Preissensible Verbraucher in Europa

Die Stimmung der europäischen Verbraucher wird derzeit vor allem von der steigenden Inflation sowie der hohen Staatsverschuldung bestimmt. Dies ist eines der Ergebnisse der neu eingeführten Konsumklima-Studie für Europa der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die erstmals einen Überblick über die Entwicklung von Konjunktur-, Preis- und Einkommenserwartung sowie der Anschaffungsneigung der Verbraucher in zehn europäischen Staaten gibt. Die betrachteten Länder Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen, Rumänien, Spanien und die Tschechische Republik umfassen rund 80 Prozent der Bevölkerung der 27 EU-Staaten.

Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sind der GfK-Untersuchung zufolge in den Ländern der Europäischen Union (EU) derzeit noch in sehr unterschiedlichem Maße zu spüren: Während sich Deutschland im vergangenen Jahr völlig von der Entwicklung der anderen europäischen Länder abkoppelte, leiden vor allem Spanien, Großbritannien sowie die meisten osteuropäischen Länder noch stark unter den Folgen der schwersten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg. Das beherrschende Thema in Europa sei derzeit die Inflation. Anziehende Verbraucherpreise sowie hohe Kosten für Benzin und Rohöl belasteten das Portemonnaie der europäischen Verbraucher. In Großbritannien beispielsweise sei die Inflation von 3,3 Prozent im November letzten Jahres auf 4,4 Prozent im Februar 2011 gestiegen, aktuell sei sie allerdings wieder leicht auf vier Prozent abgefallen.

Das zweite große Problem stelle die hohe Staatsverschuldung in den Ländern dar. Auf der einen Seite hätten vor allem die großen europäischen Länder hohe Summen in den Europäischen Rettungsfonds einzahlen müssen, auf der anderen Seite hätten alle nationalen Regierungen viel Geld zur Stabilisierung beziehungsweise Stimulierung der Wirtschaft zur Verfügung gestellt. Die höchste Staatsverschuldung in der EU habe derzeit Italien mit 118,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In den betrachteten Ländern gingen lediglich die Deutschen und Österreicher davon aus, dass die Konjunktur auch weiterhin deutlich wachsen wird. Der Indikator zeige in Österreich im März 38,2 Punkte, in Deutschland sogar 49,5 Punkte, hier sei er seit Dezember wieder um etwa 15 Punkte gefallen. In Spanien, Rumänien und Österreich habe der Indikator an Wert zulegen können, in der Tschechischen Republik und Bulgarien sei er gesunken. Rumänien scheine sich derzeit auf sehr niedrigem Niveau (minus 37 Punkte) zu stabilisieren.

In Großbritannien hatte der private Konsum, der zu einem beträchtlichen Teil über Kredite finanziert wurde, den GfK-Angaben zufolge immer einen sehr hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Durch die Wirtschaftskrise hätten sowohl die Verbraucher als auch viele Unternehmen ihre Kredite nicht mehr bezahlen können, was sich auf die gesamte Wirtschaft auswirkte und zu Konkursen und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führte. Die Bürger befürchteten derzeit, durch die Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand in die nächste Rezession abzugleiten. Die eine Seite der britischen Bevölkerung erkenne die Notwendigkeit eines radikalen Sparkurses der Regierung, die andere Seite favorisiere eine Politik, die die Wirtschaft durch öffentliche Gelder stimulieren möchte. Diese Diskussion über den richtigen Weg aus der Rezession zeige sich auch in der Bewertung der Konjunkturentwicklung. Im vergangenen Jahr und noch einmal im ersten Quartal dieses Jahres sei die Konjunkturerwartung drastisch zurückgegangen und stehe derzeit bei minus 29,9 Punkten. Auch in der Tschechischen Republik befürchteten die Bürger, dass durch die geplanten Sparpläne der Regierung und durch Steuererhöhungen die langsam wieder anziehende Konjunktur erneut geschwächt werde und die Arbeitslosigkeit weiter steige. Die Konjunkturerwartung sei folglich seit Jahresbeginn eingebrochen und liege bei minus 29,6 Punkten.

