„Vom Jäger zum Opfer!“

Sieht so das viel gepriesene Einkaufen mit Eventcharakter aus, von dem wir in Marketing und Vertrieb ständig sprechen? Ist das die Manier des „Smart Shoppers“ von heute? Carola Anna Elias von CAE Brandconsulting (Bild) über die Eröffnung des neuen "Media Markt" und den Überfall der nach Sonderangeboten heischenden Konsumenten.

Muss man sich nur, weil man nicht „blöd“ sein will und die „saubilligen“ Schnäppchenpreise verpassen will, in Lebensgefahr begeben oder ist dies der Thrill, der Hype, die neue ultimative Erfahrung jenseits von Second Life und virtueller Distanz. Wer die Schlagzeilen zur Eröffnung des Media Markts im neuen Alexa Einkaufszentrum in Berlin gelesen hat, konnte sich glücklich schätzen nicht dabei gewesen zu sein. Als sich die Tore des Medieneldorados am 11.09. um 23:47 Uhr öffneten, gab es kein Halten mehr. Ganze Horden kaufwütiger Jäger schlugen sich geradezu Ihren Weg zu den Sonderangeboten des Medienriesen.

Was als raffinierter Marketingschachzug geplant war, geriet mehr und mehr außer Kontrolle als neben massiven Hamsterkäufen auch Sachbeschädigung, Diebstahl und Körperverletzung das Szenario bestimmten. Das Ende vom Lied: Polizeiaufgebot, Notärzte im Einsatz und Panik.

Die Frage, die sich sofort aufdrängt: Ist diese unverhohlene Aggressivität der Massen eine direkte oder indirekte Reaktion auf die laute und fast schamlose Art der Werbung? Manipulieren wir unsere Kunden und programmieren damit bereits Gewalt und Streitlust? Wie weit dürfen wir gehen, um als Aufmerksamkeitskrieger den Konsumenten zu fangen und gibt es eine Grenze, die zu überschreiten mit Krieg beantwortet wird? Oder befinden wir uns bereits im freien Fall, im ethischen Nirwana und müssen einfach akzeptieren, dass Übergriffe dieser Art bald zum natürlichen Überlebenskampf der Spezies Mensch gehören?

Gerade vor dem Hintergrund der Debatten um CSR (Corporate Social Responsibility) und die wiederentdeckte Moral der Unternehmen sollte uns ein solches Debakel zu denken geben. Warum fällt es uns so leicht nach Indien zu schielen und uns für die Kinder im Kongo stark zu machen, wenn wir im gleichen Atemzug nur um Profit zu machen vor unserer Haustür Zwietracht säen. Müssen wir uns nicht viel mehr Gedanken über CSR machen, wenn wir über groß angelegte Medienkampagnen mit provokanten Werbebotschaften entscheiden? Ist nicht unser aller Gewissen auf dem Prüfstand, das der Werber als auch der Entscheider im Unternehmen?

Vielleicht müssen wir lernen uns selbst und das, was wir tun wieder ernst zu nehmen und keine Angst vor dem „Nein“ zu haben, auch wenn dies vielleicht unsere Marge schmälert. Fängt nicht CSR mit PSR (Personal Social Responsibitliy) an, also bei jedem Einzelnen?

Eines ist klar, so schön der Return on Reputation als Klimawandel im Marketing klingt, Lippenbekenntnisse nützen wenig, wenn die Taten eine andere Sprache sprechen. Wir sind alle zunehmend angreifbar, befinden uns im Web 2.0 und auf dem globalen Datenhighway im Glashaus, wo Anonymität zunehmend unmöglich und unser Verhalten jederzeit überprüfbar ist. BIG BROTHER is watching us!

von Carola Anna Elias, CAE Brandconsulting, Berlin