Retailmarketing: Warum Live-Kommunikation als Werbemedium wichtiger wird

Unternehmen, die ihren Marketingmix ausschließlich nach Akquisekosten und Reichweite optimieren, werden künftig das Nachsehen haben, sagt Marlon Braumann, Gründer von store2be. Wer sich von anderen Marken abheben will, muss auch offline Erlebnisse schaffen.

Gastbeitrag von Marlon Braumann, Gründer und Geschäftsführer von store2be

Kommunikationsforscher gehen davon aus, dass ein Konsument in Deutschland zwischen 5 000 und 10 000 Werbebotschaften pro Tag verarbeiten muss. Es ist kein Wunder, dass sich bei dieser Vielzahl an Werbeimpulsen und einer zunehmenden Fülle an sonstigen „Ablenkungsquellen“ wie Tablets oder Smartphones die Werbe-Aufmerksamkeitsspanne von Endkonsumenten verringert. Nicht zuletzt aufgrund dieser Herausforderung, die primär die klassischen Werbeformate trifft, tendierten viele Marketingentscheider dazu, über Jahre zunehmend in Online-Werbeformate zu investieren.

Live-Kommunikation erzeugt intensivere Markenerlebnisse

Online-Werbung ist jedoch kein Allheilmittel, um Konsumenten zu erreichen und nachhaltig von der eigenen Marke zu begeistern. Die Zahl an Nutzern so genannter Adblocker wächst rasant und Online-Marketer sprechen bereits von einer „Banner Blindness“: Vor allem die Generation der Digital Natives zu, also den Menschen, die von Kind auf mit dem Internet aufwuchsen, nehmen herkömmliche Online-Werbung kaum noch wahr – außer vielleicht als Störung.

Die zunehmend negativen Reaktionen auf traditionelle Werbeformate lassen sich in erster Linie auf ein neues Konsumentenverhalten zurückführen. Gerade in einer Welt, die in vielen Bereichen immer digitaler wird, sehnen sich Konsumenten nach wirklichen Markenerlebnissen und dem persönlichen Dialog mit Unternehmen. Ein Beispiel für erfolgreiches Marketing, welches das Markenerlebnis in den Vordergrund stellt, liefert das amerikanische Schlafunternehmen Casper mit seiner NapTour. Um den Matratzenkauf zu einer emotionalen Kundenangelegenheit zu machen, tourte das Unternehmen mit einem eigenen Napmobil durch Nordamerika. Studien wie der Trend Report des Event Marketing Institutes zeigen, dass 93 Prozent aller befragten Konsumenten Marketingformen wie Live-Kommunikation und Markenevents effektiver erleben als Werbeformate wie TV, Print, Online-Banner oder Radio. 74 Prozent aller Studienteilnehmer gaben an, die Maßnahmen hätten ein besseres Markenbild bei ihnen hervorgerufen.

NapTour Aufbau

Mit dem „Napmobil“ wollte der Matratzenhersteller seine Produkte direkt zu seinen Kunden bringen.                                 Foto: store2be

 

Kundenloyalität statt Reichweite und TKP

Dieses neue Konsumentenverhalten hat auch Auswirkungen auf den Marketing Mix. Marken müssen näher an ihre Konsumenten und auch in der Offline-Welt eigene „Image Touchpoints“ kreieren, mit denen sie Konsumenten die dringend benötigten Erlebnisse liefern können. Jürgen Seitz, Professor für Marketing, Medien und Digitale Wirtschaft der HdM Stuttgart, beschreibt diesen Trend als „Engagement-Marketing“, wobei gerade das Offline-Engagement mit direktem Kundenkontakt zunehmend in den Vordergrund rückt. Dieser Schritt vom reinen Performance- und Reichweiten-Marketing hin zu Erlebnis-Marketing setzt voraus, dass der Blick auf die Kundenbeziehung langfristiger ausgerichtet wird. Was zählt, sind nicht kurzfristige Metriken wie der Tausend-Kontakt-Preis oder die durchschnittlichen Customer Acquisition Cost (CAC). Wichtiger ist die Metrik des Customer Lifetime Value (CLV), die sich in erster Linie durch loyale Konsumenten und echte Fans der eigenen Marke treiben lässt. Auch die Reichweite reicht als Metrik nicht aus, um den Wert eines Kanals zu bestimmen. Neben der Reichweite ist zunehmend die Intensität des Kontaktes der entscheidende Werttreiber eines Marketingkanals – gerade hier punktet Live-Kommunikation.

PETS DELI in der Rindermarkthalle St. Pauli. Foto: Store2be

Gute Live-Kommunikation ist messbar

Natürlich sollte Live-Kommunikation nie als alleinstehender Marketingkanal genutzt werden. Vielmehr ist die angemessene Einbettung in den Marketing-Mix erfolgsentscheidend. Es gilt, die richtige Balance zwischen klassischen Kanälen mit hoher Reichweite aber geringer Kontaktintensität (zum Beispiel TV- oder Plakat-Werbung) sowie Live-Kommunikation mit geringerer Reichweite aber sehr hoher Kontaktintensität zu finden. Ove Jensen, Professor für Vertrieb und B2B Marketing der WHU Vallendar betont an dieser Stelle die Wichtigkeit der Integration der unterschiedlichen Kanäle: „Omnichannel ist nicht die Ansammlung mehrerer isolierter Kanäle, sondern deren Vernetzung. Der heilige Gral ist es, wenn Live Kommunikation und kurzfristige physische Customer Touchpoints mit Onlinekanälen verzahnt werden können.“

Damit der Kanal Live-Kommunikation zu einem einfach buchbaren Medium wird, muss er alle Voraussetzungen eines Marketingkanals erfüllen. Einerseits muss er skalierbar sein – das heißt, als Entscheider müssen Sie die Möglichkeit haben, sich nur noch um die konzeptionelle Ausgestaltung Ihrer Kampagne kümmern zu dürfen. Andererseits muss Live-Kommunikation messbar und anhand von Zahlen bewertbar sein. Metriken wie die Summe erreichter Personen, die Zahl an Kundenkontakten und die durchschnittliche Verweildauer von Konsumenten an Ihrem Stand sind entscheidend, um den Erfolg einer Kampagne zu bewerten. Die Königsdisziplin ist die Verzahnung von Live-Kommunikation mit anderen Marketingkanälen wie zum Beispiel Online-Werbung. In Zukunft müssen Konsumenten, die Offline von Ihrer Marke begeistert wurden, im Nachgang auch Online wieder angesprochen (Stichwort: Retargeting) werden können.

Dr. Marlon BraumannÜber den Autor: Marlon Braumann ist einer der Gründer und Geschäftsführer von store2be, eine Buchungsplattform für mobile Verkaufsstände auf Aktions- und Promotionsflächen beispielsweise in Einkaufszentren. Neben einer Art Suchfunktion für Promotionsflächen kümmert sich das Unternehmen bei Bedarf auch um Standbau, Logistik und Personal.