RWE, Eon, Innogy – und jetzt?

Die EU-Wettbewerbshüter haben dem Stromkonzern Eon die Übernahme von Teilen der RWE-Tochter Innogy unter Auflagen erlaubt. Damit kann eines der größten Tauschgeschäfte in der deutschen Energiewirtschaft starten. Das hat Folgen für Konkurrenten und Verbraucher.
Eon und RWE
Eon-Chef Teyssen und RWE-CEO Schmitz (r.): Rivalen wollen sich nicht mehr in die Quere kommen. (© Imago)

Die EU-Wettbewerbshüter haben den umstrittenen Stromdeal der deutschen Marktführer RWE und Eon unter Auflagen erlaubt. Er führe nicht zu weniger Auswahl und höheren Preisen, teilte die Brüsseler Behörde am Dienstag mit.

Innogy wird zerschlagen

Die beiden Essener Konzerne werden die RWE-Tochter Innogy zerschlagen und ihre Geschäftsfelder komplett neu aufteilen. Dies wird laut Eon-Chef Johannes Teyssen nun zügig geschehen. Eon soll die Netze und das Endkundengeschäft von Innogy erhalten, RWE die erneuerbaren Energien von Innogy und Eon.

Der Großteil der mehr als 40.000 Innogy-Mitarbeiter wird zu Eon wechseln. Dabei sollen bis zu 5000 Stellen aus beiden Unternehmen ohne betriebsbedingte Kündigungen abgebaut werden. Darüber hatte Eon-Chef Teyssen mit den Gewerkschaften eine Vereinbarung getroffen. Der Abbau werde vor allem dort erfolgen, wo Eon und Innogy große Überschneidungen hätten, sagte Teyssen. Dies sei besonders an drei Standorten der Fall: „München, Dortmund und Essen werden sicherlich eine gewisse Betroffenheit haben.“ Das neue Unternehmen wird den Namen Eon behalten. Innogy war erst vor drei Jahren von der Konzernmutter RWE an die Börse gebracht worden.

Hintergrund des Deals ist, dass die langjährigen Rivalen sich nicht mehr in die Quere kommen wollen. RWE wird zum Produzenten und Großhändler von Strom. Eon, künftig ohne eigene Kraftwerke, will sich auf den Transport und Verkauf von Strom, Gas und Energiedienstleistungen an Haushalte und Unternehmen konzentrieren.

Eon größter Stromversorger Deutschlands

Eon wird mit der Innogy-Übernahme zum mit weitem Abstand größten Stromversorger in Deutschland. Zusammen mit den bisherigen Innogy-Kunden kommt der Energiekonzern künftig auf rund 14 Millionen Kunden. In Europa wird Eon sogar rund 50 Millionen Kunden mit Strom und Gas beliefern.

RWE, wegen seiner Braunkohlekraftwerke in der Kritik, wird durch den Deal mit Eon zu einem führenden Anbieter von erneuerbaren Energien. Jedes Jahr will der Konzern künftig kräftig in die erneuerbaren Energien investieren. In Deutschland wird der Anteil von RWE an der Ökostrom-Erzeugung aber vorerst nur gering ausfallen. Von den rund 100 Gigawatt erneuerbarer Energien in Deutschland verfügt RWE eigenen Angaben zufolge nur über ein Gigawatt.

Verbraucherschutz: EU-Auflagen sorgen für Kritik

Die Übernahme wurde von der EU-Wettbewerbsbehörde unter Auflagen erteilt. Dazu gehört, dass Eon unter anderem 34 Ladestationen für Elektroautos an deutschen Autobahnen sowie das Tschechien-Geschäft abgeben muss. Die Ladestationen sollen künftig von einem Drittanbieter betrieben werden. Zudem muss Eon die Verträge mit den meisten seiner Heizstromkunden in Deutschland abgeben.

Daran gibt es allerdings Kritik. „Die Auflagen sind zu weich – dass Eon keine ihrer zwei Discounter-Töchter verkaufen und auch keine Beteiligung an Stadtwerken oder Regionalanbietern aufgeben muss, überrascht“, sagte Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf. Gemachte Auflagen wie zum Beispiel der Verkauf von 34 Ladestationen seien hingegen kaum spürbar für den Konzern.

Der Zusammenschluss der beiden größten deutschen Energiekonzerne, Eon und RWE, sei „eine weitere Zäsur für den deutschen Energiemarkt“, teilte der Ökostromanbieter Lichtblick mit. „Wettbewerb und Innovation werden auf der Strecke bleiben – Verbraucher und der Industriestandort Deutschland insgesamt die Zeche zahlen müssen“, sagte Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking. So eine Machtkonzentration habe es im deutschen Energiemarkt noch nie gegeben.

