Agiles Arbeiten: „Squadification“ by Spotify

Das Arbeitsmodell der Zukunft ist agil. Selbstverwaltete, projektorientierte Produktentwicklung in Kleingruppen lautet das Stichwort. Der schwedische Streamingdienst Spotify macht dabei vor, wie dieses System auch in sehr großen Dimensionen funktionieren kann.
Der Musik-Streamingdienst Spotify hat nicht nur die Musikbranche verändert, sondern auch die Arbeitswelt. (© Spotify)

Die Erfolgsgeschichte des schwedischen Musik-Streamingdienstes Spotify ist so eindrücklich, dass sie jüngst sogar in einer Mini-Serie verfilmt wurde. Auf Netflix kann man verfolgen, wie Gründer Daniel Ek das Unternehmen von den Anfängen im Jahr 2006 zu einem Konzern mit 1.600 Mitarbeiter*innen entwickelt hat, der im dritten Quartal 2021 3,04 Milliarden Euro umgesetzt hat – das alles inszeniert wie ein spannender Thriller.  

Damit hat Ek nicht nur die gesamte Musikbranche revolutioniert. In Folge vier der Serie wird angedeutet, wie Spotify auch eine ganz neue Art der Arbeit für sich entwickelt hat: Als ein neuer Programmierer aufgenommen wird, schildert der dem Unternehmensgründer in der Start-up-Bürohalle seine Vision. Vor den Augen der Figuren und der Zuschauer*innen entstehen durch visuelle Effekte Konzepte von Arbeit ohne Hierarchien, flexibel und stets definiert durch die beste Idee, egal, von wem sie kommt.

Spotify-Modell ist Vorbild für viele große Unternehmen 

Aus diesem realen Anspruch des Unternehmens ist schließlich das Spotify-Modell erwachsen, das mittlerweile vielen großen Konzernen als Inspiration und Vorlage für agile Arbeit dient. Denn der Vorteil des Modells ist, dass selbst eine riesige Zahl an Mitarbeiter*innen weitgehend selbstverwaltet äußerst effizient und vernetzt zusammenarbeiten kann. Die als Scrum bekannte Kleingruppenmethode für riesige Gruppen, sozusagen. 

Der Kern des Spotify-Modells? Die Verteilung der Angestellten auf Squads, Tribes, Chapters und Guilds. Was eher nach Videospieljargon als nach Arbeit klingt, ermöglicht es, dass eine Vielzahl von Projektgruppen miteinander an gleichen oder unterschiedlichen Zielen arbeitet und das Fachpersonal in den jeweiligen Teams trotzdem miteinander vernetzt ist. Alle stehen im ständigen Austausch miteinander, um eine bestmögliche Zusammenarbeit zu gewährleisten. 

Die wichtigsten Begriffe und Konzepte der Spotify-Methode sind im Folgenden kurz erklärt:

1. Squads

Squads sind – abgesehen von einzelnen Mitarbeiter*innen – die kleinsten Bausteine des Spotify-Organismus und gleichzeitig sein Herzstück. Squads sind multidisziplinäre Kleingruppen, vergleichbar mit dem Scrum-Modell, in denen in Form von Sprints Produkte entwickelt oder sonstige Leistungen erbracht werden. Sie alle arbeiten an langfristigen Zielen und vereinen in sich alle Kompetenzen, die dafür benötigt werden. Es gibt in dem Sinne keine Teamleiter*innen, dafür aber Product Owner, die Prioritäten setzen und koordinieren. Zusätzliche Unterstützung erfahren die Squads von Agile Coaches, die bei der Reflexion helfen, Hindernisse beseitigen und dazu beitragen, Arbeitsweisen zu verbessern.  

Generell basiert das Spotify-Modell weniger auf einem System von Vorgesetzten, als auf Verantwortungsträger*innen, die selbst dafür zuständig sind, dass ihre bestimmten Teilbereiche funktionieren.

2. Tribes 

Mehrere Squads bilden zusammen einen Tribe, was aus dem englischen Übersetzt so viel wie (Volks-)Stamm bedeutet. Tribes bieten einen thematischen Überbau, also gliedern sie die unterschiedlichen Squads danach, an welchem Produkt oder welcher Dienstleistung sie arbeiten. In der Regel überschreiten die Tribes Personenzahlen von 100-150 Personen nicht. Grund dafür ist die Dunbar-Zahl, die anhand einer Studie ermittelt wurde und beschreibt, wie viele soziale Kontakte ein einzelner Mensch aufrechterhalten kann.

Die Tribes sitzen idealerweise alle im gleichen Gebäude und bestimmen Leiter*innen, die sich regelmäßig treffen, um Abläufe zu koordinieren und Informationen auszutauschen.  

3. Chapters 

Im Spotify-Modell gibt es keine Abteilungen im klassischen Sinne. Alle Fachbereiche sind auf Squads verteilt. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass Vertreter*innen unterschiedlicher Kompetenzen in regem Austausch miteinander stehen. Nur dann können fachbezogene Probleme miteinander besprochen und Erfahrungen ausgetauscht werden, was letztendlich dem großen Ganzen dient. Daher gibt es innerhalb von Tribes, ähnlich wie in Motorrad-Gangs, sogenannte Chapter.  

Sie treffen sich ebenfalls regelmäßig und besprechen fachgebietsinterne Themen. Außerdem sind sie für Fortbildungen verantwortlich, unterstützen ihre Mitglieder bei der Entwicklung im Unternehmen, und helfen außerdem dabei, ein angemessenes Gehalt für sie auszuhandeln. 

4. Guilds 

Was das Chapter für einen Tribe ist, ist die Gilde für das gesamte Unternehmen. Entsprechend dem mittelalterlichen Zunftbegriff organisieren sich hier Mitarbeiter*innen mit der gleichen Expertise außerhalb ihrer Kleingruppen. So sind alle Vertreter*innen eines Fachbereiches über das ganze Unternehmen hinweg miteinander vernetzt und können so zu einer ständigen Verbesserung der Arbeitsabläufe beitragen.   

Durch die horizontale und vertikale Strukturierung der Mitarbeiter*innen entsteht im Idealfall ein perfekt zusammenarbeitender, sich ständig verbessernder Arbeitsorganismus, der keine Verwaltung von „oben“ benötigt und trotzdem effizient Ergebnisse liefert.