Die Preiserwartungen haben im März in allen von der GfK betrachteten Ländern der Europäischen Union zugenommen. Einzige Ausnahme sei Bulgarien. Einen besonders starken Anstieg hätten Frankreich, Italien und Rumänien zu verzeichnen. In Frankreich seien die Preiserwartungen der Verbraucher im März auf den höchsten Wert seit rund 20 Jahren gestiegen. Seit Mitte 2009 erwarteten auch die Italiener steigende Preise. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise seien sie sehr viel preissensibler geworden. Im Vergleich zu anderen Ländern sei die Inflation in Italien mit gegenwärtig zwei Prozent jedoch noch gemäßigt. Die Rumänen hätten Mitte 2010 eine Mehrwertsteuererhöhung um fünf Prozentpunkte verkraften müssen und befürchteten aktuell weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen. Die rumänische Regierung stehe nach wie vor unter starkem internationalem Druck, ihr Staatsdefizit zu reduzieren, da sie Finanzhilfen vom Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank sowie der EU erhalten hat. Hinzu komme eine Inflation von derzeit rund sechs Prozent.

Auch auf die Einkommenserwartung wirkten sich die steigenden Inflationsängste der europäischen Verbraucher aus, der Indikator sinke derzeit auf breiter Front. In Deutschland stabilisiere sich die Einkommenserwartung jedoch auf sehr hohem Niveau. Frankreich verzeichne den schlechtesten Wert der betrachteten EU-Länder – trotz enormer staatlicher Konjunkturprogramme. Die Staatsverschuldung liege in Frankreich inzwischen bei 84 Prozent des BIP, nach 68 Prozent im Jahr 2008. Für dieses Jahr habe es sich die französische Regierung zur Hauptaufgabe gemacht, die Neuverschuldung zu senken. Dementsprechend befürchteten die Verbraucher weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen, die sich direkt auf ihr verfügbares Einkommen und damit ihren Lebensstandard auswirken werden.

Korrespondierend zur Einkommenserwartung sinkt den GfK-Erhebungen zufolge auch die Anschaffungsneigung europaweit. Lediglich in der Tschechischen Republik, Österreich und Italien könne der Indikator aktuell an Wert zulegen. Rumänien habe sich von seinem Absturz im vergangenen Jahr leicht erholt und stabilisiere sich derzeit – allerdings auf sehr niedrigem Niveau. In der Tschechischen Republik steige die Anschaffungsneigung entgegen den sonstigen Entwicklungen. Die Wirtschaftskrise sei bei den tschechischen Verbrauchern erst verspätet Ende 2009 angekommen, dann aber deutlich spürbar. Die Tschechen hätten ihr Einkaufsverhalten grundlegend geändert – von einem eher von Spontanität und den aktuellen Bedürfnissen geleiteten Konsum hin zu wohl durchdachten Einkäufen, bei denen mehr auf Qualität geachtet würde. In Polen sei die Anschaffungsneigung wieder kontinuierlich angestiegen, die Wirtschaftsdaten des Landes seien gut. Experten prognostizierten in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent. In Spanien seien die öffentlichen Ausgaben drastisch reduziert und die Mehrwertsteuer um zwei Prozent angehoben worden. Hinzu komme eine hohe Arbeitslosigkeit. Dementsprechend versuchten die spanischen Verbraucher, nur die nötigsten Anschaffungen zu tätigen und die hohe Sparquote stabil zu halten. Auch die immer wiederkehrenden Diskussionen, ob Spanien doch noch die Finanzhilfen des EU-Rettungsschirms in Anspruch nehmen muss, verunsicherten die Konsumenten und dämpften ihre Anschaffungsneigung.

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