Nachfolgend eine „dpa“-Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Antworten zum Deal zwischen Eon und RWE von Claus Haffert, Wolf von Dewitz und Alkimos Sartoros:

Was wollen Eon und RWE mit der Zerschlagung von Innogy erreichen?

Das alte Geschäftsmodell der Energieriesen, das von der Erzeugung in Großkraftwerken über den Transport bis zum Verkauf in Gebietsmonopolen reichte, ist durch die Liberalisierung des Strommarkts und die Energiewende zusammengebrochen. Eon hatte deshalb zunächst seine Kohle- und Gaskraftwerke abgestoßen, RWE gliederte seine erneuerbaren Energien, die Netze und das Endkundengeschäft in die Tochter Innogy aus. Beide Maßnahmen reichten aber nicht, um die schwankenden Riesen dauerhaft zu stabilisieren. Eon will sich deshalb auf den Transport von Strom und Gas sowie den Verkauf von Energie und Dienstleistungen konzentrieren. RWE soll schrittweise vom Braunkohleverstromer zum Ökostrom-Anbieter werden.

Haben die Stromkunden künftig weniger Auswahl?

Die Experten von Verivox, die rund 130 Vertriebsmarken von Eon und Innogy in ihrer Datenbank zählen, erwarten das nicht. Mit der Fusion von Eon und Innogy entstehe zwar einer der größten Energieversorger Europas, „aber wir sehen den Wettbewerb dadurch nicht gefährdet“, sagt Leo Lützenkirchen, Bereichsleiter Energie des Vergleichsportals. Die Verbraucher könnten heute pro Postleitzahl aus durchschnittlich 160 Stromanbietern wählen, vor zehn Jahren seien es nur 66 gewesen.

Was sagen Verbraucherschützer?

Ob die Innogy-Übernahme „für die Privatkunden ein Nachteil wird, liegt vor allem an den Kunden selbst“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW. „Sie müssen in Zukunft noch intensiver ihre Tarife beobachten und von Wechselmöglichkeiten Gebrauch machen.“ Bei der Wechselbereitschaft gibt es aber noch viel Luft nach oben. Ein gutes Viertel der Haushaltskunden hat laut Bundesnetzagentur noch einen relativ teuren Vertrag in der Grundversorgung.

Kann die Fusion zu höheren Strompreisen führen?

Das ist nicht genau einzuschätzen. Nach Zahlen der Bundesnetzagentur bleibt ein gutes Fünftel des Strompreises von rund 30 Cent pro Kilowattstunde bei den Stromversorgern für Beschaffung, Vertrieb und Marge. Mehr als die Hälfte des Strompreises entfallen demnach auf staatliche Steuern, Abgaben und Umlagen. Etwa ein Viertel des Endpreises machen die Nutzungsentgelte für die Stromnetze aus. Über deren Höhe wacht die Bundesnetzagentur. Sie hatte im vergangenen Jahr die staatlich garantierten Renditen gekürzt und dafür die Rückendeckung des Bundesgerichtshofs erhalten.

Was befürchten Konkurrenten von Eon?

Mehrere Stadtwerke kritisieren, dass sich Eon mit der Innogy-Übernahme gewaltige Startvorteile in der Energiewelt der Zukunft verschaffen könne. Etwa bei der Elektromobilität sowie Smarthome-Anwendungen könne Eon zu einer Art Amazon für Energieprodukte werden und Konkurrenten auf die Rolle von Kunden der eigenen Plattform reduzieren. Andere, wie der Ökostromanbieter Lichtblick, kritisieren, Eon bekomme Zugriff auf viele Millionen demnächst digitalisierte Stromzähler. Diese Kundendaten seien das „künftige Gold der Energiebranche“. Verbraucherschützer Sieverding rechnet damit, dass die Stadtwerke stark unter Druck geraten werden.

Was sagt Eon zu diesen Vorwürfen?

Eon-Chef Teyssen hat wiederholt versichert, der Wettbewerb sei „in Deutschland in keiner Weise gefährdet“. Es werde weiterhin einen scharfen Preiskampf der Anbieter geben. Nach der Integration von Innogy könne Eon „allen Kunden schon bald verbesserte Leistungen und Produkte aus einer Hand anbieten“.

Wie geht es weiter?

In der Nacht zu Donnerstag geht das Innogy-Aktienpaket (77 Prozent) von RWE an Eon über, wenige Tage später werden die Essener auch bei Anteilsscheinen anderer Aktionäre Vollzug melden, hinzu kommen noch eigene, bereits gekaufte Aktien. Insgesamt dürfte Eon wohl bis Ende dieser Woche 90 Prozent am Grundkapital von Innogy halten. Bleiben zehn Prozent, die das Eon-Kaufangebot bisher nicht angenommen haben. Sie sollen im „Squeeze-Out“ gegen Geld herausgedrängt werden, im Sommer 2020 könnte die Firma Innogy damit endgültig Geschichte sein.

he/dpa