von Hendrik Rosenboom
Die Hartmann Gruppe mit Sitz in Heidenheim stellt Medizinprodukte her, unter anderem für Wundbehandlung, Inkontinenzversorgung und Infektionsprophylaxe. Neben zahlreichen Auslandstochtergesellschaften gehören unter anderem Bode Chemie, Karl Otto Braun, Sanimed sowie Kneipp zum Unternehmen. Eine Besonderheit dieser Branche sind die unterschiedlichen rechtlichen und regulatorischen Vorgaben in den Ländern. Zwar können die Produkte, die für den deutschen Markt entwickelt werden, auch in anderen Märkten eingeführt werden, doch setzt dies einen gewissen Vorlauf voraus. Zum Beispiel kann die Packungsbeschriftung unterschiedlich sein oder es müssen vorab Zulassungen von lokalen Behörden eingeholt werden. Die Produktverantwortlichen in den Ländern müssen folglich schon in einer frühen Phase der Produktentwicklung eingebunden werden, sonst kann es zu Verzögerungen bei der Markteinführung kommen.
Verzögerungen gilt es aber möglichst zu vermeiden. Denn zum einen dauert es bei einer zeitlich gestaffelten Einführung in den Ländern länger, bis die Entwicklungskosten wieder eingespielt sind. Zum anderen können Medizinprodukte nicht aus dem Lieferprogramm genommen werden, obwohl eventuell schon längst bessere Nachfolgeprodukte bereitstehen. Eine zusätzliche Herausforderung für
Hartmann waren die Firmenzukäufe außerhalb des deutschen Heimatmarktes. So hatte die Marketingabteilung zu viele Aufgaben auf einmal zu koordinieren. Dabei war es nicht immer einfach, von allen Verantwortlichen rechtzeitig die nötigen Informationen zu bekommen. Es existierte zwar eine Art Checkliste mit dem formalen Vorgehen, jedoch wurde der Prozess weitgehend ohne Softwareunterstützung geführt.
Vor diesem Hintergrund prüfte man eine Einführung der Software von Tibco, einem Spezialanbieter für Middleware. Über diese ließ sich existierende Software, zum Beispiel die Enterprise Resource Planning (ERP)- und Logistiksoftware, verbinden. Somit können Informationen aus unterschiedlichsten Systemen in Workflows zusammengeführt und passende Portale erstellt werden, damit jeder Verantwortliche schneller seine spezielle Aufgabe erledigen kann. Kernstück der IT-Lösung ist die zentrale Prozesssteuerung für die Markteinführung von Produkten, die Hartmann mit Tibco entwickelt hat. Alle an der Produktion Beteiligten werden aufgefordert, Informationen zu verschiedenen Zeitpunkten während der Produkteinführung zu liefern. So stehen alle nötigen Informationen für den jeweiligen Prozess zur richtigen Zeit zur Verfügung. Heute setzt Hartmann die Business Process Management (BPM)-Technologie von Tibco ein. Dem Unternehmen liegt vor allem an Anwendungen, die hochgradig wiederverwendbar sind, weil sie nach dem Prinzip Service-Oriented-Application (SOA) erstellt sind.
Während die neue Prozesssteuerung hilft, rechtzeitig alle notwendigen Informationen einzuholen, wird gleichzeitig eine neue Datenbasis mit Produktinformationen aufgebaut. Dafür vertraut Hartmann auf die Master-Data-Management-(MDM)-Technologie von Tibco. Das ist im Wesentlichen eine zentrale Datenbank, die alle Produktinformationen zusammenführt. Sie umfasst deutlich mehr Informationen als zum Beispiel das ERP- oder Logistiksystem. Hier werden auch Informationen gespeichert, die aus den einzelnen Ländern und aus dem Marketing während der Vorbereitungsphase des Produktlaunches erfasst werden. Dazu gehören zum Beispiel Beschreibungen der Produkteigenschaften in mehreren Sprachen.
Diese Produktinformationen sollen künftig aber nicht nur für den Produktlaunch genutzt werden. Auch der Vertrieb soll davon profitieren, dass schneller Produkte gefunden werden können, die auf eine Ausschreibung passen. Das führt dazu, dass der Betrieb auf längere Sicht mit weniger Produktvarianten auskommt. In der Vergangenheit wurden gelegentlich neue Produkte eingeführt, die den existierenden so ähnlich waren, dass ein neues Produkt nicht nötig gewesen wäre. Auch Produkte von Drittanbietern lassen sich so leichter integrieren und dem Vertrieb mit allen Informationen zur Verfügung stellen.
Mit einer auf seine Branche zugeschnittenen Software hat Hartmann einen großen Schritt gemacht. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich für ein Unternehmen dieser Größe. Hier wird erstmals Software eingesetzt, die bislang vor allem Großkonzernen zu mehr Effizienz und Profitabilität verholfen hat. Hartmann konnte damit die Zusammenarbeit aller Verantwortlichen während des kompletten Launch-Prozesses vereinfachen und die Produkteinführung beschleunigen. Der Informationsaustausch zwischen Entwicklung, Marketing, Vertrieb und Produktion hat sich deutlich verbessert. So konnte letztendlich auch der Umsatz und die Profitabilität erhöht werden.
Über den Autor:
Dr. Hendrik Rosenboom ist Senior Vice President Process and Information Management der Hartmann Gruppe.