Trotz Apples Service-Feuerwerk: Marketing-Legende Guy Kawasaki erklärt, warum dem iKonzern keine Innovationen mehr gelingen

Gleich vier Produktneuheiten hat Apple gestern auf seiner Keynote vorgestellt: vom Video-Streaming-Dienst Apple TV+ bis zu einer Kreditkarte. Dem früheren Apple-Mitarbeiter und heutigen Marketing-Guru Guy Kawasaki hat die Keynote indes nicht beeindruckt: "Ich wünsche mir etwas, das mich wie ein Narr von dem Apple Store kampieren lässt", beklagt Kawasaki fehlende Innovationen.

Wie viel mehr kann man in eine Keynote von 110 Minuten packen? Einen Video-Streaming-Dienst, einen Nachrichten-Abonnement-Dienst, ein Premium-Spiele-Angebot und eine Kreditkarte – all das stellte Apple gestern im Steve Jobs Theater vor.

Und trotzdem: das Echo der Wall Street ist eindeutig. Analysten sind nicht beeindruckt, sehen kurzzeitig wenig Impulse durch die neuen Internet-Dienste – die Aktie fällt den zweiten Tag in Folge zurück.

„Die Leute stehen heute nicht mehr in Schlangen vor dem Apple Store“

Was Apple im Kern fehlt, brachte unterdessen ein prominenter früherer Mitarbeiter gegenüber dem Finanzinformationsdienst CNBC auf den Punkt. „Wie ist es um die Innovation bei Apple bestellt?“ fragt sich Guy Kawasaki, der zwischen 1983 und 1987 zunächst noch unterer Steve Jobs in der Marketing-Division gearbeitet hatte, später zu Apples Chief Evangelist aufstieg und für die Vermarktung des ersten Macintosh mitverantwortlich war.

„Ich wünsche mir etwas, das mir das Herz zerreißt. Etwas, das mich vor den Apple Stores in der Nacht vor dem Launch wie ein Narr ausharren lässt“, erklärte der 64-Jährige weiter. „Die Leute stehen heute aber nicht mehr in Schlangen vor dem Apple Store“, bringt der Marketing-Guru und Bestseller-Autor („Die Kunst, die Konkurrenz in den Wahnsinn zu treiben“) das neue Dilemma des Kultkonzerns aus Cupertino auf den Punkt.

„Die Leute wünschen sich, dass Apple neue Kategorien erfindet“

„Die Leute haben ihre iPhones und iPads und wissen, dass sie besser und besser werden. Aber das ist nicht der Test für Apple. Die Leute wünschen sich, dass Apple neue Kategorien erfindet – und nicht nur bessere Versionen von dem, was sie bereits bieten“, führt der in Honolulu geborene Silicon Valley-Veteran gegenüber dem CNBC-Format  „Make it“ weiter aus.

Ob Apple mit der Fokus-Verlagerung auf das Service-Geschäft durch den Start von zahlreichen neuen Internet-Diensten einen Wow-Effekt bei seinen Kunden auszulösen vermag, bezweifelt Kawasaki. „Ist Apple nun das beste Hardware-Unternehmen oder das beste Hardware- und Services-Unternehmen? Es sieht so aus, als wollten sie letzteres sein“, gibt der Autor von „The Macintosh Way“ zu bedenken.

Trotz der zuletzt wenig innovativen Produktgestaltung will Kawasaki aber keinen kategorischen Abgesang auf Apple anstimmen. „Wird Apple (mit seinen neuen Diensten – Anmerkung der Redaktion) Erfolg haben? Nach meiner Erfahrung wäre es fahrlässig, gegen Apple zu wetten. Skepsis hat den Macintosh, den iPod, das iPhone, den iPad und die Retail Stores begleitet. In jedem Fall haben die Experten vorausgesagt, dass Apple scheitern würde. In jedem Fall lagen sie falsch.“