Sportsponsoring auf dem Prüfstand

Die Olympischen Winterspiele in China lassen die politische und gesellschaftliche Relevanz des Spitzensports gerade wieder deutlich zu Tage treten, wie schon die Fußball-EM und die Sommerspiele 2021 in Tokio. Daher ist es höchste Zeit, eine Neubestimmung für die Sponsoren vorzunehmen. Ein Gastbeitrag.
Menschenrechte, Corona-Einschränkungen und Überkommerzialisierung: Diese Themen rücken bei Sport-Großereignissen zunehmend in den Fokus. (© IOC)

Von Manfred Bruhn und Peter Rohlmann

Die ersten Formen des Sponsorings im Fußball waren Banden- und Trikotwerbung. Sie dienten als nützliche Zusatzfinanzierung für den beliebten Sport. Im Zuge der Professionalisierung wurden die Vermarktungsmöglichkeiten immer stärker intensiviert, was mittlerweile zu einer vielfach beklagten Überkommerzialisierung durch die Beteiligten und sportfremde Institutionen geführt hat.

Dieser Prozess der Politisierung und Instrumentalisierung ist nicht auf den Fußball als Sport-Großereignis beschränkt, wie die aktuellen Olympischen Winterspiele in China eindrucksvoll belegen. Doch schon im vergangenen Jahr haben die Fußball-EM und die Sommerolympiade 2021 in Tokio sich verstärkende Entwicklungen aufgezeigt: So ist beispielsweise ein zunehmender Einfluss sportfremder Investoren aus China, Russland und den Golfstaaten zu beobachten, die wirtschaftliche und kulturelle Interessen in Europa verfolgen. Ebenso versprechen sich autoritäre Staaten durch ihre Präsenz bei Sport-Events oder durch deren Austragung einen Imagegewinn. In Anbetracht ihrer Defizite beim Thema Menschenrechte und der Missachtung von demokratischen Grundprinzipien kommt ein solches Verhalten quasi einem „Sportswashing“ gleich.

Die folgenden Zahlen und Grafiken aus den IOC-Berichten zeigen die Entwicklung der Top-Sponsoren exemplarisch für die Olympischen Spiele:

Was sind die Lehren der Fußball-EM?

Ohne Zweifel stehen der Sport und vor allem der Fußball für Weltoffenheit, Toleranz, Antidiskriminierung und Gleichheit, dies wird immer wieder bekundet und gezeigt. Eine Instrumentalisierung des Sports setzt jedoch dort an, wo nicht mehr Sportinteressen im Mittelpunkt stehen, sondern der Sport für andere Ziele, Interessen und Ideologien von Einzelnen, Gruppen oder Organisationen missbraucht wird. Die Beeinflussung bezieht sich weniger auf Vereine, sondern vor allem auf Spitzenverbände, die Großveranstaltungen an autoritäre Staaten vergeben, weil dem Verband erhebliche finanzielle Mittel zufließen und die Länder von der Reputation der Sportturniere profitieren. Da kann es auch nicht verwundern, wenn die Verbände staatliche Institutionen von Teilnehmerländern bei der EM zu bestimmten Maßnahmen drängen, die anderen Interessen dienen. Beispiele dafür sind der Umgang mit den Regenbogenfarben auf Druck von Ungarn oder die von der UEFA durchgesetzte Lockerung von Corona-Regelungen in den Stadien. Einer Fremdsteuerung des Fußballs sind damit Tür und Tor geöffnet.

Die Gefahr besteht, dass diese Entwicklungen unter anderem bei der Fußball-WM 2022 in Katar an Schärfe und Brisanz zunehmen werden. Ein vorauseilender Gehorsam der Beteiligten gegenüber dem Gastgeberland ist zu erwarten, um die Geldströme nicht zu gefährden. Die Institution Fußball biedert sich offensichtlich den Fremdinteressen an, denn Geld ist die treibende Kraft dabei. Hinzu kommt ein sich verselbstständigendes Eigenleben von Funktionären großer Verbände, zum Beispiel Korruptionsempfänglichkeit, extreme Privilegien und Entfremdung von der Basis. Deshalb wird auch die Frage zu diskutieren sein, wo die Grenzen der Politisierung und Instrumentalisierung für das Sportsponsoring liegen.

