Stationäre Händler lassen Online-Potenzial ungenutzt

Eine aktuelle Studie der internationalen Strategieberatung OC&C Strategy Consultants zum Multichannel-Handel zeigt, dass stationäre Einzelhändler mit Blick auf das Online-Geschäft weiterhin vor großen Herausforderungen stehen: Geringe Marktanteile, illoyale Kunden sowie ein mangelndes Verständnis der Kundenbedürfnisse im Multichannel erschweren den harten Wettbewerb mit den reinen Onlinehändlern.
Kleiner Einkaufswagen vor einem notebook

OC&C Strategy Consultants analysiert in einer aktuellen Studie die Multichannel-Aktivitäten deutscher Händler. Trotz eines wachsenden E-Commerce-Bereichs bestätigt die Studie, dass insbesondere stationäre Einzelhändler Probleme haben, ihren Marktanspruch aus dem traditionellen Geschäft auch Online umzusetzen.

„Die Bilanz der Multichannel-Aktivitäten stationärer Händler fällt sehr unterschiedlich aus. Obwohl einige Anbieter ordentliche Umsätze im Online-Bereich erwirtschaften, verlieren jedoch viele im Internetgeschäft gegenüber ihrer Online-Konkurrenz an Boden. Dies gilt vor allem für Multi-Marken-Händler. Insgesamt setzt der stationäre Handel falsche Prioritäten: Statt integrierter Serviceleistungen zählt für die Kunden beim Online-Shopping ein überzeugendes Warenangebot und die Möglichkeit, jederzeit einkaufen zu können. Vielen Händlern fehlt es noch an Verständnis für die Bedürfnisse des Multichannel-Kunden“, sagt Dr. Gregor Enderle, der für die Studie zuständige Partner bei OC&C.

Tatsächlich erzielen auch stationäre Händler mittlerweile im Internet gute Umsätze. Doch beim Vergleich mit den Zahlen sogenannter Pure-Players – also reinen Onlinehändlern – kommt rasch Ernüchterung auf. Im Bekleidungssegment stellt Zalando die Multichannel-Konkurrenz deutlich in den Schatten: Der geschätzte Online-Umsatz in Deutschland erreicht etwa 600 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2012, verglichen mit circa 265 Millionen Euro bei H&M, rund 260 Millionen Euro bei C&A und weniger als 50 Millionen Euro bei Karstadt. Dies spiegelt sich auch in den Marktanteilen wider. Insbesondere den Multimarken-Händlern gelingt es nicht, ihr Marktanteile im Offline-Geschäft auch ins Netz zu übertragen.

Mangelnde Kundenloyalität

In Summe gelingt es vielen Händlern nicht, die Konsumenten kanalübergreifend an sich zu binden. Der Anteil loyaler Kunden ist erstaunlich gering. Eine OC&C-Kundenbefragung von mehr als 2.300 Kunden zeigt, dass gerade einmal 0,1 Prozent der Konsumenten sowohl online als auch offline beim selben Händler kaufen. Dagegen greifen mehr als 50 Prozent der Kunden beim Onlineshopping ausschließlich auf andere Händler zurück. Neben diesen illoyalen Kunden gibt es noch die so genannten Kombinierer (49,6 Prozent). Sie kaufen Online sowohl bei altbewährten Händlern als auch bei Pure-Plays.

Der Blick auf einzelne Produktkategorien offenbart in puncto Loyalität gegenüber Händlern teilweise deutlich Unterschiede. Während loyale Kunden in allen Kategorien sehr rar sind (0,1 Prozent), schnellt die Illoyalität bei Warengruppen, die durch eine hohe Vergleichbarkeit der Produkte gekennzeichnet sind, sprunghaft in die Höhe. In der Baumarktbranche und in der Unterhaltungselektronik beispielsweise kaufen 74 Prozent beziehungsweise 54 Prozent online bei einem anderen Anbieter als offline. Im Heimtextilien- und Dekorationssegment dagegen liegt der Anteil bei nur 36 Prozent. Hier ist die Gruppe der Kombinierer mit rund 64 Prozent entsprechend ausgeprägt – diese Multichannel-Kunden kaufen immerhin einen Teil der Ware über den Online-Kanal ihres favorisierten Stationär-Händlers. Im Baumarktbereich machen die Kombinierer dagegen nur 26 Prozent aus.

Erfolg mit vertikalen Konzepten und Eigenmarken?

Da Multimarken-Händler als Anbieter von Fremdmarken im Internet in direkter Konkurrenz zu Pure-Plays stehen, tun sie sich beim Kundentransfer ins eigene Online-Angebot besonders schwer: Nur etwa zehn Prozent der Stationär-Kunden eines Multimarken-Händlers nutzen auch dessen Onlineshop. Deutlich besser sind die Perspektiven bei vertikalen Anbietern und Herstellermarken. Hier liegt der Anteil an Multichannel-Kunden bei etwa 25 Prozent. Einigen Händlern aus diesem Bereich gelingt es sogar, 40 Prozent der Kunden über beide Kanäle hinweg zu binden – gute Beispiele sind hier Tchibo und Esprit. Loyalität kann also dann gesteigert werden, wenn dank Eigenmarken Konkurrenz vermieden wird.

„Händler, die sich weiterhin darauf beschränken, ihre klassischen Leistungsversprechen aus dem stationären Format in den Online-Bereich zu übertragen, werden als Multichannel-Anbieter langfristig keinen Erfolg haben. Vielmehr geht es darum, das eigene Geschäftsmodell mit der Logik des Internets zu verknüpfen. Auf Basis eines kanalgerechten Leistungsversprechens und operativer Exzellenz geht es im Kern darum, die Marke auch im Netz als Anlaufstation für Kunden attraktiv zu machen und damit auf ein Traffic- und Umsatzniveau zu heben, welches das Geschäft im Internet dauerhaft wirtschaftlich attraktiv macht“, schließt Enderle mit einem Rat an die Handelsunternehmen.