Ohne eine gelebte Kultur haben es Marken schwer 

Um auf dem Markt bestehen zu können, sollten sich die Marken der Zukunft eine “Connected Culture” zu eigen machen. Was das ist und wieso sich Patou Nuytemans, EMEA-CEO bei Ogilvy, dafür einsetzt.
3_2_Vorlage
Es geht nicht nur um das, was der Kunde am Ende als Ergebnis sieht. Es geht um das große Ganze. (© Unsplash)

„Geben Sie mir einen Moment“, sagt Patou Nuytemans zum Anfang des Gesprächs. Sie muss ihren Computer ans Stromnetz anschließen, wohl wissend, dass die Unterhaltung länger dauern wird als die vereinbarte Stunde. Schließlich geht es um ein Thema, für das die EMEA-CEO von Ogilvy leidenschaftlich kämpft: “Connected Culture”. Sie spricht vom “Glück”, das sie habe, dabei etwas durch ihre Position bewirken zu können. Wobei sie mit “ihrer Position” nicht allein ihre Stellung in einer der erfolgreichsten Kreativagenturen weltweit meint. Nuytemans glaubt fest daran, dass auch ihr Alter und ihre daraus gewonnenen Erfahrungen ein Teil davon sind, sowohl intern als auch extern etwas bewirken zu können.  

„Es ist ein Vorteil, etwas älter zu sein und die Dinge aus einer Perspektive betrachten zu können, aus der heraus man beurteilen kann, was in der Vergangenheit funktioniert hat und was nicht“, so ihre Überzeugung. Wobei sie sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst ist. Schließlich könne „Connected Culture“ oder wie es in den deutschsprachigen Niederlassungen der Kreativschmiede genannt wird „Kreativität und Kultur“ niemandem einfach übergestülpt werden. Das Team müsse davon überzeugt sein, müsse es leben. „Ich sehe mich in meiner Position als Dirigent eines Orchesters“, sagt sie. 

Nur dass das Orchester eben nicht aus Musiker*innen, sondern aus den Mitarbeiter*innen ihrer Agentur besteht. „Ich konzentriere mich also auf den Menschen als Individuum, auf das Team und auf die Kultur. Es geht darum, das Beste aus den Menschen herauszuholen“, sagt sie. Für Nuytemans hat das auch etwas mit Empathie zu tun, aber nicht nur. Vielmehr gehöre dazu auch die Überzeugung, dass alle Mitglieder dieses Orchesters ihre Stärken ausleben können und müssen.  

Schlagworte wie Female Empowerment oder Diversity würden in diesem Zusammenhang vielfach falsch interpretiert. Natürlich gehört die Stärkung der Frauen ihrer Überzeugung nach unbedingt dazu, ebenso wie Unterstützung der unterschiedlichen Kulturen. „Unsere Kultur basiert auf Vielfalt und dem Glauben, dass unsere Stärke aus unserer Vielfalt kommt. Das kann nicht funktionieren, wenn wir Frauen, und übrigens auch alle anderen Minderheiten in unserer Organisation, nicht stärken“, sagt Nuytemans. Für sie bedeutet das vor allem, sich in die Lage der Menschen versetzen zu können, ihre Bedürfnisse und Gedanken zu verstehen, und die mit sich selbst, den eigenen Herausforderungen und Schwachstellen in Verbindung zu bringen. „Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass man ihnen zuhört, schafft man einen Raum des Vertrauens, in dem sie dann bereit sind zuzuhören, im Team zu arbeiten und voranzukommen“, sagt sie. 

Dove und AB InBev als Positivbeispiele 

Diese Überzeugung vertritt sie auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit ihren Kunden. Denn die würden – eine weitere ihrer festen Überzeugungen – kaum eine Zukunft haben, wenn sie Kreation und Unternehmenskultur nicht in Einklang bringen. Für Nuytemans ist das die eigentliche Definition von Kreativität. Es geht nicht nur um das, was der Kunde am Ende als Ergebnis sieht. Es geht um das große Ganze.  

