Von Anne-Kathrin Keller
Schöne weiße Zähne ein Leben lang – da lohnt es sich zu investieren. Sowohl in eine ordentliche Zahnbehandlung als auch in Pflegeprodukte. Doch es wird immer schwieriger für Konsumenten zu erkennen, welche Behandlungen wirklich nötig sind und welche Produkte Sinn machen. Denn: Ist der Zahn wirklich von Karies befallen? Kostet eine Zahnkrone tatsächlich 600 Euro Eigenanteil? Für Patienten sind Diagnose und Kosten beim Zahnarzt oft schwer zu durchschauen. Im Supermarkt und Drogerien greifen Patienten oftmals zu schnell zu den Produkten mit den besten Werbeversprechen.
Nicht nur Unternehmen platzieren ihre Produkte, auch Zahnärzte werben mit speziellen Angeboten, Rabatten und Zusatzbehandlungen, die über den ärztlichen Versorgungskatalog hinausgehen und von keiner Krankenkasse finanziell unterstützt werden. Es ist eine ganze Industrie rund um die Zahnpflege und Mundhygiene entstanden.
Unnötige Behandlungen und zu hohe Rechnungen
Das Ergebnis des NDR-Tests: Einige Zahnärzte verdienen das Vertrauen ihrer Patienten nicht. Laut der NDR-Dokumentation „Der große Zahnpflege-Check” machte fast die Hälfte der Zahnärzte Fehler bei der Diagnose oder schlug überflüssige und vor allem teure Behandlungen vor. Bei einem Patienten variierte die Höhe des Eigenanteils je nach Zahnarzt sogar zwischen 0 und 3400 Euro.
Früher waren gute Zähne ein echtes Statussymbol. An den Zähnen unterschied sich die finanzielle Stellung. Nur die Reichen konnten sich Zahnpflege leisten. Bei den steigenden Kosten für Zuzahlungen beim Zahnarzt fühlt sich mancher an solche Zeiten erinnert. Doch es sind gerade die Zahnärzte selbst, die diesem Gefühl Nahrung bieten.
Nach Schönheitschirurgen sind Zahnärzte die Ärzte mit den stärksten Marketinggenen. Sie haben eine große Zielgruppe und kennen die Sehnsucht ihrer Patienten nach einem strahlenden Lächeln. Die Konkurrenz zwischen den Zahnärzten ist größer geworden, weil die Dichte der Zahnarztpraxen angestiegen ist. Zudem zwingt modernere Technik die Ärzte zu ständig neuen Investitionen in Geräte und Einrichtung. Denn der Patient schaut, wie viel ihm in einer Praxis geboten wird.
Service wie im Einzelhandel
Weil sie zudem immer weniger an alltäglichen Behandlungen verdienen, bieten Zahnärzte Extraleistungen, schalten Werbeanzeigen, lassen sich professionelle Webauftritte erstellen und bieten ihren Kunden Öffnungszeiten bis Mitternacht an. Ein Service, der mit dem Einzelhandel vergleichbar ist. Daher, so das Fazit der NDR-Journalisten, sollte sich der Patient bei der Zahnbehandlung auch so verhalten, wie beispielsweise bei einem Autokauf, und stets zwischen verschiedenen Anbietern vergleichen.
Vergleichen gilt auch bei Zahnpflegeprodukten aus dem Einzelhandel. Auch hier sind die Produkte für den Konsumenten schwer einschätzbar. Braucht man zum Zähneputzen tatsächlich Interdentalbürsten, Zahncreme mit Zink oder Mundwasser mit Antiplague-Formel? Ist teuer gleich gut? Was bringen Zusatzprodukte wie Bleaching-sets für weiße Zähne?
Teuer ist nicht gleich gut
Alleine bei Zahnpasta ist der Verbraucher mit einem riesigen Sortiment konfrontiert. Die Preisunterschiede sind groß. Die günstigste Zahnpasta beim Discounter Aldi liegt bei 39 Cent, die teuerste Zahnpasta in der Drogerie ist mit 4,75 Euro mehr als zwölfmal so teuer. Kaum eine Zahnpasta dient der normalen Zahnpflege, sie verspricht dreifachen oder siebenfachen Schutz, schützt vor Karies, Belag oder macht die Zähne extra weiß.
Die Werbung suggeriert magische Kräfte. Oftmals werden Eigenschaften wie Optik ins Zentrum der Marketingstrategie gehoben. Diese haben jedoch nichts mit der medizinischen Wirkung zu tun. Verschiedenfarbige Streifen in der Zahnpaste versprechen beispielsweise unterschiedliche Wirkungsfelder. Die Strategie funktioniert. Streifen sind beim Verbraucher als Qualitätsmerkmal abgespeichert. Bei einem Test mit Passanten auf der Straße werteten die meisten Testpersonen Zahnpasten mit Streifen als hochwertiger als unifarbene Zahnpasten, obwohl sich diese de facto nur optisch unterscheiden und Streifen reines Marketinginstrument sind.
Geschmack wichtiger als Schutz
Die meisten Verbraucher gehen bei der Entscheidung für oder gegen ein Produkt nach der Eigenschaft Geschmack. Hier gibt es auch die größte Differenzierung nach Zielgruppen. In Russland verkauft sich eine schwarze Zahnpasta für Männer besonders gut, in Indien fragen die Verbraucher Zahnpulver nach, für Kinder kann die Zahncreme nicht süß genug sein.
Dabei zählt bei der Qualität von Zahnpasta einzig und allein der Fluoridwert, wie Zahnmediziner den NDR-Journalisten bestätigen. Je höher dieser ist, desto besser ist auch die Wirkung des Produktes. Der Fluoridwert korreliert nicht mit dem Preis, wie ein weiterer Test belegt. So hat die Billigzahnpasta von Aldi einen höheren Wert als die hochpreisige Drogerieware von Perlweiss. Das teuerste Drogerieprodukt enthielt gar kein Fluorid.
Preis spielt keine Rolle
Auch bei Zahnbürsten gibt es eine scheinbar unendliche Auswahl: Zahnbürsten mit kurzen, langen, runde und geraden Borsten, mit oder ohne Schwingkopf. Die Preisspanne im Einzelhandel liegt zwischen 39 Cent und 2,99 Euro. Der Bestseller hat gleichmäßige gerade Borsten. Wissenschaftlich ist er der schlechteste und reinigt deutlich schlechter als eine Zahnbürste mit gekreuzten Borsten. Die Erklärung ist einfach: Der Verbraucher wird von der ebenen Form an einen herkömmlichen Besen oder eine herkömmliche Haushaltsbürste erinnert und greift zu.
Es zeigt sich: Die Industrie für Zahnhygiene hat eine ganz eigene Dynamik. Sie ist viel stärker von Marketing und Konsumentenforschung abhängig als von wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnissen. Das ermöglicht Konzernen gute Geschäfte, den Verbrauchern aber nicht immer den beste Schutz und die beste Behandlung.
Die NDR-Marktreporter testen regelmäßig Unternehmen und Branchen auf ihre Werbeversprechen und deren Einhaltung. In der vergangenen Wochen wurde Rewe und die Deutsche Post vom NDR getestet. absatzwirtschaft online hat die Dokumentationen kritisch betrachtet:
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