„China wird uns sogar beim Umweltschutz überholen“

Er kennt das Reich der Mitte wie wenige andere: Christian Zimmermann, Chef der Kölner Agentur Uniplan, arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten für chinesische Konzerne. Die in Deutschland verbreitete Skepsis gegenüber dem asiatischen Land teilt er nicht.
Erfolg, Sicherheit, Gesundheit: Die drei wichtigsten Werte der chinesischen Konsumenten. (© Wu Yi On / Unsplash)

Herr Zimmermann, Ihre Agentur ist seit über 25 Jahren auf dem chinesischen Markt präsent. Zurzeit blickt die Welt besorgt nach Hongkong und hofft, dass China nicht militärisch interveniert. Hinterlässt das Spuren im Geschäft?

CHRISTIAN ZIMMERMANN: Wir spüren keine Sorgen um militärisches Eingreifen, das wird von den westlichen Medien hochgespielt. Wenn aber der Flughafen blockiert wird, überlegen Unternehmen, ob sie in der Stadt einen Event platzieren. Ob das der Standort ist, den sie haben möchten. Insoweit ist das Geschäft in Hongkong konkret von den Protesten betroffen. Man kann nur wünschen, dass die Situation überwunden wird und sich beide Seiten an einen Tisch setzen und miteinander reden.

Was war der Anlass für Sie, als eine der ersten Agenturen nach China zu gehen?

1986 haben wir ein Büro in Hongkong eröffnet, das damals ein Brückenkopf für den chinesischen Markt war. Mein Vater …

… Hans Brühe, der Uniplan 1960 gründete …

… hatte das Potenzial früh erkannt. 1992 bin ich mit ihm zum ersten Mal nach Peking geflogen, das damals sehr fremd und fast verschlafen wirkte. Fahrräder und Mopeds auf den Straßen, aber kaum Autos. Es war ein ganz anders Land als heute, rückständig in jeder Hinsicht. Ich habe meinen Vater zweifelnd angeguckt: Sollen wir da wirklich hingehen? Aber er war überzeugt, und wir haben 1993 die Uniplan Peking eröffnet.

2008 folgte Uniplan Shanghai.

Das ist heute mit 130 Mitarbeitern unser größtes Office. Insgesamt haben wir in China 400 Leute und machen dort zwei Drittel unseres Geschäfts, Tendenz steigend. Wir sind mit Abstand die größte deutsche Agentur in China.

Christian Zimmermann ist Inhaber und CEO der Kölner Agentur Uniplan.

Wie sehen Sie China heute?

Als High-Performance-Land, das in vielen Bereichen schon weiter ist als die USA oder Europa. China überspringt viele Schritte. Gezahlt wird nicht mit Kreditkarte, sondern per App. Huawei ist Weltmarktführer bei 5G. Ich wage die Prophezeiung, dass die Chinesen selbst im Umweltschutz in 15 oder 20 Jahren weiter sein werden als der Westen, weil sie Maßnahmen radikal durchsetzen. Es wird über CO2-freie Städte nachgedacht, es gibt 400 Elektrofahrzeug-Marken, die von der Regierung unterstützt werden.

Wo liegt Ihr Schwerpunkt? Uniplan gilt als Spezialist für Messeauftritte.

Das ist richtig. Wir haben einst als Bühnenbauer angefangen, sind dann ins Messegeschäft eingestiegen und haben uns immer mehr in Richtung Agentur entwickelt. Heute sind wir Agentur für Brand Experience und denken weitgehend plattformunabhängig, auch wenn ungefähr die Hälfte unseres Geschäfts immer noch auf Messen stattfindet.

Was hat sich in Bezug auf das Messegeschehen in China am meisten verändert?

Die Budgets – und die Qualität. Als wir anfingen, waren die Messestände auf Entwicklungslandniveau und für uns schwer zu akzeptieren. Eine weiße Wand war nicht weiß, sondern schmutziggrau. Material wurde wiederverwendet, auch wenn es Mängel hatte. Das hat sich grundlegend geändert. Heute ist der Anspruch genauso hoch wie bei uns. Wir haben mit chinesischen Managern die gleichen Diskussionen um Details wie mit deutschen oder japanischen Konzernen. Da muss alles stimmen.

