Sie sollten kündigen! 

Ihr kreatives Talent wird gebraucht, aber nicht im Marketing. Ein Aufruf zu mehr Mut, Engagement und Aktivismus für den Klimaschutz.
Helena Marschall ist Klimaaktivistin bei Fridays for Future.

Ja, Sie haben die Überschrift richtig gelesen. Nein, das ist kein Witz. In Europa trocknen Flüsse aus, halb Brandenburg brennt und in Pakistan sind 30 Millionen (!) Menschen von einer Flutkatastrophe betroffen. Und das Blöde ist, es wird erstmal nicht ruhiger.  

Während die achteinhalb Krisen dieser Zeit auf uns hereinbrechen, ist nämlich eine entscheidende Frage die: Wie wollen Sie in solch krisenhaften Zeiten im Marketing arbeiten, ohne zu verzweifeln? Wie wär’s mit kündigen? Und das nicht, weil Marketing und die Menschen, die dort arbeiten, unwichtig sind, sondern im Gegenteil, weil es sie ernsthaft an anderer Stelle braucht. 

Aktivisten für Veränderung oder Zerstörung? 

Wir befinden uns in einem ganz schmalen Zeitfenster in der Menschheitsgeschichte. Die naturwissenschaftlichen Hintergründe der Klimakrise sind klar, alle technischen Lösungen sind da und wenn wir uns jetzt richtig beeilen, könnten wir gerade so noch die Kurve kriegen. Aktivist*innen sind wir in diesem Zeitfenster alle, entweder für Veränderung oder für den zerstörerischen Status quo. Werbeagenturen sind voll von innovativen, kreativen Menschen, die ihre Fähigkeiten entweder in den Diensten von Firmen für höhere Gewinnmargen einsetzen können – oder eben woanders. 

Keine Angst, Sie müssen sich nicht mit Superkleber an den Händen auf die Straße kleben (wenn Sie das nicht wollen). Transformation erfordert aber, dass man sich traut, die Dinge wirklich von Grund auf neu zu denken. Beispiel Mobilitätswende: Wir können natürlich einfach alle Verbrenner durch E-Autos ersetzen. Wenn das mit den Klimazielen im Verkehrssektor etwas werden soll, braucht es aber vor allem weniger Autos.  

Analog können die Ideen und Fähigkeiten in der Werbeindustrie dafür genutzt werden, mehr recycelte oder “grüne” Produkte zu bewerben und zu verkaufen. Oder vielleicht braucht es in Zeiten, in denen die gesamte Masse der von Menschen produzierten Güter schwerer als alle Biomasse auf der Erde ist, nicht noch mehr Dinge. 

Richtige Klimamaßnahmen in der falschen Geschwindigkeit 

Einst waren vielleicht die Klimaleugner die gefährlichste Kraft gegen den Klimaschutz. Heute sind es vielmehr die Verzögerer, die ablenken und den erforderlichen Fortschritt bremsen – auch unbewusst. Richtige Klimamaßnahmen in der falschen Geschwindigkeit sind falsche Maßnahmen. Verzögerer findet man überall, auch in der Werbe- und Marketingindustrie. Sie verbreiten die Illusion, wir könnten uns aus der Klimakrise herauskaufen, wenn wir nur die richtigen klimafreundlichen Produkte wählen. 

Dort findet sich aber auch eine einzigartige Ansammlung von Menschen, die es dringend auf der Seite des Wandels braucht. Die größte Hürde für viele Menschen ist zu erkennen, wie viel Gestaltungsmacht sie in dieser Welt haben. Deswegen in aller Klarheit: Kreativität ist nicht neutral und die Welt braucht sie – halt nicht in Werbeagenturen, sondern in der Klimabewegung. 

Helena Marschall ist Klimaaktivistin bei Fridays for Future. In ihrer Kolumne nimmt sie Unternehmen und Marken in die Pflicht, ihrer Verantwortung für das Klima und den Planeten nachzukommen.