Neue Arbeitsweisen schützen Agenturen vor dem Bedeutungsverlust

Werbe- und Kommunikationsagenturen stehen im kommenden Jahr am Scheideweg zwischen Erneuerung und Bedeutungsverlust, betont der Trend- und Transformationsberater Jörg Jelden. Unter seiner Leitung wurde von einem Think Tank die Studie „Agenturen der Zukunft“ erarbeitet. Sie zeigt unter anderem die Handlungsfelder auf, in denen Veränderungen am dringlichsten sind.

Obwohl die Agenturen laut GWA Herbstmonitor 2012 noch wachsende Umsätze und Renditen verzeichnen, stehen die Zeichen nach Überzeugung Jeldens auf Sturm: Eine schwächelnde Konjunktur, insolvente Verlage und Gewinneinbußen in der Automobilbranche kündigten härtere Zeiten an. Um zu bestehen, müssten sich Agenturen mit neuen Arbeitsweisen, Organisationsstrukturen und Geschäftsmodellen auseinandersetzen. Ein im Rahmen des Think Tanks durchgeführtes Social-Forecasting-Projekt zeigt auf, welche Veränderungen am dringlichsten sind und was Agenturen bislang von deren Umsetzung abgehalten hat.

1. Attraktiver für zukünftige Talente werden

Die Kosten, Talente zu rekrutieren, zu entwickeln und zu halten, steigen auch zukünftig massiv. Noch sind Agenturen mit dem Stigma behaftet, ihre Mitarbeiter zu verbrennen und nicht familienfreundlich zu sein. Weniger junge Talente wollen in Agenturen durchstarten. Viele verlassen die Agenturwelt früher als in der Vergangenheit. Motivierte und kreative Menschen interessieren sich eher für Start-ups und Social Businesses als für Agenturen. Der Grund: Sie vermissen dort konkrete Gestaltungsmöglichkeiten, eine Sinnhaftigkeit sowie modernere Arbeitsweisen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent wird dieses Ereignis laut Agentur-Insidern im Jahre 2020 eintreten. Anders als in den 1980er- und 1990er-Jahren müssen Agenturen neue Wege suchen, wieder attraktiv als Arbeitgeber zu werden.

2. Flexibler werden durch fluide Organisationen

Agenturen benötigen immer mehr Spezialdisziplinen. Wissen veraltet schneller. Neue Kompetenzen sind gefragt. Dies können Agenturen in den bisherigen Organisationsstrukturen immer weniger leisten. Die befragten Agentur-Insider sehen die Lösung in fluiden Organisationsmodellen. Ein Kernteam pflegt den Kundenkontakt und hält das Kundenwissen. Es wird ergänzt durch ein Netzwerk aus Partnern und freien Mitarbeitern. Die befragten Agentur-Insider denken, dieses Ereignis werde im Jahre 2020 mit 77-prozentiger Wahrscheinlichkeit eintreten. Durch dieses fluide Modell werden Agenturen flexibler und können ihre Kosten reduzieren. Sie müssen jedoch neu verhandeln, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie fest vorhalten wollen und welche sie extern hinzuziehen.

3. Über neue Geschäftsmodelle zusätzliche Erlösquellen erschließen

Die Einnahmen von Agenturen werden zukünftig zunehmend aus vielen unterschiedlichen Quellen kommen. Bislang verdienten Agenturen durch langfristige Rahmenverträge oder kurzfristiges Projektgeschäft. Zukünftig tragen Rahmenverträge nur noch 27 Prozent zum durchschnittlichen Agentur-Umsatz bei. Das Ad-hoc-Projektgeschäft wird zum wichtigsten Umsatzbringer und wird zukünftig 34 Prozent beitragen. Alternative Geschäftsmodelle wie erfolgsbasierte Bezahlung, Lizenzen, Beteiligungen oder gänzlich eigene Produkte machen zusammen künftig knapp 40 Prozent des Agenturumsatzes aus.

Erneuerung erst in akuter wirtschaftlicher Not?

Jelden betont, die Agenturwelt sei sich einig, dass etwas passieren muss. 97 Prozent der im Rahmen des Social Forecastings befragten Insider sehen die Notwendigkeit zur Veränderung. Knapp sechs von zehn Agentur-Insidern glauben sogar, dass sich grundlegend etwas tun muss, damit Agenturen zukünftig am Markt bestehen können. Viele Agentur-Entscheider sehen sowohl die Unsicherheiten als auch die neuen Chancen. Allerdings fühlen sich die meisten von der Fülle an Herausforderungen und Möglichkeiten erschlagen und finden im Führungskreis keine Einigung über angemessene Zukunftsoptionen. Drei Viertel der Befragten geben interne Unklarheit über den einzuschlagenden Weg als wichtigste Veränderungsbarriere an.

„Agenturen sind wie Raucher“, sagt der Trendberater. „Sie wissen genau, dass sie sich eigentlich längst mit den nötigen Veränderungen beschäftigen müssten. Doch ohne akute wirtschaftliche Not fällt es Agenturen schwer, sich zu erneuern.“ Das Jahr 2013 werde für viele diesen Handlungsdruck bringen. Wie die Partner des Think Tanks aber eindrücklich belegten, mangele es keineswegs an Ideen und Konzepten. „Jeder von ihnen beschäftigt sich schon länger mit den notwendigen Veränderungen und teilt Erfahrungen und Ansätze in der Studie“, erklärt Jelden.

Zu den Agentur-Partnern der Studie „Agenturen der Zukunft“ gehören Fork Unstable Media, DDB Tribal, Red Rabbit, Tlgg, Ce+Co, Philipp und Keuntje, Häberlein & Mauerer, Kleiner & bold, Tbwa und die interne Agentur von Entega. Wie erwähnt, wurde im Rahmen der Studie ein auch Social-Forecasting-Projekt über den Enterprise-2.0-Anbieter Crowdworx durchgeführt. Außerdem fand ein Ideenwettbewerb auf der Crowdsourcing-Plattform Jovoto statt. Weitere Partner waren Frührot, Good School, die Next Berlin Konferenz und Das Jahr der Werbung (Econ Verlag).

Die vollständige Studie kann als kostenloses PDF hier heruntergeladen werden.