Als ein positives Beispiel nennt sie die Großbrauerei Anheuser-Busch InBev (AB InBev), die in den letzten Jahren eine enorme Transformation rund um das Thema Kreativität durchlaufen hat. Der Konzern gründete eine Akademie, führte Schulungen durch, schuf einen Rat, der sich mit Ideen befasst und erstellte eine Kreativitätsskala, um zu prüfen, ob es eine übliche oder eine bahnbrechende Idee ist. Das alles zusammen hat AB InBev nicht nur im letzten und in diesem Jahr den Titel „Werber des Jahres“ in Cannes beschert, sondern auch den bisher höchsten Umsatz in der Unternehmensgeschichte eingebracht.  

Hier stehen Kreation, Kultur und Unternehmenserfolg also in einem direkten Zusammenhang. In Südafrika zum Beispiel haben die Marke Carling Black Label von AB InBev und Ogilvy South Africa ein Bewusstsein für geschlechtsspezifische Gewalt geschaffen. Die #NoExcuse-Kampagne hat die Verbraucher*innen dazu gebracht, ihre Unterstützung zuzusichern, mit überzeugenden Arbeiten wie jüngst „Bride Armour“. 

Als weiteres Paradebeispiel nennt die Agenturverantwortliche Dove. Die Hautpflegemarke wird in diesem Zusammenhang oft zitiert, widmet sie sich doch schon seit über 20 Jahren erfolgreich dem Thema „Selbstwertgefühl“. Auch hier gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Kreation, Kultur und Unternehmenserfolg: Als Dove vor zwei Jahrzehnten das Thema auf seine Agenda setzte, hatte die Mare einen Wert von rund einer Milliarde Dollar. Heute wird der mit 7,3 Milliarden Dollar beziffert. Gleichzeitig hat Dove in dieser Zeit das Selbstwertgefühl vieler Frauen auf der ganzen Welt gestärkt. Nuytemans selbst nutzt laut eigener Aussage die Werbebotschaften dafür, mit ihrer elfjährigen Tochter über das Thema zu sprechen.  

Vertrauen ist zerbrechliche Währung 

Am Ende geht es für die Unternehmen natürlich ums Geschäftsergebnis. Dennoch hat das Zusammenspiel von Kreation und Kultur langfristig gesehen auch eine Auswirkung auf die Menschen und den Planeten. Dennoch zeigen die Beispiele eindrücklich, vor welcher Herausforderung Marken heute und in Zukunft stehen. Es geht längst nicht mehr darum, Buzz-Themen zu bespielen. Eintagsfliegen werden abgestraft. Marken müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Wobei für Nuytemans am Anfang steht, sich darüber bewusst zu werden, wer man ist, wohin man als Marke will und wie der Weg zum Ziel aussehen soll. „Es geht um die kleinen Dinge, um kurzfristige Dinge, die einen sofortigen Wandel signalisieren können, aber auch um langfristige Verpflichtungen zu grundlegenden Veränderungen“, sagt sie. 

„Wenn Sie für Ihre Marke einen Zweck schaffen, der zu dem passt, was Ihre Marke ausmacht, und zu dem, was Ihren Verbrauchern wichtig ist, dann ist das keine Eintagsfliege“, richtet sich die Agenturmanagerin direkt an die Unternehmen. Die müssten sich im Übrigen darüber im Klaren sein, dass es eine Reise ist, das, woran man glaubt, zum Leben zu erwecken und den Verbraucher*innen glaubhaft zu vermitteln.  

Die Konsument*innen seien heute skeptischer denn je und sie hätten gute Gründe dafür. Die Welt habe ihnen in der Vergangenheit nicht viele Gründe gegeben zu vertrauen. Vertrauen sei eine zerbrechliche Währung, aber durch Beständigkeit und Engagement könnten Marken die Meinung der Verbraucher*innen wirklich ändern. „Man muss beides kombinieren: verstehen, wo man steht, wo man hin muss, wie man sofortige Veränderungen signalisieren und gleichzeitig das Engagement für langfristige Veränderungen demonstrieren kann. Das ist gelebte Kultur und ein solches Unternehmen auf dem richtigen Weg in eine erfolgreiche Zukunft.“