Nahrungskrieg in Frankreich: Das Ende der Superschnäppchen um Marken wie Nutella und Coca-Cola

Das französische Landwirtschaftsministerium zwingt Einzelhändler, die Preise für Grundnahrungsmittel anzuheben. Ziel des neuen „Loi Alimentation“ ist es, eine bessere Bezahlung für die französischen Landwirte und für die kleinen Lebensmittelproduzenten zu gewährleisten, die derzeit wenig verdienen. Doch was bedeutet dies für die freie Preisgestaltung?
Osteuropa fühlt sich von Konzernen mit Lebensmitteln schlechter Qualität abgespeist. Die Kritik entzündet sich besonders an Nutella, Schokolade oder Babyprodukten

Von Anne-Kathrin Velten

Zwei kaufen, nur eins zahlen – solche Angebote sind in Frankreich verboten. Seit Februar gilt ein neues Nahrungsmittelgesetz. Mit dem „Loi Alimentation“ will die französische Regierung sicherstellen, dass es zukünftig nicht mehr zu Preisschlachten zwischen den Supermärkten kommt. Das neue Gesetz will die Zwischenhändler dazu erziehen, französische Produzenten fairer zu bezahlen. Denn locken die Geschäfte Kunden mit Supersonderangeboten an, leiden oft die Produzenten.

So klagen die französischen Landwirte, dass die Einkäufer seit Jahrzehnten die Preise drücken und sich ihre Arbeit inzwischen kaum mehr lohne. Der Kern des neuen Gesetzes: Produkte dürfen in den Supermärkten künftig nicht mehr zum Selbstkostenpreis oder darunter angeboten werden. Der Verkaufspreis in den Regalen muss mindestens zehn Prozent über dem Produktionswert eines Produktes liegen.

Preissteigerungen über Nacht

Rabattaktionen dürfen nur noch auf maximal ein Viertel des Produktvolumens angewendet werden und höchstens 34 Prozent Preisabschlag bedeuten. Über Nacht sind zahlreiche Produkte teurer geworden. Ein 750-Gramm-Glas Nutella kostete im Januar noch knapp vier Euro. Im Februar sind es 4,40 Euro.

Das neue Gesetz sorgt für noch mehr Unruhe in Frankreich. Es kommt zu einer Zeit, in der sich der Protest der sogenannten Gelbwesten an der Preiserhöhung von Benzin entzündet hat und Rentner wegen niedriger Pensionen zu Tausenden gegen die Regierung auf die Straßen gehen. Denn gewinnen die Produzenten, verlieren die Verbraucher. Sie müssen mehr für ihren Einkauf zahlen.

Verbraucherverbände gehen davon aus, dass jeder Haushalt jährlich mit 40 Euro mehrbelastet wird. Das Gesetz verstärkt das Gefühl der Franzosen, dass die Kaufkraft stetig zurückgehe. Die betroffenen Supermarktunternehmen versprechen trotz der Regelung, die Preise niedrig zu halten. Sie argumentieren, dass höchstens 500 bis 600 Produkte betroffen seien.

Coca-Cola, Camembert & Co. deutlich teurer

Es kursieren inzwischen Listen im Internet, die zeigen, welche Waren teurer sind. Das sind oft genau jene, die die Verbraucher regelmäßig konsumieren und deren Preise sie demnach genau kennen. Dazu zählen neben Nutella beispielsweise Joghurt, Camembert oder auch Coca-Cola. Diese Produkte können Supermärkte künftig kaum oberhalb der Mindestmarge von zehn Prozent anbieten.

Verdienen werden sie an Waren, bei denen die Kunden keinen Preisvergleich machen. Darüber hinaus suchen die Händler nach kreativen Ideen, das Gesetz zu umgehen. Auf Super-Sonderangebote müssen sie verzichten. Nun versuchen viele verstärkt, die Konsumenten mit Treuekarten und damit verbundenen Angeboten zu binden.

Ein Versuch von „France First“

Verbraucherschützer sind der Überzeugung, dass Preiskriege auch mit dem neuen Gesetz nicht vorbei sind. Sie würden sich in das Segment der Eigenmarken verlagern. Dort sind die verkauften Margen ohnehin wichtiger und die Preise zwischen den verschiedenen Supermärkten weniger vergleichbar. So hat das Unternehmen Leclerc bereits angekündigt, die Preise für 4.600 Produkte ihrer Eigenmarke Repère zu senken.

Der Warenkorb der Franzosen wird sich also kaum verändern, es werden sich darin allerdings weniger Markenprodukte finden. Zudem lässt sich der „Frankreich First“-Versuch der Regierung eine Hintertür auf: Die neuen Regelungen sind zunächst auf zwei Jahre beschränkt. Ausländische Produzenten können also vorerst abwarten, wie die Franzosen reagieren.