„Spiegel“ vor Einstieg bei der „FTD“

Der Medienkonzern Pearson verliert die Geduld mit der verlustreichen Wirtschaftszeitung „Financial Times Deutschland“. Wie das Handelsblatt berichtet, will das Londoner Verlagshaus seinen 50-Prozent-Anteil an den Hamburger „Spiegel“-Verlag verkaufen.

Gegen eine Mehrheitsübernahme wehrte sich der andere Eigner erfolgreich. Wie das Handelsblatt aus Unternehmenskreisen des „Spiegel“ und des Verlagshauses Gruner + Jahr in Hamburg erfuhr, soll die Transaktion in den nächsten Wochen über die Bühne gehen. Die Verträge sind offenbar unterschriftsreif. Die Mitarbeiter-KG des „Spiegel“ mit einem Anteil von rund 25 Prozent am Verlag muss aber noch zustimmen.

Eine offizielle Bestätigung für den Gesellschafterwechsel bei dem im Jahr 2 000 gegründete Wirtschaftsblatt gab es gestern nicht. Der Verlag Gruner + Jahr, der die Hälfte der Anteile bei der FTD hält, lehnte einen Kommentar ab. Der „Spiegel“ war für eine Stellungsnahme nicht zu erreichen. Pearson sagte auf Anfrage, dass man Marktspekulationen nicht kommentiere. Der Ausstieg von Pearson bei dem Hamburger Wirtschaftsblatt ist keine Überraschung. Die britische Mediengruppe hat sich zuletzt von der französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ getrennt. Zuvor verkaufte Pearson in Spanien seinen Anteil an der Wirtschaftszeitung „Expansíon“.

Großaktionäre fordern seit langem eine Trennung von der Financial-Times-Gruppe, da deren Gewinne im Vergleich zu den Fachinformationen klein ausfallen. Unternehmenschefin Marjorie Scardino lehnte das bislang ab. Der Kauf des Pearson-Anteils durch den „Spiegel“ ist kompliziert. Wie aus Verhandlungskreisen zu erfahren war, konnte sich der „Spiegel“ die Namensrechte der „Financial Times“ auf mehrere Jahre sichern. Für „Spiegel“-Geschäftsführer Mario Frank ist der bevorstehende Erwerb der 50 Prozent an der FTD ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den Hamburger Verlag zu diversifizieren. Zusammen mit dem „Manager Magazin“ wird das Standbein Wirtschaftspresse ausgebaut.

Beim „Spiegel“ verspricht man sich Synergien nicht nur in der redaktionellen Arbeit, sondern vor allem im Anzeigenverkauf. Offenbar strebte der „Spiegel“ sogar die unternehmerische Führung mit 51 Prozent der Anteile an. Doch darauf ließ sich Gruner nicht ein. Bis zuletzt hatte Gruner + Jahr den Verlust von Pearson als Co-Gesellschafter dementiert. Noch im Juli sagte noch Gruner-Vorstandschef Bernd Kundrun dem Handelsblatt zu einen möglichen Ausstieg von Pearson bei der FTD: „Wir gehen von einer Fortsetzung der guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Pearson aus.“

Beim Mutterkonzern Bertelsmann wurde die FTD seit jeher aufmerksam beobachtet. Europas größter Medienkonzern hält 75 Prozent der Anteile von Gruner + Jahr. Die jetzige Lösung mit dem „Spiegel“ ist ganz im Sinn von Bertelsmann-Chef Gunter Thielen, der auch Aufsichtsratsvorsitzender bei Gruner + Jahr ist. Durch den geplanten Einstieg des „Spiegels“ würde Bertelsmann indirekt die Kontrolle über die Wirtschaftszeitung übernehmen. Bertelsmann ist über seine Tochter Gruner + Jahr mit 25,5 Prozent am Spiegel-Verlag beteiligt. Auch der Gütersloher Medienkonzern wollte am Montag nicht Stellung nehmen.

Nach früheren Angaben aus Vorstandskreisen ist die FTD vor allem aus strategischen Gründen für den Konzern wertvoll. Einen großen Gewinnbeitrag erwarte sich angesichts der anhaltend schwierigen Anzeigenkonjunktur niemand. Die FTD soll nach den Vorgaben von Gruner-Chef Kundrun 2008 erstmals in ihrer Geschichte die Gewinnschwelle erreichen. Die Anlaufverluste liegen nach Informationen des Handelsblatt bei mehr als 50 Millionen Euro. Die FTD hatte im zweiten Halbjahr einen Auflage von 103 000 Exemplaren erzielt. Davon waren 58 000 Abonnements.

Zuletzt gab es immer wieder Marktspekulationen um einen Umbau der Wirtschaftspresse bei Gruner. Insbesondere das zweiwöchige Wirtschaftsmagazin „Capital“ steht unter Druck. Seit Monaten wird intern darüber diskutiert, ob eine Umstellung auf einen monatlichen Rhythmus mehr Markterfolg bringt. Beschlüsse über einen Umstellung sind offenbar nicht gefallen.

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