Weniger Retouren als im Versandhandel

Bis 2010 soll der deutsche Teleshopping-Markt jährlich um elf Prozent wachsen. Die Vertriebsgesellschaft Ricarda M. setzt auf den Kanal und erklärt hier das Prozedere. Die Deals erfolgen auf Kommission oder als Eigenmarke des Senders.

Für Konrad Hilbers, Vorstandschef des Teleshopping-Anbieters HSE24 ist Teleshopping heute eine akzeptierte Einkaufsalternative. Die Münchner gehören neben QVC und RTL Shop zu den drei großen der in Deutschland arbeitenden TV-Shoppingsender. Angesichts eines Umsatzes von mehr als einer Milliarde Euro profitieren jedoch nicht nur sie. Auch den zahlreichen mittelständischen Anbietern von Schmuck, Kleidung oder Unterhaltungselektronik bieten sich Vertriebschancen.

Waren sind Kommissionsprodukte
Das Prozedere für die sich präsentierenden Unternehmen ist so klar umrissen wie einfach: Bevor Sender ein Produkt annehmen, verlangen sie ein Muster samt Spezifikationen, dazu Bilder und Preise. Erwartet der TV-Kanal einen erfolgreichen Absatz, dürfen Anbieter ihre Ware persönlich vorstellen und – nach gelungener Präsentation – in einer Gespräch Preis und zu kalkulierende Menge verhandeln. Wichtig: Alle angebotenen Waren sind Kommissionsprodukte oder Eigenmarken des Senders. Es ist ein Irrtum, davon auszugehen, dass Unternehmen wie etwa bei der Werbung Sendezeit kaufen. Sie verkaufen Ware. Die Spanne zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis geht an den Sender. Er produziert die Sendungen, er trägt die Versandkosten und er zahlt die Mitarbeiter im Bereich Call Center und Logistik.

Wie Unternehmen um den Platz im Regal im Einzelhandel konkurrieren, stehen sie im Wettbewerb um die Sendezeit. Nach einer Qualitätsprüfung durch den TÜV oder andere Zertifizierungsstellen legt der Betreiber den Sendetermin fest, nennt einen Liefertermin für den Eingang der Ware und schult den Präsentator. Der Kanal sendet live und mit klaren Regeln: Ein geschulter Mitarbeiter präsentiert jedes Produkt in acht bis zwölf Minuten. Stellen Unternehmen mehrere Waren vor, und das ist die Regel, sendet der Kanal auch eine Stunde. Alles in allem präsentieren Teleshopping-Kanäle täglich bis zu 200 Artikel, allein der Marktführer QVC listet in seinem Sortiment gut 18 000 verschiedene Produkte.

Keine Marketing- und Werbekosten
Das Unternehmen, das ein Produkt vorstellt, ist Gast des Senders. Der Moderator – er ist beim Fernsehsender angestellt oder als Freiberufler tätig – schlüpft in die Rolle des interessierten Konsumenten und spricht mit dem erfahrenen Vertreter des Produktes. Der Vorteil der Dramaturgie: Im Gespräch mit dem Experten kann der Präsentator die Eigenschaften und Vorteile des Artikels live demonstrieren. Der schnelle und hohe Stückzahlverkauf, ein großes Publikum und kurze Vertriebswege – das sind die Aspekte, durch die die Shopping-Sender punkten. Weil Marketing- und Werbekosten wegfallen, können Hersteller ihre Produkte zudem relativ günstig anbieten. Und sie können den Erfolg der Sendung beobachten. Der Erfolg der Kampagne wird zeitgleich deutlich.

Was sind die Erfolgsfaktoren für uns als anbietendes Unternehmen? Zunächst eine gute Planung. Nichts ist schlimmer, als auf der Ware sitzen zu bleiben. Der Vertrieb sollte gut kalkulieren, welche Mengen er zur Verfügung stellt. Verkaufen sich nicht alle Artikel, wird der Sender sie wieder an die Firma zurückschicken. Teleshopping ist ein schnelllebiges Geschäft. Anbietende Unternehmen sollten daher auch immer innovative Produkte vorstellen. „Neben einem überzeugenden Präsentator sind die hohe Qualität sowie attraktive Preise die entscheidenden Kriterien“, nennt Branchenexperte Michael Lessig von der Beratungsgesellschaft Goldmedia schließlich weitere Kriterien, die dafür sorgen, dass sich die angebotenen Waren zu einem Verkaufsschlager entwickeln.

