Super League – so werden Marken zerstört

Die Pläne zur Super League im Profifußball sorgen derzeit für Gesprächsstoff. Durch den neuen Elite-Wettbewerb droht die Spitze des Profifußballs zum Kunstprodukt zu verkommen, dass zwar Milliarden garantiert, aber nicht mehr viel mit Sport und dem eigenen Gründungsmythos zu tun hat.
Super League
Die gesamte Kommunikation der Super League ist bislang ein Musterbeispiel für verfehltes Storytelling. (© Imago)

Von Colin Fernando, Partner bei der Managementberatung Brand Trust

Da gehe ich einmal früh ins Bett, denn eigentlich kann man doch an einem Sonntagabend nichts verpassen. Am nächsten Morgen werde ich eines Besseren belehrt, als ich von der Einführung der Super League überrascht oder gar geschockt werde.

Die Super League – eine elitäre Liga mit zwölf Gründungsvereinen – für die sich gnädigerweise noch fünf weitere Teams qualifizieren können, produziert fast nur Verlierer und nur zwei vermeintliche Gewinner. Und auch die wären vermutlich froh, wenn es anders wäre. Zudem ist die ganze Veröffentlichung ein Negativbeispiel. So funktioniert Kommunikation definitiv nicht.

Super League – jahrzehntelange Markenarbeit verkauft für Prämien

Die zwölf Gründungsvereine verkaufen für 3,25 Milliarden Euro Gründungsprämie und 100 Millionen Euro pro Jahr ihre über Jahrzehnte aufgebaute Identität und ihren Gründungsmythos. Alle Fans der Vereine hatten sich bereits dran gewöhnt, dass der Fußball nicht mehr das ist, was er vielleicht einmal war. Und jeder Fan spielte schon einmal mit dem Gedanken, sich von diesem zum puren Geschäft verkommenen Sport abzuwenden – die Geisterspiele luden förmlich dazu ein. Und doch blieb der Fußball – auch ohne Fans im Stadion – eine der schönsten Nebensachen der Welt. Warum: Weil es eine tiefe Bindung und eine Identifikation mit den Werten und den Besonderheiten des Lieblingsclubs gibt.

Die Fans hatten sich auch daran gewöhnt, dass Investoren über das Wohl und Wehe ihres geliebten Clubs bestimmen. Ein Trainer wie Jürgen Klopp, der wie besessen mit „The Kop“ im Liverpooler Anfield Stadium eine La-Ola-Welle startet, machte aber vergessen, dass dieser Verein zur US-amerikanischen Fenway Group gehört, die mehrere Vereine in verschiedenen Sportarten besitzt.

Im Fußball wurde stetig in die Marken und deren Führung investiert. Missionen, Visionen, Claims und Markenidentitäten wurden entwickelt und durch millionenschwere Kampagnen und Hochglanzvideos umgesetzt. Täglich werden auf den Social-Media-Kanälen Inhalte produziert, um die eigene Marke zu stärken. Ein Ziel der Aktionen: Marken-Involvement bei den Fans aufbauen – ohne, dass es wie purer Kommerz wirkt.

Super League macht Mythen zur Farce

Mit der Kommunikation der Gründung der Super League manifestieren sich alle Markenelemente der Clubs als reine Oberflächeninstrumente, die für die Führung der Vereine kaum Relevanz bieten.

  • Aus dem Inbegriff der Solidarität, das „You’ll never walk alone“ beim FC Liverpool, wird die elitäre Super League, in die man sich einfach einkauft und in der Folge garantierte Einnahmen hat. Ohne sportlichen Wettbewerb im Vorfeld. Der Mythos des emotionsgeladenen Vereins der Arbeiterklasse wird zur Farce.
  • Gleiches gilt für den FC Arsenal, ebenfalls ein typischer Arbeiterverein, der seine Markenidentität als „Arsenal Way“ bezeichnet: „Arsenal Football Club exists to make our fans proud“. Arsenal handelt entgegen dieser Identität und unter der Verkündung des Clubs sagen viele Fans „Farewell“ zum Fußball und zu ihrem bis dato geliebten Verein.
  • Der FC Barcelona gilt als Volksverein, der sich für Katalonien einsetzt und sich um mehr schert als nur den Fußball.
  • Atlético Madrid hat über Jahre seine Identität auch durch kluges Marketing geschärft und sich als Herausforderer des Establishments positioniert. Über die Super League gehört Atlético selbst zum Establishment – all die zuvor gemachten Investitionen, dieser Markenaufbau werden für die Prämien verkauft.

