Ruzicka Prozess wird am Montag fortgesetzt

Am Montag wird der Prozess gegen den ehemaligen CEO von Aegis Media, Aleksander Ruzicka, fortgesetzt. Mit ihm muss sich David Linn, ehemaliger Managing Direktor im Einkauf von Aegis Media, seit 15. Januar vor dem Landgericht Wiesbaden wegen des Vorwurfes der schweren Untreue verantworten.

Die Ermittler werfen ihnen vor, 51,2 Millionen Euro zum Nachteil von Aegis Media veruntreut zu haben. Nachdem der Prozess durch eine fünfwöchige Sommerpause unterbrochen war, verspricht gleich der erste Prozesstag neue Erkenntnisse. Aegis Media CEO Central and Eastern Europe und Ruzickas Nachfolger Andreas Bölte wird vor Gericht als Zeuge aussagen.

Wie Polizeioberkommissarin und Zeugin Silke T. vor der Prozesspause eher beiläufig auf Nachfrage bestätigt hatte, waren es Andreas Bölte, sein Vorgänger als Finanzchef bei Aegis Media Hans-Hennig Ihlefeld und Rechtsanwalt Johann-Christoph Gaedertz die die Ermittlungen gegen ihren damaligen Chef Aleksander Ruzicka in Gang gebracht hatten. Am 5.Juli 2005 reichten sie eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden ein.

Im Stile eines vermeintlich anonymen Whistleblowers schilderten sie, wie Ruzicka mittels eines Netzwerkes aus Scheinfirmen Erlöse aus agenturbezogenen Freispotkontingenten in die eigene Tasche stecken und damit einen ausschweifenden Lebenswandel finanzieren würde. Es folgte mindestens ein konspiratives Gespräch mit der Staatsanwaltschaft im März 2006. Dennoch wurde danach eine weitere Strafanzeige anonym verfasst. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden wusste offensichtlich zu jedem Zeitpunkt, wer als „Anonymus“ die Vorwürfe erhob.

Dennoch ließen Ermittler und Aegis Media Aleksander Ruzicka bis zum September 2006 gewähren. Unter der Aufsicht des Leiters des Controllings CFO Andreas Bölte flossen allein von Juli 2005 bis September 2006 insgesamt 30 Millionen Euro aufgrund vermeintlicher Scheinrechnungen ohne ersichtlichen Rechtsgrund. So formuliert es die Anklage.

Ruzickas Nachfolger Andreas Bölte wird erklären müssen, was er von den angeblich illegalen Geldflüssen wusste, warum er diese nicht in Absprache mit dem Londoner Aegis Headquarter aussetzte und Aleksander Ruzicka nicht umgehend suspendiert wurde – wie dies bei ähnlichen Verdachtsmomenten bei Führungspersonal in börsennotierten Aktiengesellschaften üblich ist. Denn die Verdachtsmomente waren sehr konkret und die Vorwürfe schwer.

Nach den Hausdurchsuchungen nahm Andreas Bölte im September 2006 Ruzickas Posten ein. Vor zwei Wochen wurde Bölte in das Global Executive Board von Aegis Media befördert. Von Jerry Buhlmann, der nach dem plötzlichen Abgang von Mainardo de Nardis seit Juni Global CEO der Mediaagentur ist. Zwischen Buhlmann und Ruzicka soll es bereits im Jahr 2005 zu einem Machtkampf um diese Position gekommen sein.

Auch Jerry Buhlmann wurde neben Andreas Bölte bereits am 23. Januar von Ruzickas Verteidigung in einem Beweisantrag als Zeuge benannt. Andreas Bölte ist bereits zum zweiten Male geladen. Im Februar hatte er sich entschuldigen lassen, da er den sehr kurzfristig angesetzten Termin nicht wahrnehmen konnte.

Bisher kommt das Verfahren nicht richtig von der Stelle. Während insbesondere eine Zeugin die Angeklagten Ruzicka und Linn schwer belastete, sagten andere Zeugen aus Mediaeinkauf und Buchhaltung von Aegis Media aus, dass beispielsweise die Abläufe um die Barterfirma Emerson FF Flurgespräch gewesen seien.

