von Agenturen ist die Umsetzung Ihres Manifests vielleicht leichter als bei der Zusammenarbeit mit Marken. Budgets sind knapp und Briefings lassen oft wenig Raum für progressive Werbebotschaften … 

Eppel: Früher gab es mehr Listen von Kund*innen mit der Angabe, dass sie bei Shootings keine Schwarzen oder asiatischen Menschen haben wollen. Das wurde von den Agenturen geschluckt. Heute ist es nicht mehr so. 

Gabor: Man vergisst oft, dass Agenturen eine Beratungsfunktion haben. Wir sind dazu da, Kund*innen zu sagen, dass solche Briefings nach hinten losgehen. Vor allem, weil die Gesellschaft immer sensibler auf solche Themen reagiert. Auf der anderen Seite sind viele Unternehmen bereits offener und sensibler als viele Agenturen.   

Weil Marken Angst vor Shitstorms haben? 

Eppel: Ich würde es nicht Angst nennen, sondern das Bewusstsein ist gestiegen innerhalb der Gesellschaft. Dass Marken beim Thema Diversität oft unsicher sind, zeigt nur, dass bei ihnen ein Denkprozess stattfindet. Das ist ein guter Startpunkt, um weiterzugehen.


(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.