„Oft zeigen Mittelständler in Nischenmärkten, wo es langgeht“

Der Salon VAD in Lille (France) entwickelt sich zu einem weltweit großen Treffen der E-Commerce-, Direktmarketing- und Versandhandelsbranche. Gerade ging der Salon VAD 2007 zu Ende. absatzwirtschaft online sprach mit Jean-Pierre Debourse, President VAD show und President M.O.V.E. (Mail Order Valley in Europe), über das Event und die Branche.

Mr. Debourse, gerade ging der Salon VAD im Grand Palais in Lille, zu Ende. Mit über 250 Ausstellern und 10 000 Besuchern zählt das internationale Treffen der E-Commerce-, Direktmarketing- und Versandhandelsbranche europaweit zur größten Veranstaltung der Branche. Was nehmen Sie als Veranstalter dieses Jahr an Eindrücken mit? Was waren für Sie die Highlights?

Jean-Pierre Debourse: Wir sind mit dem diesjährigen Salon VAD mehr als zufrieden. Zum einen konnten wir 15 Prozent mehr Ausstellerfläche im Vergleich zum Vorjahr vermieten. Gleichzeitig buchten sieben Prozent mehr Aussteller. Insgesamt konnten wir einen Besucherzuwachs von 17 Prozent verzeichnen. Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass alle Teilnehmer – Aussteller, Besucher und Sprecher – echte Experten in ihrem Bereich sind. Entsprechend professionell fielen die auf der Messe geführten Gespräche aus. So verwundert es auch nicht, dass sich alle mit der Messe sehr zufrieden zeigten – das können wir anhand der bereits getätigten Buchungsraten für 2008 belegen. Besonders hervorheben möchte ich, dass es uns gelungen ist, in punkto Besucherzahl vor der International Direct Marketing Fair in London zu rangieren und zur bekannten amerikanischen DMA (jährliche Messe der Direct Marketing Association) aufzuschließen. Das freut uns natürlich ungemein.

Die Organisatoren des Salon VAD wollten dieses Jahr mit ihrem Programm auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich digitaler und interaktive Medien reagieren und internationaler werden. Ist Ihnen das gelungen?

Jean-Pierre Debourse: Ja, das ist uns gelungen. Die Anzahl internationaler Aussteller wuchs um 19 Prozent, bei den Besuchern stieg der Anteil um acht Prozent. Wir konnten dieses Jahr Delegationen aus Belgien, Deutschland, Niederlande und Großbritannien sowie Teilnehmer aus Russland, Ukraine, Slowakei, Ungarn und Japan in Lille begrüßen. Was ich damit sagen will: E-Commerce funktioniert grenzüberschreitend, heute kann jeder jederzeit und von überall aus bestellen – egal ob im B-to-B- oder B-to-C-Geschäft.

Wie ist die Struktur der Aussteller. Wie viele von Ihnen könnte ich als Werbungtreibender hierzulande in Deutschland kontaktieren?

Jean-Pierre Debourse: Das hängt von meinen Wünschen und Bedürfnissen, aber auch von meiner Unternehmensgröße und der Branche, in der ich tätig bin, ab. Die Aussteller auf der diesjährigen Messe stammen aus den unterschiedlichsten Branchen: Handel, Verlagswesen, IT, Tourismus, Werbung oder Logistik – um nur einige zu nennen. Will ich entsprechende Technologien einsetzen, stehen mir eine Vielzahl von Herstellern zur Verfügung. Spontan fallen mir drei deutsche Anbieter ein: Omikron als Marktführer für optimierte Produktsuche in deutschen Online-Shops; Uniserv als Anbieter von Softwarelösungen für optimiertes Adressenmanagement und PLANET 49 als Spezialist für die Generierung von Kundenleads B-to-C mit Hilfe von Gewinnspielen. Und dann sind da unsere Partner – zum Beispiel MOVE [Anm. der Redaktion: Mail order Valley of Europe] oder EMOTA [Anm. der Redaktion: European Distance Selling Trade Association] – sie unterstützen in politischen Fragen des grenzüberschreitenden Handels. Welche Auswirkungen hat die Postliberalisierung auf mein Geschäft? Welche die europäische Verbraucherschutz-Richtlinie? Inwieweit betrifft mich die Internationalisierung der Zahlungssysteme?

Laut offiziellen Studien soll sich Europas E-Commerce-Markt bis 2011 auf knapp 323 Milliarden Euro verdreifachen. Konnten Sie diesen zu erwartenden Schub auf der Messe spüren?

Jean-Pierre Debourse: Die Wachstumsprognosen für den E-Commerce-Markt haben die Messeaktivitäten in der Tat spürbar beflügelt. Den allgemeinen Trend kann ich Ihnen mit einer Zahl veranschaulichen: Der Anteil von E-Commerce macht schon 65 Prozent des traditionellen Versandhandels in Frankreich aus. Alle Player am Markt – die Großen wie die kleinen Nischenanbieter – haben die Chancen des Multichannel für sich entdeckt.

Können Sie vielleicht sogar bestimmte Trends ausmachen?

Jean-Pierre Debourse: Der Online-Handel stellt sich langsam um, das Internet dient häufig nur der Kaufvorbereitung. Reine Online-Anbieter eröffnen Filialen und legen Print-Kataloge auf – siehe ebay. Die totgesagten Big Books sind also mitnichten aus der Mode. Wer auf das Prinzip des so genannten Multichannel-Versandhandels, sprich Filiale, Katalog, Internet, Handy, TV oder gar Second Life setzt und diese auch entsprechend miteinander verknüpft, kriegt definitiv sein Stück vom Wachstumskuchen ab. Aber auch Pervasive Commerce, die neuen Medien und, damit einhergehend, U-Commerce, sind groß im Kommen.

Und das heißt?

Der Endverbraucher übernimmt mehr und mehr das Ruder mit Hilfe der neuen Medien, macht einen Preisvergleich auf den entsprechenden Webseiten, informiert sich über Blogs, kommuniziert mit anderen Kunden, bevor er dann online einkauft – oder eben ins Geschäft um die Ecke geht. So schließen sich die Kreise. Insgesamt werden die Medien dadurch emotionaler. Außerdem setzen sich Spezialversender immer mehr durch. Der Trend geht hin zur Personalisierung. Die Universalversender wie Otto, Neckermann und Quelle ziehen nach: Sie unterteilen ihre Kunden in Teilzielgruppen und machen ihnen spezielle Angebote.

Der Salon gewann internationale Redner wie Christophe Heurtevent, Retail and Hospitality Marketing Director bei Microsoft USA, Tanguy Peers, CEO, eBay Belgien, oder französische Branchengrößen wie Arnaud Mulliez, Präsident von Auchan Frankreich. Letztlich sollten aber auch Klein- und mittelständische Unternehmen im Fokus des Branchentreffs stehen. Können diese von den Großen lernen?

Jean-Pierre Debourse: Speziell für die KMU haben wir einen Rundgang über die Messe sowie so genannte Master classes organisiert, um die Gespräche an den Messeständen so persönlich wie möglich zu gestalten. Daran konnten Mittelständler teilnehmen, die bereits auf E-Commerce setzen, aber auch solche, die sich dem E-Commerce erst allmählich öffnen. Sie konnten dabei von den Großen lernen und zum Teil direktes Feedback auf ihre Kataloge oder Webseiten erhalten. Umgekehrt sind viele Mittelständler ja in Nischenmärkten tätig. So überrascht es nicht, dass einige sich zu Spezialversendern entwickeln, die den Großen manchmal sogar zeigen, wo es langgeht.

Das Gespräch führte Irmtrud Munkelt