FIFA und UEFA: Die Geister, die ich rief

„Zynisch“ nennt der Fußball-Weltverband FIFA die „Anti-Solidarität“ der zwölf Gründervereine der Super League. Doch haben nicht gerade FIFA und das europäische Pendant UEFA das Prinzip „Milliarden vor Haltung“ jahrelang praktiziert? Egal ob Rassismus, Bombenanschläge oder Corona – der Rubel musste rollen, und es wurde weitergespielt.

Aktuell passt auch die Reform der UEFA Champions League in dieses Bild: 36 statt 32 Teams. Das Motiv dürfte klar sein. Im Netz unken einige sogar, dass die Super League die beste Werbung für die ebenfalls sehr kritisch gesehene Reform der UEFA Champions League sei.

Und nun bekommen UEFA und FIFA, die Meister des Woke Washing, Konkurrenz. Entsprechend verhalten sich die Funktionäre und inszenieren sich nun als die ehrwürdigen Beschützer des Fußballs. Jüngst wurden Rassismus und die Todesfälle in Katar noch verharmlost.

Zerreißprobe für den Fußball

Super League hin oder her: Der Fußball ist der Verlierer. Seit Jahren versucht die Sportart den letzten Hauch von Romantik zu erhalten. Corona hat den Fußball definitiv als knallhartes Business entlarvt. Die Demaskierung erreicht nun den ultimativen Höhepunkt. Denn die Super League macht den Volkssport Fußball zum Spielzeug der Superreichen. Aus dem Mutterland des Fußballs England kommen sechs der zwölf Gründungsvereine* (Arsenal London, FC Chelsea, FC Liverpool, Manchester City, Manchester United, Tottenham Hotspur) – entsprechend fallen die Urteile von Fans aus. Auch Experten wie der ehemalige englische Nationalspieler Gary Neville bezeichnen die Super League als reine Geldgier.

Die Ausrichtung auf die Lamborghini fahrenden Fans und all derer außerhalb von Europa, die Cristiano Ronaldo, Messi & Co. anhimmeln – aber selber keinen attraktiven Fußball zu bieten haben – also insbesondere die asiatischen und amerikanischen Märkte, ist offensichtlich. Die Frage ist: Wo bleiben die Fans?

Super League – wo genau ist die Solidarität?

Die gesamte Kommunikation der Super League ist bislang ein Musterbeispiel für verfehltes Storytelling. Die Gründer sprechen von Solidarität, die in Zeiten von Corona mehr denn je wichtig sei. Klingt gut. Doch es werden keinerlei Konzepte präsentiert, wie die versprochene Solidarität aussehen soll.

Die Pläne für die Super League gibt es schon länger – mit der Corona Pandemie konnte keiner rechnen – aber die Solidaritätsbekundungen wirken wie ein Corona-Zusatz, der völlig ins Leere geht. Die Gründer der Super League inszenieren sich damit als die Retter des Fußballs – die natürlich etwas vom großen Kuchen abgeben. Dass sie dabei allerdings die größten Profiteure sind, stellen sie fast wie ein Martyrium dar.

Vermeintliche Gewinner der Super League

Zwei vermeintliche Gewinner der Pläne zur Super League sind die Deutsche Fußball Liga (DFL) und bisher auch die beiden deutschen Topclubs Borussia Dortmund sowie der FC Bayern München. Die DFL zeigt, sie führt die Bundesliga mit Bravour und den richtigen Regeln. Dortmund und Bayern gehören zu den am besten geführtesten Vereinen der Welt – die die Selbstaufgabe ihrer Marke (noch) nicht nötig haben. Die stetig zitierte Solidarität der DFL, zum Beispiel bei der Verteilung der TV-Prämien, manifestiert sich in der bisherigen Entscheidung der beiden deutschen Leuchttürme und Aushängemarken der Bundesliga.

Ob der BVB und der FC Bayern München** langfristig allerdings wirklich die Gewinner sein werden, ist zu bezweifeln. Die Clubs müssen sich entscheiden: Identität, Haltung und Werte und dafür die „echten“ Fans oder zum Kunstprodukt verkommen, dass Milliarden garantiert, aber nicht mehr viel mit Sport und dem eigenen Gründungsmythos zu tun hat.


Über den Autor: Colin Fernando ist bei Brand Trust Experte für Markenanalysen, strategische Optimierungen von Markenportfolios und Implementierungen von Markenstrategien – insbesondere für B-to-B- und Sportmarken. Fernando ist zudem lizenzierter Fußballtrainer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).


*Nach massiver Kritik aus ihren Fanszenen distanzierten sich alle sechs englischen Topclubs noch in der Nacht zu Mittwoch von ihren Super-League-Plänen.

**Der FC Bayern München machte am Dienstagnachmittag in einer Stellungnahme deutlich, eine Teilnahme an der Super League kategorisch auszuschließen.