Von Tageszeitungen, Paid Content und Zahnpasta

In den letzten Monaten haben die deutschen Zeitungsverlage eine erstaunliche Kehrtwende hingelegt: Vor einem Jahr war Paid Content noch tot, nun ist das Thema in aller Munde. Es scheint, als wäre die Branche aufgewacht und hätte mit einem Mal festgestellt, dass es für Qualitäts-Journalismus im Netz keine Alternative zu Paid Content gibt. Doch kann das auf einmal funktionieren?

Fakt ist: Die Hoffnungen auf online-Werbeerlöse haben sich bisher nur punktuell erfüllt, und das klassische Print-Geschäft ist seit Jahren rückläufig. Wenn mit dem Kern-Asset der Zeitungen – ihrem Content – kein Geld verdient werden kann, womit dann? Doch die reine Notwendigkeit macht noch kein Geschäftsmodell. Und nachdem die Verlage uns seit den Anfangszeiten des Internet daran gewöhnt haben, dass Nachrichten online nichts kosten, ist es sehr fraglich, ob es gelingen kann, den Markt umzudrehen und die Zahnpasta wieder zurück in die Tube zu drücken.

Dies könnte nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Verlage klappen, nämlich wenn alle für ihre Inhalte Geld verlangen und einen deutlichen Reichweitenverlust hinnehmen. Und selbst dann wäre das Gelingen des Projekts in Zeiten von globaler Informationsversorgung, Blogs und Twitter sehr fraglich: Irgendwo gäbe es sicherlich kostenlose News. Eine viel größere Chance tut sich im mobilen Internet auf. Was heute mit Apple’s iPhone und Amazon’s Kindle beginnt, wird in den nächsten Jahren wachsen – dies zeigte allein schon der Hype um die Vorstellung des iPad Ende Januar. Auch wenn sich dessen Marktstart um ein paar Monate verzögert: für die Verlage ist hier die Musik drin.

Anders als im stationären Internet ist der App-Markt erst im Entstehen, und hier versuchen die Verlage, einen „Preisanker“ zu setzen, der größer null liegt, so dass wir uns gar nicht erst an „kostenlos“ gewöhnen. Viele Leser sind sicherlich bereit, für Qualitätsjournalismus im Netz Geld zu bezahlen (nur mussten sie dies in der Vergangenheit ja nie unter Beweis stellen), und wenn eine gut gemachte App auf einem schicken neuen elektronischen Spielzeug interessante Inhalte bietet, finden sich dafür auch Käufer. Vorausgesetzt, die Verlage bekommen die Abgrenzung zwischen ihren kostenlosen Websites und den kostenpflichtigen Apps hin. Keine einfache Aufgabe, sicherlich – doch immer noch besser, als Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken zu müssen.

Über die Autorin: Annette Ehrhardt ist Director bei Simon-Kucher & Partners in Zürich und ist in den Bereichen Medien und Telekommunikation/Internet als Projektleiterin tätig.