Die Ricarda M. Vertriebs-GmbH, Pionier unter den Anbietern via Teleshopping, erwirtschaftet jährlich mehr als elf Millionen Euro. Neben Kosmetik und Düften vertreiben die Mitarbeiter Mode, Schmuck, Homeware und Accessoires. Ein Produkt davon ging mehr als 1,5 Millionen mal an den Kunden. Der Fernsehkanal erhält die produkte der Vertriebsgesellschaft „exklusiv“. Während in den ersten Jahren Einzelprodukte sehr gut liefen, setzt das Unternehmen nun auch auf Aktionspreise, limitierte Designerstücke und Sets aus mehreren Produkten. Ricarda M. – Geschäftsführerin und Gründerin der Vertriebsgesellschaft tritt monatlich 16 bis 20 Stunden persönlich auf, um ihre Waren über den Shopping-Kanal zu promoten.

Sender zählen Käufer, keine Zuschauer
Wie viele Produkte noch zum Verkauf stehen, darüber informiert ein eingeblendetes Zählwerk. Dass Sender mit den im Bildrand sichtbaren Count-down-Anzeigen den Absatz anheizen, weisen die Anbieter in das Reich der Legenden. Zählwerke dienten der „Verbraucherinformation“, heisst es beim Sender. Gäbe es sie nicht, seien zahlreiche TV-Shopper bei ausverkauftem Lager frustriert, keine Produkte zu erhalten, erklären die Sendersprecher.

Greift ein Zuschauer zum Hörer und ruft die Hotline an, landet er im Call Center. Allein bei HSE24 arbeiten mehr als 1 000 Agenten. Rund um die Uhr. Darüber hinaus kümmern sich speziell geschulte Fachberater, für die die Lieferanten aufkommen, um den Kunden. Sie beantworten Kundenfragen und ergänzen die Beratung in den Call Centern. Übrigens Homeshopping-Sender ermitteln auch nicht, wie viele Zuschauer täglich zusehen. Nicht die Zuschauer, die Käufer zählen. Ihre Umsätze und ihre Anrufe. Im Durchschnitt rufen bei QVC täglich rund 40 000 Zuschauer an, der Rekord liegt nach Angaben des Unternehmens bei 140 000. Der Sender verschickte an einem Tag schon einmal mehr als 57 000 Pakete.

Die Fernsehsender garantieren ein vierwöchiges Rückgaberecht und übernehmen die Kosten. Dass so wenige Kunden Produkte zurücksenden – die Quoten der zurückgegebenen Artikel liegen mit etwa 20 Prozent deutlich unter denen des klassischen Versandhandels, erklären Experten damit, dass die Präsenter die Waren ausführlich vorstellen. Der Verbraucher sollen wissen, was sie kaufen. Und die TV-Shoppinglust der Deutschen reißt auch nicht ab: Einer aktuellen Umfrage von Goldmedia zufolge sehen rund 30 Prozent der Deutschen gelegentlich Teleshopping. Etwa zehn Millionen Menschen bestellten schon einmal bei einem der Sender. Die aktive Kundenzahl beläuft sich auf mehr als fünf Millionen.

War das Teleshopping in den Anfangsjahren ganz klar „Frauensache“, gibt es heute kaum noch Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Der Anteil der aktiven Zuschauer beträgt bei Männern und Frauen 30 Prozent. Nur bei den Bestellern sind Frauen mit einem Anteil von rund zwei Dritteln in der Mehrzahl. Damit ist die Branche zehn Jahre nach dem Start des ersten deutschen Shoppingsenders den Kinderschuhen entwachsen. Auch in den nächsten Jahren soll sich der positive Trend fortsetzen. Bis 2010 rechnet Goldmedia für den deutschen Teleshopping-Markt mit einem jährlichen Plus von rund elf Prozent (in 2010: 1,6 Milliarden Euro).

Angesichts dieses großen Potenzials drängen weitere Markenartikler in den Markt. Oft engagieren sie Prominente, die die Ware an den TV-Zuschauer bringen. Etwas zeichnet sich aber schon heute ab: Unternehmen, die aus dem Fachhandel kommen und ihre Produkte via Fernsehen verkaufen, haben nur dann Erfolg, wenn sie dem Verbraucher auch Preisvorteile oder Produktneuheiten liefern. Wie die Nagelpflegelinie „Ruby Crystal“ von Ricarda M. Das Produkt, das Konsumenten bis Anfang der neunziger Jahre im Fachhandel kauften, gibt es heute nur noch im Fernsehen. Mittlerweile hat Ricarda M. hier etwa 80 000 Kunden. Sie bestellen regelmäßig und können als echte Fans gelten.

Autorin:
Ricarda M. Hofmann ist Geschäftsführerin und Gründerin der Vertriebsgesellschaft Ricarda M. Vertriebs-GmbH.

eingestellt am 25. Februar 2006