Einen Einfluss der Politik auf den Sport gibt es bereits seit Jahrzehnten. Dies belegen die zahlreichen Olympia-Boykotte seit den 1960er-Jahren. Allerdings hat die Fremdsteuerung der Verbände (unter anderem IOC, FIFA, UEFA) aufgrund der verkrusteten Führungsstrukturen derart zugenommen, dass Ereignisse und Entscheidungen im Sport nicht mehr sachlich gesehen werden, sondern als das Ergebnis der Durchsetzung von Interessen. Es werden Signale, Botschaften und Ideologien vermittelt, die mit dem eigentlichen Sport nichts mehr beziehungsweise nur noch wenig zu tun haben. Damit ist zwangsläufig die Frage verbunden, welchen Einfluss diese Entwicklungen auf das Sportsponsoring haben werden.

Strukturveränderungen im Sportsponsoring

Die Gründung und Eigentümerschaft der meisten Fußballvereine geht auf private Personenzusammenschlüsse zurück, die den Fußballsport organisiert betreiben wollten. Erst mit dem Beginn des professionell betriebenen Fußballs und der Kommerzialisierung seit den 1980er-Jahren sorgten externe Geldgeber im europäischen Fußball für Schlagzeilen. Mäzene, strategische Partner und Investoren traten in den Ligen auf und übten einen erheblichen Einfluss aus. Mit ausländischen Finanziers sowie dem Aufbau kapitalgesteuerter Fußballimperien ist der Spitzenfußball vielfach zum Spielball für artfremde Interessen geworden („Footballwashing“).

Auch die Herkunft der Sponsoren hat sich erheblich verändert. So haben die Anteile der Sponsoren aus Asien und dem Mittleren Osten sowohl bei den Europa- als auch bei den Weltmeisterschaften seit Beginn des Jahrzehnts erheblich zugenommen, während der Europa-Anteil kontinuierlich gesunken ist.

Ein Blick auf die Sponsorenlandschaft großer Fußballturniere dokumentiert diesen Rollenwechsel im europäischen und weltweiten Fußball. Wenngleich die Standortvergabe solcher Turniere stets die Teilnahme nationaler Firmen als Sponsoren beflügelt, lassen sich unabhängig davon strukturelle Änderungen ableiten: Der Fußball als ursprünglich zentraleuropäische und später westliche Massensportart wird mehr und mehr zum Interessenfeld von Staaten und Firmen aus dem asiatischen und arabischen Raum. So liegt etwa für die WM 2022 in Katar der Anteil der FIFA-Großsponsoren aus Asien und dem Mittleren Osten bei 55 Prozent, der aus Europa nur noch bei neun Prozent.

Wo liegen die Risikopotenziale im Sportsponsoring?

Es ist unübersehbar, dass der Spitzensport einem erheblichen Strukturwandel der Politisierung, Instrumentalisierung und Veränderung der Eigentümer- und Sponsorenstruktur unterliegt. Auch ist abzusehen, dass sich diese Prozesse nachgelagert auf Länderebene fortsetzen werden. Damit ist nicht nur die Frage verbunden, wie politisch Verbände, Vereine, Sportler und Fans sein sollten, sondern auch die, welche Gefahren damit für die einzelnen Sponsoren und das Sportsponsoring insgesamt verbunden sind. Gefahren der gesellschaftlichen Akzeptanz, negative Schlagzeilen und ein negativer Imagetransfer sind zunehmend zu beobachten. Deshalb ist auch zu prüfen, ob und wie politisch sich Sponsoren zeigen möchten.

