Was macht eigentlich . . . Matthias Ehrlich?

Er war Vorstandsmitglied bei 1&1, als BVDW-Präsident auch für die dmexco mitverantwortlich – und jahrelang omnipräsent in der Branche. Seit seiner Gründung von ehrlich//strategies in München 2013 ist es öffentlich ruhiger um Matthias Ehrlich geworden. Leiser aber wurde er nicht.
"Es gibt keinen Grund, nicht das zu tun, was du wirklich tun willst", sagt Matthias Ehrlich. (© Ehrlich)

Herr Ehrlich, wie finden Sie das Motto „Trust in you“, das sich die dmexco 2019 angesichts der vielen Skandale in der Digitalbranche gegeben hat?

Ich sehe die Skandale überhaupt nicht. Was in der Branche passiert, ist doch nicht neu. Es wird nur gerade von der Allgemeinpresse massiv aufgebauscht. Wer in unserer Branche glaubt, Vertrauen aufbauen zu müssen, hat absolut gar nichts verstanden. Es geht nicht um Vertrauen, sondern darum, sich endlich gegen die Übermacht der US-Giganten zu behaupten.

Vor ein paar Monaten haben Sie in einem Interview allerdings gesagt: „Die Industrie trägt eine Mitschuld an der DSGVO, weil sie es unter anderem mit dem Retargeting übertrieben hat.“

Damit meinte ich aber nicht die Aussteuerung von Marketing auf Grundlage von Daten und Inhalten. Meine Kritik bezog sich ausschließlich auf das Stalking der Verbraucher, wie es Firmen wie Criteo betrieben haben und denen Werbungtreibende lange Zeit die Bude einrannten. Diesem Stalking haben wir zu verdanken, dass seither selbst der dümmste Politiker in der Lage ist, alles zu denunzieren, was unsere Branche mit Daten machen kann und macht. 

So meinungsstark kennt und schätzt man Sie. Allerdings ist es seit Ihrer Gründung von ehrlich//strategies 2013 öffentlich recht ruhig um Sie geworden. Fehlt Ihnen die große Bühne?

Es hat schon Spaß gemacht, auf den einschlägigen Podien immer mal die scharfe Klinge rauszuholen. Ich diskutiere gerne, und Zuspitzung bringt Klarheit. Aber das waren ja damals auch meine Rollen: Als BVDW-Präsident und 1&1-Vorstand wollte und musste ich bestimmte Themen pushen. Heute agiere ich eher im Hintergrund, im Vordergrund stehen die CEOs der Unternehmen, die ich betreue.

Sie definieren ehrlich//strategies als „Enabler für Entrepreneurs“. Wie läuft es denn so?

Es läuft super. Wir haben mittlerweile eine extrem große Bandbreite. Unsere Gründer kommen aus unterschiedlichsten Branchen, darunter IPTV, CRM und E-Commerce, aber auch Pharma und Heizungstechnologie. Allen gemeinsam sind die Themen Disruption, Digitalisierung und Distribution. Ich mag einfach Plattform- und System-Deals. Das ist unglaublich spannend. Mein Tag ist derzeit tatsächlich zu 100 Prozent mit Arbeit ausgefüllt.

Dabei müssten Sie eigentlich gar nicht mehr arbeiten. Was treibt Sie immer noch an?

Ums Geld geht es mir nur noch als Mittel zum Zweck für neue Investitionen. Mich persönlich treiben die immer neuen Herausforderungen an. Beispielsweise arbeiten wir derzeit an einem sehr ambitionierten Weinprojekt, bei dem es weniger ums Verkaufen geht als vielmehr um Inhalte, verknüpft mit Nachhaltigkeit. Da haben wir tatsächlich etwas ganz Neues vor, auch für die deutsche Qualitätsbranche. 2020 kann ich dazu mehr sagen.

Sie sind auch privat bekennender Weinliebhaber und besitzen einen eigenen Weingarten an der Mosel. 

Ja, in der Wehlener Sonnenuhr, einer der berühmtesten Weinlagen Deutschlands bei Bernkastel-Kues. Genuss ist mir wichtig, ich bin auch seit vielen Jahren Mitglied bei Slow Food. Und schon 1982 habe ich Ehrlichs Wein-Contor in Karlsruhe gegründet. Das Geschäft gibt es übrigens heute noch, wenn auch nicht mehr unter meiner Führung.


Steckbrief Matthias Ehrlich

Heutiger Job: Founder/CEO ehrlich//strategies
Erster Job: Nachhilfelehrer für Mathematik
Lebensmotto: Entscheidend sind Unabhängigkeit und die Verantwortung, aus den eigenen Talenten etwas Sinnvolles zu machen

Beste Entscheidung im Job bisher: 2005 länger als geplant bei 1&1 zu bleiben
Größtes Learning: Es gibt keinen Grund, nicht das zu tun, was du wirklich tun willst


ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.