Twitter für Unternehmen: Abhauen oder ausharren?

Stellenabbau, Propaganda-Vorwürfe, gesperrte Twitter-Accounts – die Querelen um den Kurznachrichtendienst reißen nicht ab. Ist Twitter als professioneller Kommunikationskanal für Unternehmen noch haltbar? Ja – noch. So lautet die Antwort unseres Gastautors.
Carsten Christian, OSK
Carsten Christian ist Senior Editor und Teamleiter Content House bei Oliver Schrott Kommunikation. (© OSK)

Für die einen ist er ein Visionär, für die anderen ein machtbesessener Egomane: Elon Musk, eine Zeit lang reichster Mann der Welt, kaufte im Oktober 2022 Twitter und löste damit einen Urknall aus. Mittlerweile ist das Getöse zwar etwas verhallt. Dennoch haben sich die Wogen rund um Twitter längst nicht geglättet. Der Stellenabbau geht weiter, über diverse Accounts soll Propaganda verbreitet werden und Ende Februar sperrte der Kurznachrichtendienst vorübergehend den Twitter-Account des ZDF-Magazins Frontal, nachdem dort ein Bericht über verschleppte ukrainische Kinder ausgestrahlt wurde.

Vieles ändert sich gerade bei Twitter: Das Netzwerk reduziert seine finanzielle Abhängigkeit von Werbekunden und plant stattdessen, einen Großteil des Umsatzes mit Abonnements zu generieren. Dadurch sind zum Beispiel Verifizierungshäkchen nur noch für Kund*innen des kostenpflichtigen Abo-Dienstes Twitter Blue verfügbar. Zudem könnte bezahlte Twitter-Werbung in Europa aufgrund fehlender Inhaltsbestimmungen sogar illegal werden. Was also ist zu tun?

Keine übereilte Flucht

Markenverantwortliche sind gut beraten, sich in Habacht-Stellung zu begeben und die Entwicklungen genau zu beobachten. Jetzt fluchtartig die Plattform zu verlassen, ist aber keine Alternative. Die Gründe liegen auf der Hand: Mit mehr als 368 Millionen Nutzer*innen ist Twitter immer noch eine starke Plattform, die so schnell nicht verschwinden wird. Rund 500 Millionen Tweets werden täglich gepostet. 43 Prozent der weltweiten Unternehmen sind aktiv auf dem Netzwerk.

Denn Twitter ist für sie ein essenzieller Kanal, auf dem sie sich über viele Jahre eine Community aufgebaut haben. Zudem ist die Plattform für die Pressearbeit derzeit noch relevant. Journalist*innen nutzen Twitter weiterhin für Recherchen, sodass Tweets zu Unternehmens-News ein erster Anker für eine mögliche Berichterstattung sind. Doch auch das kann sich schnell ändern, sollten die Inhalte auf dem Dienst an Glaubwürdigkeit verlieren und damit der Ruf von Twitter als Infoquelle.

Einen Fahrplan, der sich für jede Marke gleich umsetzen lässt, gibt es so aktuell nicht. Dennoch sollten Markenverantwortliche einige Dinge im Auge haben:

  1. Tracking, Monitoring und Reporting verstärken: Wer frühzeitig Bescheid weiß, kann schnell reagieren. Verantwortliche sollten die Entwicklungen rund um Twitter und auf der Plattform selbst im Blick haben, um rechtzeitig die Notbremse ziehen zu können, sollte es notwendig sein. Ebenso können sie so aber auch zu den ersten gehören, die auf der Plattform wieder durchstarten, sollte sich die Lage stabilisieren.

  2. Chancen abwägen: Da viele Profile aktuell weniger posten, während sich Nutzer*innen öfter einloggen, um zu prüfen, was sich tut, können organische Inhalte derzeit gute Reichweiten erzielen, speziell bei neuen Zielgruppen. Dabei ist die Interaktion mit den eigenen Inhalten ausschlaggebend. Bekommen die Tweets zum Beispiel viele Reaktionen von Fake-Accounts, muss man reagieren und prüfen, woran das liegen kann.
  1. Twitter-Historie und Daten sichern: Better safe than sorry. Lieber jetzt die Twitter-Daten speichern, bevor man es später vergisst. So geht es.  
  1. Werbekampagnen prüfen: Mit der Rechtsabteilung klären, ob sich Werbungtreibende angreifbar machen. Dies könnte auf Twitter der Fall sein, wenn Inhalte nicht mehr moderiert werden und unter Umständen gegen europäisches Recht verstoßen. Mehr dazu hier.
  1. Alternativen Plattformen erforschen: Dienste wie Mastodon und Bluesky bieten ähnliche Funktionen wie Twitter – auch wenn sie sehr viel kleiner sind und sich Bluesky aktuell noch in der Betaphase befindet. Unternehmen sollten dennoch prüfen, ob die Plattformen für sie geeignet sind. Falls ja, ist es sinnvoll, den gewünschten Account-Namen zu sichern und anzufangen, diese neuen Kanäle konsequent zu bespielen. Kommt der große Knall, tut der Abschied von Twitter dann weniger weh.

Vorbereitet sein

Die Negativ-Meldungen rund um Twitter halten an. Noch ist es aber zu früh, endgültig das Licht auszuschalten und die Tür hinter sich zu schließen. Noch könnte die Plattform wieder in ruhigeres Fahrwasser steuern.

Wer jetzt alle Vorkehrungen trifft, ist auf jedes Szenario vorbereitet, sodass ein Abschied vom blauen Vögelchen – sollte er notwendig sein – später leichter fällt.