Sponsoren wollen mit positiven Geschichten um und mit dem Sport in Verbindung gebracht werden und eine gewisse Sponsoring-Rendite („Return on Sponsoring“) erreichen. Fans wollen faire Wettkämpfe verfolgen, ihre emotionale Verbindung zu ihren Idolen ausleben und dass ihr Beitrag zu einer besonderen Fußballkultur wertgeschätzt wird („love for engagement“).

Zahlreiche Fragen für das Sportsponsoring drängen sich auf:

  1. Werden die Sponsoring-Ziele durch die Politisierung und Instrumentalisierung verwässert oder sogar konterkariert?
  2. Welche Art von Marketing und Public Relations dürfen Sponsoren in einem (politisch/ideologisch) veränderten Sport-Business überhaupt noch einsetzen?
  3. Inwieweit lassen sich Fans durch die Politisierung instrumentalisieren beziehungsweise wo ist der Punkt, an dem sie ihrem Lieblingssport den Rücken kehren?
  4. Was sind die Folgen für ihre Teams, die eigene Sportaktivität sowie die Unterstützungsmaßnahmen als Fans? Was bedeutet es für die Sponsoren?
  5. Welche langfristigen Folgewirkungen hat es für Teams oder einzelne Sportler, wenn sie sich von der Politik oder von ideologischen Themen trotz allgemein guter Eigenreputation vereinnahmen lassen?
  6. Wie glaubwürdig bleiben Verbände/Funktionäre, die für hochrangige Events und individuelle Privilegien eigene Werte verkaufen?
  7. Inwieweit können/wollen Fans/Sponsoren verkrustete und/oder manipulierte Führungsstrukturen akzeptieren?
  8. Droht eine Polarisierung von Sportbegeisterten auf der einen Seite und jenen Institutionen auf der anderen Seite, die aus wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder ideologischen Gründen Partikularinteressen verfolgen?

Alle Fragestellungen betrachten das Sportsponsoring aus einem ganzheitlichen Blick, denn der Sport, die Vermarkter, Fans, Unternehmen, Agenturen und Medien sind gleichermaßen betroffen. Dies erfordert, dass ein Engagement von Sportsponsoren zunehmend auf den Prüfstand gestellt wird.

Neupositionierung des Sportsponsorings

Eine Überkommerzialisierung birgt die Gefahr, dass der sportliche Markenkern im Sponsoring verloren geht und damit auch die Akzeptanz bei den Zielgruppen. Sponsoring lebt vom positiven Imagetransfer, aber wenn das Sportimage leidet, ist auch ein negativer Imagetransfer auf Sponsoren möglich. Deshalb ist eine Neupositionierung des Sportsponsorings notwendig. Als erster Schritt wird es zukünftig notwendig sein, die ­Sponsorships noch klarer qualitativ und quantitativ zu begründen. Bisher war es ausreichend, beim Sportsponsoring auf die Produkt-, Zielgruppen- und Imageaffinität zu achten. Diese Begründungsmuster sind bei gesellschaftlich und politisch brisanten Sponsorships nicht mehr ausreichend. Vielmehr wird es erforderlich sein, die Verantwortung für das Umfeld der Sponsorships zu thematisieren, die Grenzen des Zumutbaren zu definieren und die Rolle als Verhandlungspartner bei Fehlentwicklungen zu stärken.

Es ist abzusehen, dass der Spitzensport für europäische und deutsche Unternehmen immer unattraktiver wird und mit kaum kalkulierbaren Risiken verbunden ist. Bei Verträgen mit nationalen und internationalen Verbänden wären zahlreiche Zusatzklauseln erforderlich, die potenziell negative Auswirkungen für den Sport und die Sponsoren einbeziehen. Bei einer zunehmenden Boulevardisierung des Sports und der Skandalisierung von Sportereignissen durch die klassischen Medien und Social Media wird dies jedoch nur begrenzt möglich sein.

