Ruzicka-Prozess – eine Kronzeugin belastet die Angeklagten schwer

Die Kronzeugin der Anklage Manuela R., bis Ende 2006 Media-Einkäuferin bei Aegis Media, belastet die Angeklagten Aleksander Ruzicka und David Linn schwer. Am Dienstag ging es um den Umgang mit Freispots und den Verdacht auf Absprache und Einflussnahme.

Nach fast dreiwöchiger Unterbrechung wurde am Dienstag der Prozess gegen die Angeklagten Aleksander Ruzicka und David Linn fortgesetzt. Zunächst schilderte eine Mitarbeiterin von Carat Wiesbaden den Umgang mit Freispots, insbesondere für den Carat-Kunden ZHP. Für die ZHP Werbeagentur seien große Teile der Kampagnen aus agenturbezogenen Freispots realisiert worden. Zwischen ZHP und Carat sei eine Aufteilung der außertariflichen Vorteile im Verhältnis von 80:20 zugunsten ZHP vereinbart gewesen. Den hohen Anteil von eingesetztem Freespace beim Kunden ZHP erklärte die Carat-Mitarbeiterin damit, dass dies mehr Sinn gemacht habe als bei größeren Kunden. Bei diesen sei ein für Carat deutlich ungünstigeres Verhältnis bei der Aufteilung der außertariflichen Vorteile vereinbart gewesen.

Am letzten Prozesstag wurde bereits ein Auszug aus dem Vertrag zwischen Carat und dem Werbekunden Griesson de Beukelaer verlesen. Hier hatte der Kunde 95 Prozent der außertariflichen Vorteile für sich beansprucht. Aleksander Ruzicka selbst sei für den Kunden ZHP verantwortlich gewesen. Auf Kundenseite hätte es Kontakt zu Reinhard Zoffel gegeben. Im Zusammenhang mit der Südtirol Marketing Gesellschaft sei auch der damalige ZHP Co-Geschäftsführer und heutige CDU-Minister Volker Hoff involviert gewesen, so die Zeugin. Eher beiläufig wurde bekannt, dass die Zeugen von Aegis Media auf Betreiben des Unternehmens von Firmenanwalt Eckart C. Hild im Zeugenstand begleitet werden.

Da die beschuldigten Geschäftsführer der vermeintlichen Schein- und Tarnfirmen Watson und Camaco von Ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen, wurde stattdessen die Kriminaloberkommissarin vernommen, die die Ermittlungen geführt hat. So habe die Geschäftsführerin der Camaco diese als ganz normale Firma betrachtet. Sie habe gewusst, dass das Unternehmen Aleksander Ruzicka, David Linn, Claudia Jackson und Heinrich Kernebeck gehörte. Der Geschäftsführer der Watson Communication war der Auffassung, dass der Geschäftszweck dieses Unternehmens der Aufbau einer Safari-Lodge in Südafrika gewesen sei. Von Dienstleistungen im Media-Bereich will er ebenso wenig gewusst haben, wie von den Einnahmequellen der angeblichen Tarnfirma Watson.

Am Mittwoch trumpfte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden mit der als Kronzeugin der Anklage eingestuften Manuela R. auf. Bis zuletzt wurde spekuliert ob sie überhaupt zu Gericht kommt. Noch am 31.Januar 2008 hatte sie die Aussage verweigert. Nun belastete sie die Angeklagten schwer. Manuela R. war bis Ende 2006 gemeinsam mit Claudia Jackson im Media-Einkauf von Aegis Media tätig. Sie sagte aus, dass ihr bei den Geschäften mit Emerson FF im Jahr 2003 Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien. Demnach bereits kurz nachdem die Firma Emerson FF gegründet wurde.

So hätte Aegis Media von Emerson FF Freispotkontingente gekauft, obwohl Emerson FF gar nicht über diese Kontingente verfügen konnte, so die Zeugin. Ihr sei als ehemalige Mitarbeiterin des TV-Werbezeitenvermarkters IP Deutschland sofort klar gewesen, dass da etwas nicht stimmen könne. Der Angeklagte David Linn soll ihr gesagt haben, dass mit den Geldflüssen Erlöse der deutschen Aegis-Gruppe an die Konzernleitung nach London transferiert werden. Zudem sei Manuela R. darüber verwundert gewesen, dass bei einem jährlichen Budget von drei Millionen Euro bei der Werbeagentur ZHP Kampagnen für 2,7 Millionen Euro aus agenturbezogenen Freispotkontingenten realisiert wurden.

Eine spätere Nachfrage bei der zweiten ehemaligen Leiterin des Media-Einkaufs von Aegis Media Claudia Jackson, soll diese in Aufregung und Panik versetzt haben. Claudia Jackson habe eingeräumt, dass Gelder zweckentfremdet und in private Taschen umgeleitet werden würden. Von diesem System würde der Angeklagte Ruzicka profitieren. Es habe ein Gespräch zwischen Jackson und Ruzicka gegeben. Danach seien Manuela R. „Sonderzahlungen“ zugesagt worden. Sie hätte sich aus Angst um ihren Arbeitsplatz darauf eingelassen.

Auch auf den Umstand, dass sie nur deshalb die Firma Transportland Media gründen sollte, damit sie über deren Konten zwei Jahre nach ihrem Anfangsverdacht Geld erhalten kann: 127 000 Euro im Juli 2005 und weitere 300 000 Euro im Juli 2006. Manuela R. sagte zum Verbleib der Summen, dass sie das Geld schnell ausgegeben habe – wofür, könne sie nicht mehr sagen. Beide „Sonderzahlungen“ sollen nach dem Zeitpunkt der „anonymen“ Anzeige von Aegis Media vom 5. Juli 2005 erfolgt sein. Am 13.Februar 2008 hatten zwei Zeuginnen aus der Buchhaltung von Aegis Media ausgesagt, dass verschiedene Rechnungsarten und Vorgänge mit Emerson FF in der Agentur bekannt und „Flurgespräch“ gewesen sein sollen.

Die Verteidigung der Angeklagten äußerte in Erklärungen den Verdacht, dass die Aussage der Zeugin inhaltlich mit der Staatsanwaltschaft abgesprochen sein soll. Sogar im Gerichtssaal soll es zwischen dem Rechtsanwalt der Zeugin und Staatsanwalt Jördens entsprechenden Kontakt gegeben haben. Nach der ersten Aussage von Manuela R. im April 2007 soll es nach Auffassung der Verteidiger einen Deal gegeben haben: eine milde Strafe und keinen Haftbefehl gegen diese Aussage. Die Staatsanwaltschaft bestreitet dies.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Jürgen Bonk räumte die Kronzeugin der Anklage jedoch ein, dass sie seit Montag dieser Woche Kenntnis eines Strafbefehls gegen sich habe. Wegen Beihilfe zur Untreue soll sie im vereinfachten Verfahren zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10 000 Euro verurteilt werden. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden Hartmut Ferse bestätigte, dass man diesen Antrag beim Amtsgericht Wiesbaden stellen wolle, und dass es gegen Manuela R. keinen Haftbefehl gegeben hat. Die Zeugin muss sich am 13.März 2008 den Fragen der Verteidigung stellen und erneut vor Gericht erscheinen. -cth