„Software-Update nichts anderes als eine weitere Schummelsoftware“: das Medien-Echo zum Diesel-Gipfel

Automobilindustrie und Politik haben die Ergebnisse des sogenannten Diesel-Gipfels am gestrigen Mittwoch als großen Erfolg verkündet und eine glänzende, emissionsfreie Zukunft vorhergesagt. Kritiker zeigen sich skeptisch und heben hervor, dass das Versprechen, fünf Millionen Diesel-Autos mit einer neuen Software auszustatten, kein Durchbruch ist. Zumal die Klüngelei zwischen Politik und Autobauer kein Ende zu nehmen scheint. Eine Presseschau.
Auto-CEOs im Fokus: Dieter Zetsche (v.l.n.r.), Harald Krüger und Matthias Müller.

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Die Kolumnisten der deutschen Medien sind sich einig: Der Diesel-Gipfel war eine Farce. Die Ergebnisse sind mau bis nicht nicht vorhanden, die Verantwortlichen suhlen sich in vorgetäuschter Demut und üben sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Am Ende bleibt alles beim Alten, die Verlierer des Gipfels sind die Verbraucher und die Umwelt. Scharfe Kritik üben Autoren vor allem an den engen Verflechtungen zwischen der Autoindustrie und der Politik. So berichten deutsche Medien über die inszenierte Kehrtwende.

Jakob Augstein hatte bereits im Vorfeld des Diesel-Gipfels in seiner Kolumne für Spiegel Online die Inszenierung Diesel-Gipfel kritisiert. Ihm zufolge seien große Teile der deutschen Autoindustrie per definitionem „der organisierten Kriminalität zuzurechnen“. Die Abgasbetrügereien bezeichnet der Freitag-Herausgeber als „planmäßige Begehung von Straftaten“ – unter dem Deckmantel der Politik. Augstein weiter: „Die Skandale der deutschen Autoindustrie sind das Versagen der deutschen Politik. Kein Wunder: Die Autoindustrie ist schon personell eine Außenstelle der Bundesregierung – vielleicht ist auch die Bundesregierung eine Außenstelle der Autoindustrie“.

Viele Kolumnisten heben die Verflechtungen zwischen Politik und der Automobilindustrie hervor. In Schaubildern zeigen mehrere Onlinemedien, welche personellen Wechsel es in den vergangenen zwanzig Jahren von der Politik in die Autobranche und umgekehrt gab.

Dazu Rainald Becker auf tagesschau.de: „Auch wenn Autohersteller und Politik im Moment vielleicht nicht mehr ganz so innig kuscheln wie früher, von der Bettkante schubst man sich deshalb noch lange nicht.“ Becker sieht den Diesel-Gipfel vor allem als Erfolg für die Autoindustrie. Die Bundesregierung habe „mal wieder keine klare Kante gezeigt“, um nicht auf die großzügigen Spenden der Autobauer im Wahljahr verzichten zu müssen. Becker zufolge wird sich nach der Wahl nur wenig ändern – Deutschland steuert damit „auf einen Gipfel der Frechheit“ zu.

Auf Zeit Online bezeichnet Petra Pinzel den Diesel-Gipfel als „peinliche Inszenierung“. Die Autobauer hätten „eine unzureichende Nachbesserung als Großzügigkeit“ verkündet, bei der am Ende höchstwahrscheinlich der Verbraucher auf einem Großteil der Kosten sitzen bleiben wird. Den verantwortlichen Politikern wirft Pinzel vor, sie lasse die Konzerne „mit völlig unzureichenden Maßnahmen davon kommen“ und verkünde diese dann wie Verkehrsminister Dobrindt „schmerzfrei“ als „Erfolg“, den er für die Verbraucher erkämpft hat.

Michael Hengstenberg kommentiert auf Spiegel Online, der Diesel-Gipfel mache deutlich, „dass die Politik als Kontrollorgan der Industrie versagt“ habe. Sowohl in der Vergangenheit als auch jetzt habe die Bundesregierung sich „an der Nase herum führen lassen“, hat sie doch großzügig über die kritischen Abgaswerte hinweg gesehen und die jetzt beschlossenen „Umrüstungen“ als Erfolg gefeiert. Die aus der Politik kommenden Reaktionen auf den Diesel-Gipfel zeigen laut Hengstenberg, dass die Hoffnung auf einkehrende Vernunft bei den Autobauern nach dem Gipfel dahin sind.

Bild-Kolumnist Peter Teide kommentiert schlicht „Gipfel der Feigeheit. Der Verlogenheit. Der Hasenfüßigkeit. Vor allem aber: der Gipfel der Heuchelei!“ Seine Kritik an den Politik-Industrie-Klüngeleien und den scheinheiligen Ergebnissen liest sich dementsprechend.

Süddeutsche Zeitung.de, Peter Fahrenholz: „Lange Jahre hat die Autoindustrie die Politik mit einer hochmütigen Herablassung betrachtet, und die Politik ihrerseits hat sich zum Erfüllungsgehilfen für die Interessen der Autobranche gemacht.“ Von den Ergebnissen des Rettungsgipfels ist Fahrenholz ebenfalls nicht überzeugt: „Zugespitzt gesagt, ist ein Software-Update nichts anderes als eine weitere Schummelsoftware, die eine Lösung vorgaukelt, die es nicht gibt. Denn ein Software-Update macht aus schmutzigen Autos keine sauberen, sondern nur weniger schmutzige.“

Hans-Jürgen Jakobs im Handelsblatt Morning-Briefing: „Ein Fall doppelter Kartellbildung bewegt Deutschland. Erst machten die drei großen Konzerne VW (inklusive Porsche und Audi) mit Daimler und BMW jahrelang heimlich in wichtigen Fragen gemeinsame Sache. Nun, nach dem Fünfer-Kartell, wirkt ein zweites Großkartell – das kollusive Zusammenspiel der Autoindustrie mit der Politik. Es erzielte auf dem gestrigen Dieselgipfel, dass der jahrelange Abgasbetrug im Wesentlichen mit kostengünstigen Software-Updates beantwortet wird – die jedoch nur rund 25 Prozent der Stickoxid-Emissionen reduzieren. Am alten Motor wird nicht mehr gebastelt. VW-Ingenieure sollten in die Zukunft schauen, sagt Konzernchef Matthias Müller. Das neue Doppelkartell hat das Wort „Vertrauen“ klein geschreddert wie auf einem Schrottplatz.“

Einigkeit besteht auch darüber, dass die Ergebnisse des Diesel-Gipfels keine Ergebnisse sind. Alle Autoren prophezeien, dass ein Fahrverbot für Diesel-Autos trotzdem wahrscheinlich bleibt.