„Pitchhonorierung ist auch eine Frage der Business-Kultur“

An seine Erhebungen zum Frühjahrsmonitor 2011 knüpfte der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) erstmals eine Sonderbefragung zum Thema Pitchberatungen. Wie absatzwirtschaft-Online berichtete, ist nur die Hälfte der im GWA organisierten Agenturen überzeugt, dass auch sie von diesen Beratungen profitieren. Fast alle Befragten haben die Neutralität der Pitchberater angezweifelt. John Sealey arbeitet an dieser Schnittstelle zwischen Werbung treibenden Unternehmen und Agenturen. Im Interview wertet der erfahrene Agenturvermittler die GWA-Umfrage an sich als positives Signal und betont die Wichtigkeit von Transparenz und Objektivität. Auch die steigende Zahl der Anbieter werde den Beruf des Pitchberaters weiter aufwerten.

In der GWA-Mitgliederbefragung zeigte sich, dass die Agenturen zwar davon ausgehen, dass Pitchberatungen wichtiger werden, dass sie aber nicht der Meinung sind, dass die Transparenz im Werbemarkt dadurch erhöht wird. Was tun Sie, um hier erfolgreiche Geschäftsbeziehungen zu fördern?

JOHN SEALEY: Konkret unterstütze ich werbetreibende Unternehmen dabei, die größtmögliche Leistung aus ihren Marketing-Ressourcen zu holen. Als neutraler Sparring-Partner des Unternehmens bringe ich die Entscheidungsträger aus den verschiedenen Abteilungen und der Geschäftsführung auf einen gemeinsamen Nenner. Das ist wichtig, damit sich am Anfang eines Pitchverfahrens alle Interessenvertreter innerhalb des Unternehmens auf einen gemeinsamen Anforderungskatalog für die zukünftige Agentur einigen. Während des Pitchverfahrens müssen die Prozesse transparent gehalten sein. Ein professionelles Briefing sowie der Vergleich von Referenzen und nicht zuletzt zahlreiche Gespräche schaffen die Basis dafür. Nur so sind ein objektives Screening und die Wahl der optimalen Kommunikationsagentur überhaupt möglich. Ich fördere den Austausch zwischen Unternehmen und Agenturen, indem ich meine Best-Practice-Kenntnisse weitergebe. Davon profitieren alle. Auch deswegen gebe ich Workshops sowohl im Auftrag des Markenverbands als auch im Auftrag des GWA.

Warum nehmen immer mehr Unternehmen die Dienste von Agenturvermittlern in Anspruch und wie entwickelt sich dieser Markt in Deutschland?

SEALEY: Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie bei der Agenturauswahl viel Zeit, Geld und Ärger sparen können, wenn ein Pitchberater im Boot ist. Medien- und Agenturlandschaft werden immer komplexer, für alles gibt es Spezialisten und jede Marke hat individuelle Anforderungen. Während Unternehmen häufig die „üblichen Verdächtigen“ der Agenturszene im Fokus haben, eröffnen Pitchberater neue Perspektiven und können das Unternehmen und die zu bewältigenden Marketingaufgaben als Außenstehende objektiv beurteilen. Auch wenn bisher nur zehn Prozent der Pitches mit Consultants durchgeführt werden, zeigen die Zunahme der Anbieter und die verstärkte Nachfrage von Unternehmen deutlich, dass Pitchberatung stärker gewünscht wird als noch vor einigen Jahren. In den USA und England wird eine Mehrzahl an Pitches von Pitchberatern begleitet. Diese Entwicklung sehe ich auch für Deutschland.

Können Sie den Wunsch der Agenturen nach mehr Transparenz in Auswahlprozessen nachvollziehen? Inwieweit ist Kritik in diesem Punkt berechtigt?

SEALEY: Gern wird einer zum Sündenbock gemacht für Dinge, die in der Branche generell als störend empfunden werden. Tatsächlich stehen schlechte, zeitraubende Briefings und lückenhafte Beschreibungen des Scope of Work leider noch immer auf der Tagesordnung. Nicht selten lassen werbetreibende Unternehmen unzählige Agenturen zum Pitch honorarfrei antreten, um sich am Ende doch für das günstigste Angebot oder die Stamm-Agentur zu entscheiden. Das verschwendet Ressourcen und die Ergebnisse des Pitches bleiben dennoch oft mager. Die langfristige Gesundheit der Marke kann darunter leiden. Das lässt sich vermeiden.