Bescheidene Anfänge also …

… aber heute launcht Porsche seine Fahrzeuge lieber in Shanghai als in Stuttgart. Es sind neue, große Messezentren entstanden. Gerade wächst wieder eins in Shenzhen, das die Dimension der Hannover Messe hat, Deutschlands größter Messe. Die Devise lautet „Größer, schneller, weiter“.

Was ist anders, wenn chinesische Unternehmen eine Messe bespielen?

Die chinesischen Konzerne glauben an die Zukunft und investieren stark ins Marketing, auch in den Messeauftritt. Man geht einfach mit mehr Wucht rein! Haier zum Beispiel, ein großer Hersteller von Haushaltsgeräten mit Sitz in Qingdao, belegt zur Berliner Funkausstellung eine ganze Messehalle, stellt noch ein Zelt davor und inszeniert mit großem Ehrgeiz eine komplette Erlebniswelt. Huawei mietet das Grand Palais in Paris…

… ein traditionsreiches, zur Weltausstellung von 1900 errichtetes Ausstellungsgebäude …

… um seine neuen Smartphones und Tablets zu präsentieren. Europa glaubt fast schon religiös an digitale Kommunikation und vergisst die Kraft, die Brand Experience entfalten kann.

Wer war Ihr erster Kunde?

Honda, die in China ein Joint Venture aufbauten. Insofern gehörten von Anfang an auch Chinesen zu unseren Auftraggebern. Wir sind nicht als die Deutschen aufgetreten, die in China Geschäft machen wollen. Es gibt bei uns keine Expat-Glorifizierung, wir beschäftigen ganz überwiegend chinesische Mitarbeiter. Die Kunden dürfen zwar spüren, dass ein Dienstleister einen deutschen oder europäischen Kern hat, dafür gibt es sogar eine Grundsympathie. Aber sie möchten gern chinesisch reden und schreiben und mit Chinesen zusammenarbeiten. Dass wir das von Anfang an berücksichtigt haben, half uns, chinesische Konzerne als Kunden zu gewinnen.

Für wen arbeiten Sie heute?

Unser größter Kunde ist der Autobauer Geely, der Volvo übernommen hat und an Daimler beteiligt ist. Im IT-Bereich zählen Huawei, Alibaba und Tencent dazu. Außerdem der Weltmarktführer für Küchengeräte, Haier. Diese Vernetzung mit chinesischen Kunden prägt inzwischen auch unser Deutschland-Geschäft.

In den vergangenen Jahren war viel über das deutsch-chinesische Verhältnis zu lesen. Welche Geschichte ist noch nicht erzählt worden?

Ich finde, dass über China fast immer sehr negativ gesprochen wird. Und ich kann das nicht recht begreifen. Es heißt oft, man könne den Chinesen nicht trauen, es wird vor Copyright-Diebstahl gewarnt. Aber man kann zu chinesischen Geschäftspartnern ein enges, fast freundschaftliches Vertrauensverhältnis aufbauen, wie das im Westen kaum mehr möglich ist. Bei uns wird in erster Linie effizient eingekauft. In China geht es stärker um Beziehungen.

Sofern die Leistung stimmt.

Man muss Leistung bringen, ja, aber dann wird das auch nicht gleich wieder vergessen. Und darüber wird eben selten gesprochen, dass man, wenn man die Erwartungen erfüllt oder übererfüllt, langjährige Geschäftsbeziehungen aufbauen kann, ähnlich wie in Japan.

Vor 25 Jahren waren deutsche Unternehmen, die sich nach China wagten, Pioniere. Heute ist der Markt gut besetzt. Sehen Sie noch Potenzial?

China hat ein Bruttoinlandsprodukt von 13 Billionen Dollar, das zu einem großen Teil in den Städten erwirtschaftet wird. Etwa vier Fünftel des Landes sind noch kaum entwickelt, das sind unerschlossene Märkte, dort besteht ein riesiger Nachholbedarf. Aus meiner Sicht ist das Potenzial deshalb geradezu unendlich. Die Begrenzung, die wir als Agentur spüren, ist hauptsächlich Personal. Spitzenkräfte, die über Fachwissen ebenso verfügen wie über Soft Skills, sind rar gesät und sehr teuer.

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(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.