Es war kein gutes Wochenende für die Formel 1. Im australischen Melbourne feierte der Rennzirkus die Premiere der neuen Saison. Von ursprünglich 20 angemeldeten Autos gingen nur 15 an den Start – die Zieleinfahrt schafften nur elf. Ein Grund: die noch unreife Technik in den neuen Autos. Damit präsentierte sich die für die Veranstalter profitabelste Motorshow der Welt in einer geradezu jämmerlichen Verfassung. Nicht nur, dass nicht mal ein Dutzend Boliden ins Ziel kamen: Die Rennwagen sind auch deutlich langsamer unterwegs als früher. So war der Trainingsschnellste Lewis Hamilton mit seinem Hybrid-Mercedes fast drei Sekunden langsamer als Sebastian Vettel 2011 mit seinem Red Bull Renault.
In der Formel 1 herrscht Langeweile
Seit Jahren versucht die Formel 1 ihren Shows durch Regeländerungen und neuen Rennstrecken neues Leben einzuhauchen. Doch der Rennsport scheint sich kaputtreformiert zu haben. An der Spitze des Feldes führen immer die gleichen Fahrer, Überholmanöver und spannende Zweikämpfe um Ränge gehören längst der Vergangenheit an, so die Kritik. Sport-Marketing-Experte Raphael Brinkert spricht in seiner Handelsblatt-Kolumne nur noch von der “Formel Fatal”. Die zunehmende Technik in den Autos sorgt für Komplexität und holt den Wettkampf von der Piste in die Boxengasse. In der Formel 1 herrscht “Langeweile”, wie Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo nach dem Rennen in Australien kritisiert hat. Weltmeister Sebastian Vettel nennt die Probleme “seltsam”. Die massiven Veränderungen in der Formel 1 haben ihre Identität zerstört, glaubt Brinkert. Wohl ein Grund, weshalb Red Bull derzeit mit dem Ausstieg droht. Zu wenig Action, zu wenig Freiheiten und Wettbewerbsverzerrung. Ein Umfeld, in dem sich der Extremsport-Sponsor nicht sieht, und das sich laut Red-Bull-Berater Helmut Marko offenbar auch nicht rentiert: “Wir sind unzufrieden damit, wie die Formel 1 regiert und geführt wird”.
Bei Red Bull hat man noch andere Vorwürfe auf Lager. Nach Überzeugung des Teams hat der Weltverband FIA Regeln gezielt mit der Absicht geändert, die jahrelang Dominanz des österreichischen Teams zu brechen. Von 2010 bis 2013 holte Top-Fahrer Sebastian Vettel vier Titel in Folge. Die neue Hybrid-Technologie begünstigt dagegen besonders das Team aus Stuttgart. In der vergangenen Saison hieß es deshalb bei der Frage, wer gewinnen wird: Mercedes oder Mercedes, entweder Hamilton oder Teamrivale Nico Rosberg. Ein Trend, an die Rennserie beim Auftaktrennen in Australien nahtlos anknüpfte. In dieser Saison droht die Formel Gähn.
Sender wollen sparen, RTL fährt Sendezeit runter
Für das Milliardengeschäft ist das eine Katastrophe. Die Zuschauerränge an den Rennstrecken werden lichter, und auch in deutschen Wohnzimmern ist der Hall von Motorengeräuschen verstummt. Einschaltquotentechnisch markierte die Saison 2014 einen Tiefpunkt. RTL fiel mit durchschnittlich 4,36 Mio. Zuschauern auf den schwächsten Wert seit 20 Jahren, auch der Pay-TV-Sender Sky landete wieder unter Vorjahreswerten. Das mag zum einen daran liegen, dass der Formel-1-Fan die Regeln seines Lieblingssports nicht mehr versteht. Ihm fehlen sicher aber auch starke Protagonisten in starken Rennställen und das damit einhergehende Vermarktungspotential für Veranstalter und Fernsehsender. Die Folge: weniger Geld für die Formel 1. Noch vergangenes Jahr spekulierte Sport Bild, RTL könnte sich vom Rennsport komplett abwenden. In dieser Woche meldet die WirtschaftsWoche, dass der Privatsender zukünftig nur noch zwischen 30 und 35 Millionen Euro für die Übertragungsrechte bezahlen will. Bisher kassierte die Formel 1 rund 50 Millionen Euro pro Saison. Auch Sky will laut WiWo sparen. Für Formel-1-Chef Bernie Ecclestone ist das noch das kleinere Übel. Denn ohne Präsenz im TV dürften Sponsoren und damit auch Rennställe ihr Interesse völlig verlieren.
Auch Rennen wackeln. Der Deutschland-Grand Prix wird aller Voraussicht nach in diesem Jahr ausfallen – trotz dreier deutscher Fahrer und eines im internationalen Vergleich immer noch hohen Stellenwerts der Formel 1. Die Ausrichter des Nürburgring-Rennens sind nicht in der Lage, die von Vermarkter Bernie Ecclestone geforderten Millionen aufzubringen, und auch am Hockenheimring zeigt man sich nicht geneigt, die Knebelverträge zu unterschreiben.
Der Sender RTL, in den vergangenen 25 Jahren treuer Partner des Rennsports, will nicht nur Ausgaben reduzieren, sondern hat sich auch schon programmtechnisch von der Formel 1 distanziert. McLaren, Ferarri, Red Bull und Co. bekommen weniger Sendezeit. Mit den Investments in die Übertragungsrechte für die Qualifitkationsspiele der Fußball-EM und -WM scheint man in Köln zudem eine neue Lieblingssportart gefunden zu haben. Die Formel 1 rast derweil davon – in Richtung Abgrund.