Volker Hoff über „Erfahrungswerte“ und „gefühlte Größen“

Zwei Zeugen im Prozess gegen Aleksander Ruzicka lieferten in dieser Woche ein seltsam skurriles Bild. Reinhard Zoffel und Volker Hoff beschuldigten sich gegenseitig an den angeblichen Untreuehandlungen von Ruzicka beteiligt zu sein.

Zoffel sagte aus, dass Hoff für Finanzen und Verträge zuständig gewesen sei. Hoff hingegen behauptete, dass Zoffel und Ruzicka die Zusammenarbeit zwischen ZHP und Carat/Aegis gestaltet hätten. Zoffel habe ihm gesagt, was gemacht wird, und Hoff hätte zugestimmt. Zudem will sich Hoff an viele Details und mündliche Absprachen nicht mehr erinnern können. Diese würden teilweise sechs Jahre zurückliegen, so Hoff. Volker Hoff ist nach seinem Ausscheiden bei ZHP heute Europaminister in der Hessischen Landesregierung im Kabinett vom geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch.

Die beiden ehemaligen Geschäftsführer der Wiesbadener Werbeagentur ZHP Zoffel, Hoff und Partner haben aus angeblichen Mediaeinkaufsvorteilen, die die Aegis-Tochter Carat für ihre Werbekunden erzielt haben soll, in den Jahren 2002 bis 2006 Rückzahlungen in einer Gesamthöhe von neun Millionen Euro erhalten. Davon hat ZHP in 38 Fällen in Summe 6,5 Millionen Euro an Firmen wie Camaco, Life2Solutions oder Objektgesellschaft Haideweg 14 gezahlt. Zoffel und Hoff hielten diese Firmen für Tochterunternehmen von Aegis Media. Auch wenn beispielsweise die Objektgesellschaft Haideweg 14 GmbH (OH14), den Bau einer Villa für den ehemaligen Carat-Geschäftsführer und HMS/Carat-Mitgründer Heinrich Kernebeck zum Ziel gehabt haben soll. Dennoch soll auch die OH14 „Beratungsleistungen“ für ZHP erbracht haben. Die Anklage gegen Heinrich Kernebeck wurde vom Landgericht Wiesbaden mit der Begründung abgewiesen, dass Kernebeck nicht in die illegalen Handlungen eingebunden gewesen sei und ihm eine Mitwisserschaft nicht nachweisbar wäre. Das Oberlandesgericht Frankfurt will die Beschwerde der Staatsanwaltschaft erst entscheiden, wenn das Urteil in diesem Prozess gefällt wurde.

Die Anklage geht davon aus, dass es sich bei den Rückzahlungen um Gelder handelt, die bei Aegis Media veruntreut worden sind. Zwischen Carat/Aegis und ZHP gab es laut Reinhard Zoffel einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Dieser soll auf Initiative von Heinrich Kernebeck im Jahre 2002 zustande gekommen sein. Hiernach wurden alle ZHP-Kunden von Carat/Aegis betreut. ZHP erbringt Kreativleistungen. Carat/Aegis verantwortet Mediaplanung und Mediaeinkauf. Vorteile aus dem Mediaeinkauf, wie beispielsweise durch kapitalisierte Freispots, sollen zwischen Carat/Aegis und ZHP aufgeteilt worden sein. Eine schriftliche Vereinbarung darüber habe es nicht gegeben. Dies sei „gelebt worden“, so Zoffel.

Und das ging so: laut Reinhard Zoffel hat es regelmäßige „Abrechnungsgespräche“ mit Aleksander Ruzicka gegeben. Bei diesen Treffen habe ihm Ruzicka die Gutschriften aus vermeintlichen Mediaeinkaufsvorteilen, die von Carat/Aegis erzielt worden sein sollen, in Form von Schecks übergeben. Zoffel hingegen brachte die Rechnungen mit, die er von den Firmen Camaco oder Life2Solutions erhalten hatte. Ruzicka soll diese geprüft haben. Dies müsste schnell gegangen sein: stammten die Rechnungen doch von seinen eigenen Firmen. Ruzicka soll dann diese Beträge in Blankoschecks von ZHP eingesetzt haben, welche Zoffel dann unterschrieben hat. Volker Hoff dazu: „Ich dachte, dass auf diesem Wege Lasten abgerechnet werden, die bei Carat/Aegis angefallen sind“. Er sei sich darüber im klaren, dass „einem das im Nachhinein irgendwie komisch vorkommt“. Und: „Es gab keine kaufmännische Grundlage für diese Beträge“. Hoff berief sich nach hartnäckigem Nachfragen durch Richter Jürgen Bonk auf „Erfahrungswerte“ und „gefühlte Größen“. Das Vorgehen sei zudem unter kreativen Menschen in der Werbebranche nicht unüblich.

Wenn Carat/Aegis Mediaeinkaufsvorteile in Höhe von neun Millionen Euro in einer Art „gelebtem Benefit-Sharing“ an ZHP erstattet hat, müssten das Gelder sein, an denen die ZHP-Kunden partizipiert haben müssten. Einige Zeugen von Aegis Media hatten ausgesagt, dass Kampagnen für ZHP-Kunden zu ungewöhnlich großen Teilen aus Naturalrabatten realisiert wurden. So groß, dass TV-Vermarkter aufgrund der hohen Anteile eingesetzter Freispots Bedenken angemeldet hatten. Unterschiedliche Aussagen gab es darüber, ob das Verhältnis des Benefit-Sharings im Verhältnis 80:20 gut oder schlecht für Carat/Aegis gewesen sei.

Ebenso ungeklärt blieb die Frage, ob nicht ZHP oder ZHP-Kunden geschädigt wurden, wenn die ZHP-Geschäftsführer die Rückzahlungen von Carat/Aegis größtenteils für „Beratungsleistungen“ an weitere Firmen durchreichen. Reinhard Zoffel nennt die Geschäfte „schlüssig und logisch“ und er habe diese „nicht weiter hinterfragt“. Er zeigte sich schwer enttäuscht von seinem damaligen Freund Aleksander Ruzicka. Zoffel dachte, wo Ruzicka draufsteht ist Carat/Aegis drin. Auch Hoff will von vermeintlich illegalen Handlungen nichts gewusst haben und ging auf Distanz zu Ruzicka.

Für Staatsanwaltschaft und Verteidigung erbrachten die Zeugenaussagen von Zoffel und Hoff nichts Neues. Während gegen Reinhard Zoffel ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Untreue läuft, sieht Oberstaatsanwalt Thoma nach der Aussage von Volker Hoff keine neuen Gründe um auch gegen den hessischen Minister zu ermitteln. Der Prozess wird kommenden Mittwoch fortgesetzt. Der Mitangeklagte David Linn soll eine Erklärung verlesen in der er sich zu den Vorwürfen der Anklage äußert. mz