Welche Qualitätsansprüche formulieren Sie für Ihre vermittelnden Tätigkeiten und für Pitches?

SEALEY: Insiderwissen darüber, wie Marketing, Kommunikation und Werbung funktionieren und Erfahrungen auf beiden Seiten sind sicherlich elementar für den Job. Ebenso halte ich es mit Transparenz, Objektivität und Unabhängigkeit. Die Favorisierung von gewissen Kommunikationsagenturen oder unstrukturierte und sich ständig ändernde Pitch-Prozesse sind absolute „No Go’s“. Von großer Bedeutung sind ferner Soft Skills: Glaubwürdigkeit, Vertrauen aller Beteiligten, Empathie, Überzeugungskraft und auch Mut, unangenehme Dinge anzusprechen. Außerdem ist es wichtig, die richtige Chemie zwischen Unternehmen und Agentur zu finden.

Wie lauten positive Rückmeldungen, die Sie von Agenturen erhalten, die sich an professionell begleiteten Pitches beteiligt haben?

SEALEY: Auch die Verlierer haben sich bei mir dafür bedankt, dass der Pitch professionell und mit Fairplay durchgeführt worden ist. Manche haben mich sogar an befreundete Marketing-Chefs empfohlen, die selbst einen Pitch in Erwägung ziehen, egal, ob sie dann später im Pitch dabei sind oder nicht. Ich finde, das spricht für sich.

Agenturen setzen erhebliche personelle und weitere Ressourcen ein, um in einem Auswahlverfahren zu überzeugen. Sind Sie der Meinung, dass dieses Engagement generell honoriert werden muss? Und können dadurch die Investitionen der Agenturen tatsächlich gedeckt werden?

SEALEY: Tatsächlich ist ein Pitch mit einem erheblichen Aufwand für die jeweilige Agentur verbunden – bei größeren Pitches reden wir schon über Summen jenseits der 150 000 Euro! Wollen Unternehmen langfristig die am besten geeignete Agentur finden und nicht nur den günstigsten Anbieter und 08/15-Lösungen vorgesetzt bekommen, sollten sie schon bereit sein, ein Honorar zu vereinbaren. Meist deckt das die Vorleistungen der Agenturen nicht annähernd ab, ist aber zumindest eine teilweise Aufwandsentschädigung und ein Zeichen für die Seriosität und die Ernsthaftigkeit der Pitchanfrage. Unsere Erfahrung aus anderen Ländern zeigt allerdings, dass bei Präsentationen, bei denen keine Pitchhonorare gezahlt wurden, die Honorierung tatsächlich langfristig keine Auswirkungen auf die Kreativ-Leistung oder die Zusammenarbeit mit der Agentur hatte. Es ist also auch eine Frage der vorherrschenden Business-Kultur. In Deutschland gehört es dazu, Pitchhonorare zu zahlen.

Sind Sie in erster Linie Makler und Moderator zwischen Unternehmen und Agenturen, oder handeln Sie für Werbungtreibende auch die Verträge mit den Agenturen aus?

SEALEY: Ich betrachte meine Tätigkeit als eine Art Partnervermittler und Eheberater. Beratungen über faire moderne Vergütungsmodalitäten und Vertragsverhandlungen gehören durchaus zu dem Kompetenzbereich dazu. Etwa ein Drittel unserer Tätigkeit befasst sich mit Pitchberatung. Ansonsten sorgen wir durch Monitoring, Evaluierung, Mediation & Skills-Entwicklung (zum Beispiel Fach Skills wie „Best Practice Briefing“ oder Soft Skills wie „Krisensituationen bewältigen“) dafür, dass auch im Alltag die Zusammenarbeit zwischen werbetreibenden Unternehmen und ihren Agenturen die Betriebstemperatur erreicht und da bleibt. Denn nach dem Pitch kommt der Alltag, und das ist eine noch größere Herausforderung, eine dauerhaft gute Zusammenarbeit hinzubekommen.

John Sealey ist als Partner des Beratungsunternehmens „The Observatory International“ für die Region EMEA (European, Middle East, Africa) verantwortlich. Zuvor arbeitete er im Marketing unter anderem bei Burmah Castrol und war Geschäftsführer der Scholz & Friends International GmbH.

Die Fragen stellte Astrid Schäckermann.

www.observatoryltd.de