Sponsoren werden also darauf achten müssen, sich Sportereignissen zuzuwenden, bei denen die Gefahr einer politischen Einflussnahme weniger besteht beziehungsweise kalkulierbar ist. Hier können sich Sponsoren auch als Partner der Gesponserten verstehen, um Vereine zu stärken und die Abhängigkeit vom Verband zu verringern. Dabei stehen Themen wie die Förderung einer Fankultur, die Nachwuchsförderung, Hilfestellung bei der Vereinsführung und die Unterstützung des Behindertensports im Vordergrund. So sieht etwa auch die Sponsorenvereinigung S20 einen Nachholbedarf bei Themen wie Governance, Klimaschutz, Inklusion und Frauenförderung im Sport.

In vielen Sportarten wird Sportsponsoring in der Bevölkerung weitgehend akzeptiert oder zumindest noch geduldet. Die positiven Bewertungen sind jedoch rückläufig. Die Gefahr von zunehmendem Widerstand ist für Sponsoren nur dann zu vermeiden, wenn eine Neubewertung ihrer Engagements vorgenommen wird. Dabei ist auch eine Hinwendung zum Breitensport, zu Fun- und Trendsport­arten sowie anderen Sportarten zu erwägen. Der aktiven Kommunikation der Sportsponsoren kommt bei den Sponsorships eine besondere Bedeutung zu. Es reicht nicht aus, dass die Kommunikation den Gesponserten überlassen wird und dabei die Medienwirkung nicht kontrollierbar ist. Vielmehr ist eine intensive Vernetzung im Kommunikations- und Marketingmix des Sponsors erforderlich, vor allem auch die vielfältige Nutzung von Social-Media-Kanälen. Durch eine stärkere Vernetzung können die Gefahren besser aufgefangen und positive Effekte verstärkt werden.

Was sind die Learnings?

Sportsponsoring weist in der bisherigen Form Sättigungserscheinungen auf. Das gilt besonders für beliebte Sportarten wie Fußball, aber auch für Golf, Tennis und Motorsport. Deshalb sind aus Sicht der Sponsoren Kreativität und ein besserer Umgang mit dem Umfeld von Sponsorships gefragt. Fünf

Empfehlungen:

  1. Verankerung der Nichtakzeptanz von politischen oder sonstigen Risiken in den Sponsoring-Leit­linien und in der Sponsoring-Strategie des Unternehmens. Dabei auch ein aktives Bekenntnis zur Förderung der genuin sportlichen Interessen.
  2. Sicherstellung der Glaubwürdigkeit des Sponsorings und aktive Kommunikation der Begründungsmuster für eingegangene Sponsorships.
  3. Aktives Risikomanagement beim Sponsoring durch eine systematische Risikoanalyse, Risikobewältigung und Risikokommunikation sowie die Erarbeitung von Krisenplänen.
  4. Neubewertung der Sponsoring-Engagements nicht nur nach monetären Kosten-Nutzen-Kalkülen, sondern ebenso nach qualitativen Kriterien.
  5. Keine Klumpenbildung bei den Sponsoring-Engagements, sondern ein ausgewogenes Sponsoring-Portfolio unter Risiko-Ertrags-Kriterien.

Im Fußball hat die Überkommerzialisierung bereits zu spürbaren Fehlentwicklungen geführt. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich diejenigen abwenden, die den Fußball erst groß und zur schönsten Nebensache der Welt gemacht haben – die Fans. Die Gefahr einer solchen Entfremdung wächst derzeit. Deshalb ist zu beachten, dass das ideale Verhältnis im Miteinander des Fußballs mit seinem Umfeld in einer ausgewogenen Balance besteht. Dies gilt vor allem bei einer klaren Positionierung der rein sportbezogenen Werte und Regeln.


(Quelle: privat)

Manfred Bruhn (links) ist Professor für Marketing und Unternehmensführung an der Universität Basel und Präsident des ­Verwaltungsrats der Strategie- und Marketingberatung Bruhn & Partner in Basel.

Peter Rohlmann ist Inhaber von PR Marketing, einer Beratungsagentur in strategischen Grundsatzfragen insbesondere im Sportbusiness in Rheine.