Turbulente Zeiten im Digitalmarketing

Werbetreibende sind durch Gesetze zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre gezwungen, ihre Modelle des Digitalmarketing auf den Prüfstand zu stellen. Auf Entwicklerseite gibt es erste Anstrengungen, gesetzeskonforme und komplexitätsreduzierende Lösungen zu realisieren, um zukunftssichere Marketingkampagnen zu ermöglichen. Ein Gastbeitrag.
Lars Königsberg ist seit Juni 2021, neben Wolfgang Lanzrath, Geschäftsführer von INFOnline. Er blickt auf 20 Jahre Berufserfahrung in Kreativ- und Mediaagenturen zurück. (© Oliver Reetz)

Von Lars Königsberg

Sie sind dieser Tage die Schmuddelkinder im Digitalmarketing, Nutzer*innen klicken sie schnellstmöglich weg und Werbetreibende sind von ihnen nicht weniger genervt: die omnipräsenten Cookie-Banner. Die belgische Datenschutzbehörde hat sie nach einer Klageeinreichung im Kontext des TCF2.0 Frameworks der IAB Europe inzwischen sogar für den europäischen Werbemarkt für unzulässig erklärt. Allerdings sind die verschmähten Banner nur das allerorts sichtbare Ergebnis des krachend fehlgeschlagenen Versuchs, mit einem quick-and-dirty aufgesetzten Consent-Verfahren geltenden Datenschutzgesetzen im Digitalmarketing gerecht zu werden.

Im Rahmen der EU-DSGVO (Europäischen Datenschutz-Grundverordnung) ist es seit Mai 2018 nötig, dass Werbetreibende Nutzer*innen darüber informieren, dass auf ihren Websites Cookies gesetzt werden. Zu dieser Informationspflicht gehört es auch mitzuteilen, um welche Cookies es sich handelt und die Zustimmung der User einzuholen. Ziel des Gesetzgebers ist es, die Erhebung personenbezogener Daten zu regulieren und Transparenz zu schaffen. Denn eine persönliche Identifizierung über Nutzerdaten hat schnell andere Konsequenzen als die intendierte Erreichbarkeit für Online-Anzeigen, weshalb aus Datenschutzsicht die neue Gesetzgebung zu begrüßen ist.

Datenschutz reicht weit über Cookie-Banner hinaus

Nun wurden die Cookie-Banner also für unzulässig, weil unzureichend befunden. Doch die Entscheidung zugunsten des Datenschutzes reicht deutlich über die Gestaltung der Cookie-Banner hinaus: Für gesetzeswidrig wurde das gesamte Geschäftsgebaren im Digitalmarketing erklärt, das im Kern den Datenschutz seiner Nutzer*innen nicht gewährleistet. Cookie-getriebenes Re-Targeting, Frequency Capping, Cross-Device-Tracking, Multi-Attributions-Ansätze und das Anreichern von Profildatensätzen sind nicht mehr gesetzeskonform – oder wenn, dann nur unter eng definierten Voraussetzungen.

Wir sehen uns heute an einem Wendepunkt in der Geschichte des Digitalmarketings. Bisherige Methoden und erfolgreiche Konzepte sind – aus meiner Sicht unumkehrbar – diskreditiert. Das macht verständlicherweise viele Werbetreibende und Publisher nervös. Doch wie immer in turbulenten Zeiten gibt es bereits erste Macher, die die Ärmel hochgekrempelt haben und nach Lösungen suchen, die zeitgemäß und zukunftssicher sind – sowohl mit Blick auf den Datenschutz als auch hinsichtlich des Erhalts werbefinanzierter Geschäftsmodelle.

Aktiv zu gestalten, wie die Zukunft des Digitalmarketing aussieht, das ist die Herausforderung der Stunde für Werbetreibende, Publisher und ihre IT-Partner.

Semantisches Targeting als Instrument für die Zukunft

Kontextuelles, genauer: semantisches Targeting ist aus meiner Sicht ein kluges Instrument, mit dem Werbetreibende zukunftssicher planen können. Für semantisches Targeting werden Websites mit linguistischen Programmen ausgelesen. Gemäß der erfassten Semantik wird kompatible Werbung auf der Seite ausgespielt. Dafür ist unerheblich, welche*r Nutzer*in sich im Moment des Ausspielens auf der Seite aufhält. Man kann davon ausgehen, dass bei Passgenauigkeit auf semantischer Ebene von Website und Anzeige ein grundsätzliches Interesse der Nutzer*in besteht.

Es werden beim semantischen Targeting nicht länger nutzerseitig Daten erhoben, sondern Werbetreibende und Publisher definieren die relevanten Semantiken für ihre Marketingkooperation. Für das Geschäftsmodell im Digitalmarketing bedeutet dies eine Besinnung auf Bewährtes, „Back-to-the-roots“ der (digitalen) Anzeigenschaltung. Individuelle Profildaten werden zur Erreichbarkeit von Zielgruppen nicht benötigt. Ein weiterer Vorteil des semantischen Targetings liegt neben dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer*innen in seiner Aktualität. Während Re-Targeting nur mit Learnings aus bereits vergangenem Nutzerverhalten operieren kann, wird semantisches Targeting situativ aktiv und erreicht die User im Moment des größtmöglichen Interesses für das Themenfeld.

Bei INFOnline arbeiten wir daran, mit technischen Lösungen semantisches Targeting gesetzeskonform und effektiv zu unterstützen. Auch beziehen wir Konzepte zu Server-2-Server-Kommunikation sowie Data Clean Rooms in unseren Überlegungen für künftige Dienstleistungen ein, die wir schon bald unseren Kunden anbieten wollen. Dabei ist und bleibt unser Anspruch, unter Berücksichtigung aller Forderungen im Ökosystem Digitalmarketing einen Standard für die Datennutzung in Deutschland zu setzen. Ich bin heute überzeugter denn je: Es wird eine technische Lösung kommen, die datenschutzkonform ist und zugleich die Ausspielung werbefinanzierter Inhalte ermöglicht.