Weitere Zeugen der Mediaagentur sagten aus, dass beim Umgang mit Freispotkontingenten und den dazugehörenden Zahlungsflüssen Transparenz herrsche. Sämtliche Verträge und Rechnungen stünden unter der Aufsicht des Controllings, das von Andreas Bölte geführt werde. Dies trifft auch auf Verträge mit den Kunden zu. Alle bisher geladenen Kundenvertreter bestätigten jedenfalls, dass sie von Aegis Media vertragskonform betreut wurden.

Die vom Gericht gehörten Vertreter der TV-Werbezeitenvermarkter IP und SevenOne Media schilderten das Handling mit Freispotkontingenten. Die Mediaagentur könne mit Naturalrabatten tun und lassen was sie wolle. Sie würden zwischen kundenbezogenen und agenturbezogenen Freispotkontingenten trennen, obwohl eine klare Trennung oft sehr schwierig sei. Die Anklage geht zudem davon aus, dass „Freespace der Agentur Aegis Media zuzuordnen ist“ und Aegis Media mit diesen Freispots „100 Prozent Gewinn hätte machen müssen.“

Zuletzt gestaltete sich das Verfahren durch das Verlesen des Handelsregisters, von Kontoauszügen, Rechnungen und Vertragsteilen sehr zäh. Aber noch immer plant die 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden nicht die Klärung der Kernfragen: warum und wofür flossen 51,2 Millionen Euro zu Firmen wie Camaco oder Watson? Warum bezahlt Aegis Media Rechnungen in Höhe von 51,2 Millionen Euro im Wissen, dass es sich um Scheinrechnungen ohne ersichtlichen Rechtsgrund handelt?

Noch immer ist auch die Frage offen was mit dem Geld gemacht wurde. Hat beispielsweise Ruzickas mutmaßliche Scheinfirma Watson die Firmenevents von Aegis Media auftragsgemäß organisiert und bezahlt – auf denen sich Aegis-Manager mit Kunden und Gästen aus Politik, Medien und Wirtschaft amüsierten?

Bereits zu Prozessbeginn teilten die Verteidiger dem Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk mit, dass die Angeklagten umfassend aussagen und zur Wahrheitsfindung beitragen wollen. Wie das Gericht informierte, haben beide Angeklagten jederzeit die Möglichkeit sich zu den Vorwürfen und zur Beweisaufnahme zu äußern. Wenn sie dies signalisieren würden sie zu Wort kommen. Inzwischen möchte das Gericht nach der ausführlichen Beleuchtung der Vorgänge rund um die Barterfirma Emerson FF, den zweiten Teil der Anklage erörtern.

Dies betrifft die Geldflüsse von Aegis Media zur Wiesbadener Werbeagentur Zoffel Hoff und Partner und zurück zu Ruzickas Scheinfirmen, so die Anklage. Hierzu sind die beiden ehemaligen ZHP Geschäftsführer Reinhard Zoffel und Volker Hoff bereits geladen. Besondere Brisanz kommt der Aussage von Volker Hoff zu. Hoff ist Europaminister der CDU im Hessischen Landtag. An jeweils zwei Tagen pro Woche wird der Prozess bis mindestens Ende September fortgesetzt.

Noch im August werden erneut verschiedene Beamte des Polizeikommissariats Westhessen vor Gericht aussagen. Sie sollen zur Ermittlungsarbeit und den Hausdurchsuchungen vernommen werden. Aber auch sie werden die Hintergründe der Geldflüsse wenig erhellen können. Was bei Prozessbeobachtern auf Verwunderung stößt: es gilt das Beschleunigungsgebot in Haftsachen.

Inzwischen muss das Oberlandesgericht Frankfurt erneut über eine eingebrachte Haftbeschwerde entscheiden. Aleksander Ruzicka sitzt in Kürze bereits 22 Monate in Untersuchungshaft. Das gebotene Maß der Beschleunigung wächst mit der Dauer der U-Haft. Wann die Beweisaufnahme abgeschlossen sein wird und ein Urteil fällt, ist noch immer völlig offen. mz